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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
nerlichen Empfindung. Unter tausend Freygei-
stern ist vielleicht nur einer, der mit Ueberzeugung
nichts von Gott und der Religion glaubt, und
dieser Eine wird gewiß am wenigsten schaden, weil
er zu vernünftig ist, seinen Unglauben merken zu
lassen, und weil er sich bey seiner Vernunft schä-
men muß, in der Gesellschaft einer so abgeschmack-
ten Bande atheistischer Gaukler zu seyn, welche
zu dumm sind, von der Religion nichts zu glau-
ben: Denn von der Religion im Ernste nichts zu
glauben, das ist weit schwerer, als ein guter
Christ zu seyn. Also sorge ich bey meinem Pro-
jecte bloß für diese starken Geister, die wider ihre
Ueberzeugung nur aus Hunger Lügen predigen, wie
etwan die Zigeuner nur aus Hunger wahrsagen.
Jch schreibe gar nicht aus mütterlichen Vorurthei-
len, was ich hier schreibe; Jch berufe mich auf
die Erfahrung, und bitte mir von meinen Lesern
nur eine kleine Aufmerksamkeit auf dergleichen Ge-
schöpfe aus, welche so verwegen sind, sich Athei-
sten zu nennen. Bey allen, ich sage nicht zu viel,
wenn ich dieses sage; bey allen werden sie finden,
daß ihr Leichtsinn sich bloß aus einem Mangel der
Nahrung herschreibt. Ein junger Mensch, der sein
Vermögen durchgebracht, dem der wollüstige
Müßiggang das Gemüthe zu höhern Beschäfftigun-
gen träge gemacht, und die Knochen zur Arbeit
entkräftet hat, den das Andenken seiner vorigen
Glückseligkeit verzweifelnd, und der gegenwär-
tige Mangel unverschämt macht, der es nicht ge-

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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
nerlichen Empfindung. Unter tauſend Freygei-
ſtern iſt vielleicht nur einer, der mit Ueberzeugung
nichts von Gott und der Religion glaubt, und
dieſer Eine wird gewiß am wenigſten ſchaden, weil
er zu vernuͤnftig iſt, ſeinen Unglauben merken zu
laſſen, und weil er ſich bey ſeiner Vernunft ſchaͤ-
men muß, in der Geſellſchaft einer ſo abgeſchmack-
ten Bande atheiſtiſcher Gaukler zu ſeyn, welche
zu dumm ſind, von der Religion nichts zu glau-
ben: Denn von der Religion im Ernſte nichts zu
glauben, das iſt weit ſchwerer, als ein guter
Chriſt zu ſeyn. Alſo ſorge ich bey meinem Pro-
jecte bloß fuͤr dieſe ſtarken Geiſter, die wider ihre
Ueberzeugung nur aus Hunger Luͤgen predigen, wie
etwan die Zigeuner nur aus Hunger wahrſagen.
Jch ſchreibe gar nicht aus muͤtterlichen Vorurthei-
len, was ich hier ſchreibe; Jch berufe mich auf
die Erfahrung, und bitte mir von meinen Leſern
nur eine kleine Aufmerkſamkeit auf dergleichen Ge-
ſchoͤpfe aus, welche ſo verwegen ſind, ſich Athei-
ſten zu nennen. Bey allen, ich ſage nicht zu viel,
wenn ich dieſes ſage; bey allen werden ſie finden,
daß ihr Leichtſinn ſich bloß aus einem Mangel der
Nahrung herſchreibt. Ein junger Menſch, der ſein
Vermoͤgen durchgebracht, dem der wolluͤſtige
Muͤßiggang das Gemuͤthe zu hoͤhern Beſchaͤfftigun-
gen traͤge gemacht, und die Knochen zur Arbeit
entkraͤftet hat, den das Andenken ſeiner vorigen
Gluͤckſeligkeit verzweifelnd, und der gegenwaͤr-
tige Mangel unverſchaͤmt macht, der es nicht ge-

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[261/0283] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. nerlichen Empfindung. Unter tauſend Freygei- ſtern iſt vielleicht nur einer, der mit Ueberzeugung nichts von Gott und der Religion glaubt, und dieſer Eine wird gewiß am wenigſten ſchaden, weil er zu vernuͤnftig iſt, ſeinen Unglauben merken zu laſſen, und weil er ſich bey ſeiner Vernunft ſchaͤ- men muß, in der Geſellſchaft einer ſo abgeſchmack- ten Bande atheiſtiſcher Gaukler zu ſeyn, welche zu dumm ſind, von der Religion nichts zu glau- ben: Denn von der Religion im Ernſte nichts zu glauben, das iſt weit ſchwerer, als ein guter Chriſt zu ſeyn. Alſo ſorge ich bey meinem Pro- jecte bloß fuͤr dieſe ſtarken Geiſter, die wider ihre Ueberzeugung nur aus Hunger Luͤgen predigen, wie etwan die Zigeuner nur aus Hunger wahrſagen. Jch ſchreibe gar nicht aus muͤtterlichen Vorurthei- len, was ich hier ſchreibe; Jch berufe mich auf die Erfahrung, und bitte mir von meinen Leſern nur eine kleine Aufmerkſamkeit auf dergleichen Ge- ſchoͤpfe aus, welche ſo verwegen ſind, ſich Athei- ſten zu nennen. Bey allen, ich ſage nicht zu viel, wenn ich dieſes ſage; bey allen werden ſie finden, daß ihr Leichtſinn ſich bloß aus einem Mangel der Nahrung herſchreibt. Ein junger Menſch, der ſein Vermoͤgen durchgebracht, dem der wolluͤſtige Muͤßiggang das Gemuͤthe zu hoͤhern Beſchaͤfftigun- gen traͤge gemacht, und die Knochen zur Arbeit entkraͤftet hat, den das Andenken ſeiner vorigen Gluͤckſeligkeit verzweifelnd, und der gegenwaͤr- tige Mangel unverſchaͤmt macht, der es nicht ge- woh- R 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/283>, abgerufen am 22.11.2024.