blieb dabey, er könne nicht mehr geben. Auch nicht funfzehenhundert Gulden? fragte Hanns ihn trau- rig. Nein, war die Antwort, mehr nicht, als zwölf- hundert Gulden. Nun so behüte euch Gott, Gevat- ter, so will ich weiter gehen. Sie schieden ziemlich gelassen von einander. Hanns hatte kaum zwan- zig Schritte gethan, als er mit einer rechnenden Miene stehen blieb, wieder umkehrte, und an des Niklas Fenster mit seinem Stocke pochte. Ge- vatter Niklas, noch auf ein Wort! rief er. Wollt ihr auch nicht vierzehenhundert Gulden? Jch kann, straf mich Gott, nicht! dabey blieb Niklas. Hanns kehrte sich trotzig um, und sagte: Nun! so muß ich denken, daß es Gottes Wille nicht gewesen ist. Lebt wohl!
Wer hat diese Leute diese vorsichtige Art zu lieben gelehrt, wenn es die Natur nicht gewesen ist? Sollte ich wohl so rebellisch seyn, und mich der mütterlichen Stimme der Natur widersetzen? Wie vornehm dachte mein Hanns, welcher wohl wußte, daß keine Ehe unter funfzehenhundert Gul- den im Himmel geschlossen werden könnte!
Jn diesem Augenblicke fällt mir ein Aufsatz in die Hände, den ich machte, als ich noch verheira- thet war. Es ist ein Trost für unglückliche Leute, wenn sie andere finden, die eben so unglücklich sind. Jch war damals sehr aufmerksam, Leute kennen zu lernen, die sich bey der Heirath eben so sehr übereilt hatten, als ich. Jch fand sie, und alle
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
blieb dabey, er koͤnne nicht mehr geben. Auch nicht funfzehenhundert Gulden? fragte Hanns ihn trau- rig. Nein, war die Antwort, mehr nicht, als zwoͤlf- hundert Gulden. Nun ſo behuͤte euch Gott, Gevat- ter, ſo will ich weiter gehen. Sie ſchieden ziemlich gelaſſen von einander. Hanns hatte kaum zwan- zig Schritte gethan, als er mit einer rechnenden Miene ſtehen blieb, wieder umkehrte, und an des Niklas Fenſter mit ſeinem Stocke pochte. Ge- vatter Niklas, noch auf ein Wort! rief er. Wollt ihr auch nicht vierzehenhundert Gulden? Jch kann, ſtraf mich Gott, nicht! dabey blieb Niklas. Hanns kehrte ſich trotzig um, und ſagte: Nun! ſo muß ich denken, daß es Gottes Wille nicht geweſen iſt. Lebt wohl!
Wer hat dieſe Leute dieſe vorſichtige Art zu lieben gelehrt, wenn es die Natur nicht geweſen iſt? Sollte ich wohl ſo rebelliſch ſeyn, und mich der muͤtterlichen Stimme der Natur widerſetzen? Wie vornehm dachte mein Hanns, welcher wohl wußte, daß keine Ehe unter funfzehenhundert Gul- den im Himmel geſchloſſen werden koͤnnte!
Jn dieſem Augenblicke faͤllt mir ein Aufſatz in die Haͤnde, den ich machte, als ich noch verheira- thet war. Es iſt ein Troſt fuͤr ungluͤckliche Leute, wenn ſie andere finden, die eben ſo ungluͤcklich ſind. Jch war damals ſehr aufmerkſam, Leute kennen zu lernen, die ſich bey der Heirath eben ſo ſehr uͤbereilt hatten, als ich. Jch fand ſie, und alle
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
blieb dabey, er koͤnne nicht mehr geben. Auch nicht
funfzehenhundert Gulden? fragte Hanns ihn trau-
rig. Nein, war die Antwort, mehr nicht, als zwoͤlf-
hundert Gulden. Nun ſo behuͤte euch Gott, Gevat-
ter, ſo will ich weiter gehen. Sie ſchieden ziemlich
gelaſſen von einander. Hanns hatte kaum zwan-
zig Schritte gethan, als er mit einer rechnenden
Miene ſtehen blieb, wieder umkehrte, und an des
Niklas Fenſter mit ſeinem Stocke pochte. Ge-
vatter Niklas, noch auf ein Wort! rief er. Wollt
ihr auch nicht vierzehenhundert Gulden? Jch kann,
ſtraf mich Gott, nicht! dabey blieb Niklas. Hanns
kehrte ſich trotzig um, und ſagte: Nun! ſo muß
ich denken, daß es Gottes Wille nicht geweſen iſt.
Lebt wohl!
Wer hat dieſe Leute dieſe vorſichtige Art zu
lieben gelehrt, wenn es die Natur nicht geweſen
iſt? Sollte ich wohl ſo rebelliſch ſeyn, und mich
der muͤtterlichen Stimme der Natur widerſetzen?
Wie vornehm dachte mein Hanns, welcher wohl
wußte, daß keine Ehe unter funfzehenhundert Gul-
den im Himmel geſchloſſen werden koͤnnte!
Jn dieſem Augenblicke faͤllt mir ein Aufſatz in
die Haͤnde, den ich machte, als ich noch verheira-
thet war. Es iſt ein Troſt fuͤr ungluͤckliche Leute,
wenn ſie andere finden, die eben ſo ungluͤcklich ſind.
Jch war damals ſehr aufmerkſam, Leute kennen
zu lernen, die ſich bey der Heirath eben ſo ſehr
uͤbereilt hatten, als ich. Jch fand ſie, und alle
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/253>, abgerufen am 22.11.2024.
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