Denenjenigen, welche sich einfallen lassen zu glauben, daß meine Liebe zu eigennützig sey, denen will ich beweisen, daß ich nach der Vorschrift der Natur liebe. Und dieses zu beweisen, brauche ich nichts, als das Beyspiel des Landmanns, wel- cher unschuldig, und natürlich liebt, da ihn weder die Eitelkeit des Hofes leichtsinnig, noch der Ei- gennutz der Stadt niederträchtig macht.
Es werden ungefähr ein paar Monate seyn, als ich auf dem Landgute eines meiner Freunde das Vergnügen hatte zu hören, wie vorsichtig zween Väter um ihre Kinder handelten. Hanns, der Vater des erwachsenen Jungens, der freyen sollte, gieng zu seinem Nachbar, dem reichen Nik- las, ans Fenster, und machte ihm seine Tochter feil. Grüß euch Gott, Niklas, sagte der zärt- liche Vater; wißt ihr was: Mein Bube soll das Gütchen annehmen, und ich suche ein feines Mensch für ihn, was gebt ihr eurer Tochter mit? Tau- send Gulden, mehr nicht, antwortete ihm der Nachbar ganz gelassen. Hum! Nur tausend Gul- den: das wäre ja gar nichts. Gebt ihr zweytausend Gulden, so lasse ich meinem Sohne das Gut heute noch im Amte verschreiben. Seht nur, Gevatter, sprach Niklas, das kann ich mein Seele nicht. Zwey- tausend Gulden ist zu viel. Mit einem Worte, zwölf- hundert Gulden ist alles, was ich thun kann, und da nicht einen Kreuzer mehr. Je geht doch, versetzte Hanns, ihr solltet euch schämen; so ein hübscher Nach- bar im Dorfe! Niklas schüttelte seinen Kopf, und
blieb
Antons Panßa von Mancha
Denenjenigen, welche ſich einfallen laſſen zu glauben, daß meine Liebe zu eigennuͤtzig ſey, denen will ich beweiſen, daß ich nach der Vorſchrift der Natur liebe. Und dieſes zu beweiſen, brauche ich nichts, als das Beyſpiel des Landmanns, wel- cher unſchuldig, und natuͤrlich liebt, da ihn weder die Eitelkeit des Hofes leichtſinnig, noch der Ei- gennutz der Stadt niedertraͤchtig macht.
Es werden ungefaͤhr ein paar Monate ſeyn, als ich auf dem Landgute eines meiner Freunde das Vergnuͤgen hatte zu hoͤren, wie vorſichtig zween Vaͤter um ihre Kinder handelten. Hanns, der Vater des erwachſenen Jungens, der freyen ſollte, gieng zu ſeinem Nachbar, dem reichen Nik- las, ans Fenſter, und machte ihm ſeine Tochter feil. Gruͤß euch Gott, Niklas, ſagte der zaͤrt- liche Vater; wißt ihr was: Mein Bube ſoll das Guͤtchen annehmen, und ich ſuche ein feines Menſch fuͤr ihn, was gebt ihr eurer Tochter mit? Tau- ſend Gulden, mehr nicht, antwortete ihm der Nachbar ganz gelaſſen. Hum! Nur tauſend Gul- den: das waͤre ja gar nichts. Gebt ihr zweytauſend Gulden, ſo laſſe ich meinem Sohne das Gut heute noch im Amte verſchreiben. Seht nur, Gevatter, ſprach Niklas, das kann ich mein Seele nicht. Zwey- tauſend Gulden iſt zu viel. Mit einem Worte, zwoͤlf- hundert Gulden iſt alles, was ich thun kann, und da nicht einen Kreuzer mehr. Je geht doch, verſetzte Hanns, ihr ſolltet euch ſchaͤmen; ſo ein huͤbſcher Nach- bar im Dorfe! Niklas ſchuͤttelte ſeinen Kopf, und
blieb
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0252"n="230"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/><p>Denenjenigen, welche ſich einfallen laſſen zu<lb/>
glauben, daß meine Liebe zu eigennuͤtzig ſey, denen<lb/>
will ich beweiſen, daß ich nach der Vorſchrift der<lb/>
