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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
traut, wichtige neue Wahrheiten einzusehen, die
so viele vernünftige Leute, und ihre eignen Beicht-
väter nicht einsehen können. Diese kützelnde Ei-
telkeit thut ihnen so sanft, daß sie mit freygebigen
Händen demjenigen ihren Ueberfluß mittheilen,
welcher so großmüthig gewesen ist, ihnen auf eine
so bequeme Art, so viel Weisheit, so viel uner-
hörte Wahrheit mitzutheilen, die ihr Verstand, so
gar ihr Verstand, so leicht hat fassen können. Am
besten aber befinden sich unsre predigenden Freygei-
ster bey jungen bemittelten Narren, welche, sobald
sie die Religion weiter nicht schreckt, ganz unge-
stört ihren Ausschweifungen nachhängen können.
Sie lassen mit Vergnügen ihren neuen Apostel an
allen diesen Ausschweifungen Antheil nehmen;
und dieser nimmt ihn sehr gern, weil er sie gewohnt
ist, und befindet sich bey diesen jungen Verschwen-
dern am besten, weil die alten bemittelten Thoren,
mitten in ihrer Thorheit, noch immer rechnen, und
gewisse Ausschweifungen verabscheuen, die ihnen
entweder zu theuer, oder für ihre abgelebten Kör-
per zu jugendlich sind. Jch habe hier das Bild
eines Freygeistes von der mittlern Classe gemalt.
Denn von dem atheistischen Trosse will ich hier
gar nicht reden, welche von jenen nur alberne Af-
fen sind, und dasjenige abgeschmackt nachplaudern,
was jene, bey ihrer mittelmäßigen Einsicht, vor-
schwatzen, und welche, ohne zu wissen, was sie
eigentlich wollen, starke Geister seyn wollen, weil
dieses eine Modenarrheit ist; welche endlich über

Him-
R 4

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
traut, wichtige neue Wahrheiten einzuſehen, die
ſo viele vernuͤnftige Leute, und ihre eignen Beicht-
vaͤter nicht einſehen koͤnnen. Dieſe kuͤtzelnde Ei-
telkeit thut ihnen ſo ſanft, daß ſie mit freygebigen
Haͤnden demjenigen ihren Ueberfluß mittheilen,
welcher ſo großmuͤthig geweſen iſt, ihnen auf eine
ſo bequeme Art, ſo viel Weisheit, ſo viel uner-
hoͤrte Wahrheit mitzutheilen, die ihr Verſtand, ſo
gar ihr Verſtand, ſo leicht hat faſſen koͤnnen. Am
beſten aber befinden ſich unſre predigenden Freygei-
ſter bey jungen bemittelten Narren, welche, ſobald
ſie die Religion weiter nicht ſchreckt, ganz unge-
ſtoͤrt ihren Ausſchweifungen nachhaͤngen koͤnnen.
Sie laſſen mit Vergnuͤgen ihren neuen Apoſtel an
allen dieſen Ausſchweifungen Antheil nehmen;
und dieſer nimmt ihn ſehr gern, weil er ſie gewohnt
iſt, und befindet ſich bey dieſen jungen Verſchwen-
dern am beſten, weil die alten bemittelten Thoren,
mitten in ihrer Thorheit, noch immer rechnen, und
gewiſſe Ausſchweifungen verabſcheuen, die ihnen
entweder zu theuer, oder fuͤr ihre abgelebten Koͤr-
per zu jugendlich ſind. Jch habe hier das Bild
eines Freygeiſtes von der mittlern Claſſe gemalt.
Denn von dem atheiſtiſchen Troſſe will ich hier
gar nicht reden, welche von jenen nur alberne Af-
fen ſind, und dasjenige abgeſchmackt nachplaudern,
was jene, bey ihrer mittelmaͤßigen Einſicht, vor-
ſchwatzen, und welche, ohne zu wiſſen, was ſie
eigentlich wollen, ſtarke Geiſter ſeyn wollen, weil
dieſes eine Modenarrheit iſt; welche endlich uͤber

Him-
R 4
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[263/0285] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. traut, wichtige neue Wahrheiten einzuſehen, die ſo viele vernuͤnftige Leute, und ihre eignen Beicht- vaͤter nicht einſehen koͤnnen. Dieſe kuͤtzelnde Ei- telkeit thut ihnen ſo ſanft, daß ſie mit freygebigen Haͤnden demjenigen ihren Ueberfluß mittheilen, welcher ſo großmuͤthig geweſen iſt, ihnen auf eine ſo bequeme Art, ſo viel Weisheit, ſo viel uner- hoͤrte Wahrheit mitzutheilen, die ihr Verſtand, ſo gar ihr Verſtand, ſo leicht hat faſſen koͤnnen. Am beſten aber befinden ſich unſre predigenden Freygei- ſter bey jungen bemittelten Narren, welche, ſobald ſie die Religion weiter nicht ſchreckt, ganz unge- ſtoͤrt ihren Ausſchweifungen nachhaͤngen koͤnnen. Sie laſſen mit Vergnuͤgen ihren neuen Apoſtel an allen dieſen Ausſchweifungen Antheil nehmen; und dieſer nimmt ihn ſehr gern, weil er ſie gewohnt iſt, und befindet ſich bey dieſen jungen Verſchwen- dern am beſten, weil die alten bemittelten Thoren, mitten in ihrer Thorheit, noch immer rechnen, und gewiſſe Ausſchweifungen verabſcheuen, die ihnen entweder zu theuer, oder fuͤr ihre abgelebten Koͤr- per zu jugendlich ſind. Jch habe hier das Bild eines Freygeiſtes von der mittlern Claſſe gemalt. Denn von dem atheiſtiſchen Troſſe will ich hier gar nicht reden, welche von jenen nur alberne Af- fen ſind, und dasjenige abgeſchmackt nachplaudern, was jene, bey ihrer mittelmaͤßigen Einſicht, vor- ſchwatzen, und welche, ohne zu wiſſen, was ſie eigentlich wollen, ſtarke Geiſter ſeyn wollen, weil dieſes eine Modenarrheit iſt; welche endlich uͤber Him- R 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/285>, abgerufen am 22.11.2024.