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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
wohnen kann, unbemerkt zu leben, da er nur vor
kurzem durch seine kostbaren Thorheiten die Au-
gen der ganzen Stadt auf sich zog; ein Mensch
von dieser Art, und deren sind unzählige, wird
eine große Beruhigung für seinen Hochmuth, und
für seinen Hunger finden, wenn er zuerst die in-
nerlichen Vorwürfe seines eignen Gewissens da-
mit übertäuben kann, daß alle heilige und bürger-
liche Pflichten, die uns die Religion predigt, ein
eigennütziges Gewäsche der Pfaffen, und daß alle
Strafen, mit denen die Offenbarung die Ueber-
treter dieser Pflichten so schrecklich bedroht, ein
kindisches Märchen christlicher Weiber sind. Hat
er es erst mit sich selbst so weit gebracht, so liegt
ihm daran, daß er sein eingeschläfertes Gewissen
in dieser Betäubung erhalte, und daß er auch ge-
gen die Welt seine Thorheiten rechtfertige. Am
füglichsten geschieht dieses dadurch, daß er sich
selbst, und allen, die es hören, und die es auch
nicht hören wollen, die neuen Entdeckungen täg-
lich vorsagt, die sein starker Geist aus Scham
und Verzweiflung, wider die Religion erfunden
hat. Der Mangel hat ihn so vorsichtig gemacht,
daß er vornehmlich diejenigen von ihrem Aber-
glauben zu bekehren sucht, welche am wenigsten
Verstand haben, ihm zu widersprechen. Er wird
sich also am liebsten reiche bejahrte Thoren, und
junge Narren aus guten Häusern wählen. Je-
nen ist es ungemein schmeichelhaft, daß man ih-
nen bey ihrer reichen Thorheit, den Verstand zu-

traut,

Antons Panßa von Mancha
wohnen kann, unbemerkt zu leben, da er nur vor
kurzem durch ſeine koſtbaren Thorheiten die Au-
gen der ganzen Stadt auf ſich zog; ein Menſch
von dieſer Art, und deren ſind unzaͤhlige, wird
eine große Beruhigung fuͤr ſeinen Hochmuth, und
fuͤr ſeinen Hunger finden, wenn er zuerſt die in-
nerlichen Vorwuͤrfe ſeines eignen Gewiſſens da-
mit uͤbertaͤuben kann, daß alle heilige und buͤrger-
liche Pflichten, die uns die Religion predigt, ein
eigennuͤtziges Gewaͤſche der Pfaffen, und daß alle
Strafen, mit denen die Offenbarung die Ueber-
treter dieſer Pflichten ſo ſchrecklich bedroht, ein
kindiſches Maͤrchen chriſtlicher Weiber ſind. Hat
er es erſt mit ſich ſelbſt ſo weit gebracht, ſo liegt
ihm daran, daß er ſein eingeſchlaͤfertes Gewiſſen
in dieſer Betaͤubung erhalte, und daß er auch ge-
gen die Welt ſeine Thorheiten rechtfertige. Am
fuͤglichſten geſchieht dieſes dadurch, daß er ſich
ſelbſt, und allen, die es hoͤren, und die es auch
nicht hoͤren wollen, die neuen Entdeckungen taͤg-
lich vorſagt, die ſein ſtarker Geiſt aus Scham
und Verzweiflung, wider die Religion erfunden
hat. Der Mangel hat ihn ſo vorſichtig gemacht,
daß er vornehmlich diejenigen von ihrem Aber-
glauben zu bekehren ſucht, welche am wenigſten
Verſtand haben, ihm zu widerſprechen. Er wird
ſich alſo am liebſten reiche bejahrte Thoren, und
junge Narren aus guten Haͤuſern waͤhlen. Je-
nen iſt es ungemein ſchmeichelhaft, daß man ih-
nen bey ihrer reichen Thorheit, den Verſtand zu-

traut,
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[262/0284] Antons Panßa von Mancha wohnen kann, unbemerkt zu leben, da er nur vor kurzem durch ſeine koſtbaren Thorheiten die Au- gen der ganzen Stadt auf ſich zog; ein Menſch von dieſer Art, und deren ſind unzaͤhlige, wird eine große Beruhigung fuͤr ſeinen Hochmuth, und fuͤr ſeinen Hunger finden, wenn er zuerſt die in- nerlichen Vorwuͤrfe ſeines eignen Gewiſſens da- mit uͤbertaͤuben kann, daß alle heilige und buͤrger- liche Pflichten, die uns die Religion predigt, ein eigennuͤtziges Gewaͤſche der Pfaffen, und daß alle Strafen, mit denen die Offenbarung die Ueber- treter dieſer Pflichten ſo ſchrecklich bedroht, ein kindiſches Maͤrchen chriſtlicher Weiber ſind. Hat er es erſt mit ſich ſelbſt ſo weit gebracht, ſo liegt ihm daran, daß er ſein eingeſchlaͤfertes Gewiſſen in dieſer Betaͤubung erhalte, und daß er auch ge- gen die Welt ſeine Thorheiten rechtfertige. Am fuͤglichſten geſchieht dieſes dadurch, daß er ſich ſelbſt, und allen, die es hoͤren, und die es auch nicht hoͤren wollen, die neuen Entdeckungen taͤg- lich vorſagt, die ſein ſtarker Geiſt aus Scham und Verzweiflung, wider die Religion erfunden hat. Der Mangel hat ihn ſo vorſichtig gemacht, daß er vornehmlich diejenigen von ihrem Aber- glauben zu bekehren ſucht, welche am wenigſten Verſtand haben, ihm zu widerſprechen. Er wird ſich alſo am liebſten reiche bejahrte Thoren, und junge Narren aus guten Haͤuſern waͤhlen. Je- nen iſt es ungemein ſchmeichelhaft, daß man ih- nen bey ihrer reichen Thorheit, den Verſtand zu- traut,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/284>, abgerufen am 22.11.2024.