Natur liebe. Und dieſes zu beweiſen, brauche<lb/>
ich nichts, als das Beyſpiel des Landmanns, wel-<lb/>
cher unſchuldig, und natuͤrlich liebt, da ihn weder<lb/>
die Eitelkeit des Hofes leichtſinnig, noch der Ei-<lb/>
gennutz der Stadt niedertraͤchtig macht.</p><lb/><p>Es werden ungefaͤhr ein paar Monate ſeyn,<lb/>
als ich auf dem Landgute eines meiner Freunde<lb/>
das Vergnuͤgen hatte zu hoͤren, wie vorſichtig<lb/>
zween Vaͤter um ihre Kinder handelten. <hirendition="#fr">Hanns</hi>,<lb/>
der Vater des erwachſenen Jungens, der freyen<lb/>ſollte, gieng zu ſeinem Nachbar, dem reichen <hirendition="#fr">Nik-<lb/>
las</hi>, ans Fenſter, und machte ihm ſeine Tochter<lb/>
feil. Gruͤß euch Gott, Niklas, ſagte der zaͤrt-<lb/>
liche Vater; wißt ihr was: Mein Bube ſoll das<lb/>
Guͤtchen annehmen, und ich ſuche ein feines Menſch<lb/>
fuͤr ihn, was gebt ihr eurer Tochter mit? Tau-<lb/>ſend Gulden, mehr nicht, antwortete ihm der<lb/>
Nachbar ganz gelaſſen. Hum! Nur tauſend Gul-<lb/>
den: das waͤre ja gar nichts. Gebt ihr zweytauſend<lb/>
Gulden, ſo laſſe ich meinem Sohne das Gut heute<lb/>
noch im Amte verſchreiben. Seht nur, Gevatter,<lb/>ſprach Niklas, das kann ich mein Seele nicht. Zwey-<lb/>
tauſend Gulden iſt zu viel. Mit einem Worte, zwoͤlf-<lb/>
hundert Gulden iſt alles, was ich thun kann, und<lb/>
da nicht einen Kreuzer mehr. Je geht doch, verſetzte<lb/>
Hanns, ihr ſolltet euch ſchaͤmen; ſo ein huͤbſcher Nach-<lb/>
bar im Dorfe! Niklas ſchuͤttelte ſeinen Kopf, und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">blieb</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[230/0252]
Antons Panßa von Mancha
Denenjenigen, welche ſich einfallen laſſen zu
glauben, daß meine Liebe zu eigennuͤtzig ſey, denen
will ich beweiſen, daß ich nach der Vorſchrift der
Natur liebe. Und dieſes zu beweiſen, brauche
ich nichts, als das Beyſpiel des Landmanns, wel-
cher unſchuldig, und natuͤrlich liebt, da ihn weder
die Eitelkeit des Hofes leichtſinnig, noch der Ei-
gennutz der Stadt niedertraͤchtig macht.
Es werden ungefaͤhr ein paar Monate ſeyn,
als ich auf dem Landgute eines meiner Freunde
das Vergnuͤgen hatte zu hoͤren, wie vorſichtig
zween Vaͤter um ihre Kinder handelten. Hanns,
der Vater des erwachſenen Jungens, der freyen
ſollte, gieng zu ſeinem Nachbar, dem reichen Nik-
las, ans Fenſter, und machte ihm ſeine Tochter
feil. Gruͤß euch Gott, Niklas, ſagte der zaͤrt-
liche Vater; wißt ihr was: Mein Bube ſoll das
Guͤtchen annehmen, und ich ſuche ein feines Menſch
fuͤr ihn, was gebt ihr eurer Tochter mit? Tau-
ſend Gulden, mehr nicht, antwortete ihm der
Nachbar ganz gelaſſen. Hum! Nur tauſend Gul-
den: das waͤre ja gar nichts. Gebt ihr zweytauſend
Gulden, ſo laſſe ich meinem Sohne das Gut heute
noch im Amte verſchreiben. Seht nur, Gevatter,
ſprach Niklas, das kann ich mein Seele nicht. Zwey-
tauſend Gulden iſt zu viel. Mit einem Worte, zwoͤlf-
hundert Gulden iſt alles, was ich thun kann, und
da nicht einen Kreuzer mehr. Je geht doch, verſetzte
Hanns, ihr ſolltet euch ſchaͤmen; ſo ein huͤbſcher Nach-
bar im Dorfe! Niklas ſchuͤttelte ſeinen Kopf, und
blieb
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/252>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.