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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Zueignungsschrift.
die Buchstaben kennen. Genug; sie sehen ihr
Bildniß, oder ihr Wapen, sie sehen den präch-
tigen Band des Buchs, sie sehen ein gekrümm-
tes Geschöpf murmelnd zu ihren Füßen kriechen,
und hieraus schließen sie, daß dieses Geschöpf ein
Autor ist, daß unter ihrem Bildnisse, oder Wa-
pen, eine Zueignungsschrift stehen wird, und daß
sie ein Mäcenat sind. Sehen sie also nicht alles,
was der Autor will, daß sie sehen sollen, und ist
es erst nöthig, daß sie die Zueignungsschrift lesen,
und die Abhandlung verstehn müssen?

Jch erwarte noch einen Einwurf, der bey
vielen meiner Tadler der wichtigste ist, und den
sie zu sagen, nur das Herz nicht haben. Wirst
du von deinem Esel für die Zueignungsschrift
nur einen Gulden, oder die geringste Beloh-
nung erwarten können?
Nein, ihr habt recht,
nicht einen Gulden, nicht die geringste Beförde-
rung. Aber desto uneigennütziger ist mein Vor-
haben; desto weniger ist das Lob verdächtig, das
ich meinem Esel gebe. Jhr martert euch, und
eure Leser, um Tugenden und Verdienste zusam-
men zu stoppeln, welche ihr euern Mäcenaten an-
paßt: Allein bey Vernünftigen macht ihr dadurch
euch und euern Held lächerlich, und die Zueig-
nungsschriften überhaupt verächtlich. Jhr wißt
es, und thut es doch, um mit hungrigen Händen
eine kleine Belohnung zu erhaschen, welche gemei-
niglich gar außen bleibt, oder welche doch euer
Mäcenat so spärlich zumißt, weil er, wie August,
noch mehr dergleichen unnütze Schwätzer zu er-

nähren

Zueignungsſchrift.
die Buchſtaben kennen. Genug; ſie ſehen ihr
Bildniß, oder ihr Wapen, ſie ſehen den praͤch-
tigen Band des Buchs, ſie ſehen ein gekruͤmm-
tes Geſchoͤpf murmelnd zu ihren Fuͤßen kriechen,
und hieraus ſchließen ſie, daß dieſes Geſchoͤpf ein
Autor iſt, daß unter ihrem Bildniſſe, oder Wa-
pen, eine Zueignungsſchrift ſtehen wird, und daß
ſie ein Maͤcenat ſind. Sehen ſie alſo nicht alles,
was der Autor will, daß ſie ſehen ſollen, und iſt
es erſt noͤthig, daß ſie die Zueignungsſchrift leſen,
und die Abhandlung verſtehn muͤſſen?

Jch erwarte noch einen Einwurf, der bey
vielen meiner Tadler der wichtigſte iſt, und den
ſie zu ſagen, nur das Herz nicht haben. Wirſt
du von deinem Eſel fuͤr die Zueignungsſchrift
nur einen Gulden, oder die geringſte Beloh-
nung erwarten koͤnnen?
Nein, ihr habt recht,
nicht einen Gulden, nicht die geringſte Befoͤrde-
rung. Aber deſto uneigennuͤtziger iſt mein Vor-
haben; deſto weniger iſt das Lob verdaͤchtig, das
ich meinem Eſel gebe. Jhr martert euch, und
eure Leſer, um Tugenden und Verdienſte zuſam-
men zu ſtoppeln, welche ihr euern Maͤcenaten an-
paßt: Allein bey Vernuͤnftigen macht ihr dadurch
euch und euern Held laͤcherlich, und die Zueig-
nungsſchriften uͤberhaupt veraͤchtlich. Jhr wißt
es, und thut es doch, um mit hungrigen Haͤnden
eine kleine Belohnung zu erhaſchen, welche gemei-
niglich gar außen bleibt, oder welche doch euer
Maͤcenat ſo ſpaͤrlich zumißt, weil er, wie Auguſt,
noch mehr dergleichen unnuͤtze Schwaͤtzer zu er-

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[8/0030] Zueignungsſchrift. die Buchſtaben kennen. Genug; ſie ſehen ihr Bildniß, oder ihr Wapen, ſie ſehen den praͤch- tigen Band des Buchs, ſie ſehen ein gekruͤmm- tes Geſchoͤpf murmelnd zu ihren Fuͤßen kriechen, und hieraus ſchließen ſie, daß dieſes Geſchoͤpf ein Autor iſt, daß unter ihrem Bildniſſe, oder Wa- pen, eine Zueignungsſchrift ſtehen wird, und daß ſie ein Maͤcenat ſind. Sehen ſie alſo nicht alles, was der Autor will, daß ſie ſehen ſollen, und iſt es erſt noͤthig, daß ſie die Zueignungsſchrift leſen, und die Abhandlung verſtehn muͤſſen? Jch erwarte noch einen Einwurf, der bey vielen meiner Tadler der wichtigſte iſt, und den ſie zu ſagen, nur das Herz nicht haben. Wirſt du von deinem Eſel fuͤr die Zueignungsſchrift nur einen Gulden, oder die geringſte Beloh- nung erwarten koͤnnen? Nein, ihr habt recht, nicht einen Gulden, nicht die geringſte Befoͤrde- rung. Aber deſto uneigennuͤtziger iſt mein Vor- haben; deſto weniger iſt das Lob verdaͤchtig, das ich meinem Eſel gebe. Jhr martert euch, und eure Leſer, um Tugenden und Verdienſte zuſam- men zu ſtoppeln, welche ihr euern Maͤcenaten an- paßt: Allein bey Vernuͤnftigen macht ihr dadurch euch und euern Held laͤcherlich, und die Zueig- nungsſchriften uͤberhaupt veraͤchtlich. Jhr wißt es, und thut es doch, um mit hungrigen Haͤnden eine kleine Belohnung zu erhaſchen, welche gemei- niglich gar außen bleibt, oder welche doch euer Maͤcenat ſo ſpaͤrlich zumißt, weil er, wie Auguſt, noch mehr dergleichen unnuͤtze Schwaͤtzer zu er- naͤhren

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/30>, abgerufen am 21.11.2024.