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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
fern von dieser Classe, von meiner Gedankensteuer
frey seyn sollen: Ja sie sollen das Recht haben,
ohne Entgeld zu glauben, daß sie darum gar nicht
unglücklich sind, weil sie keinen Mann haben, und
daß sie es gewiß seyn würden, wenn die Narren
ihre Männer wären, welche über ihre alte Jung-
ferschaft spotten. Jch will noch mehr thun. Die-
jenigen von ihnen, welche ihrer Armuth wegen
ungesucht übrig geblieben sind, sollen von den al-
ten Junggesellen, denen sie nicht reich genug wa-
ren, ernährt werden, und zwar auf die Art, daß
ich die Hälfte der Gedankensteuer, so diese ein-
gebildeten Hagestolze nach meinem Plane erlegen
müssen, anwenden werde, ihnen ihr Alter beqvem
zu machen.

Bey diesen Freyheiten, die ich einigen der
alten Jungfern ertheile, wird meine Casse so gar
viel nicht verlieren. Es bleibt noch eine unend-
liche Menge von ihren Gespielinnen übrig, die ich
bey der Gedankensteuer zur Mitleidenheit ziehen
kann.

Zwischen hier und Oßnabrück, rechter Hand
der Straße, liegt ein Meyerhof, in welchem ein
altes Fräulein spukt. Vor dreyßig Jahren mag
sie den Reisenden gefährlich gewesen seyn; nun ist
sie ihnen nur schrecklich. Sie wohnt im Fenster;
denn mit dem Anbruche des Tages steht sie am
Fenster im Erker, und erwartet die Reisenden.
So bald sie von fern einen Wagen merkt, so
rückt sie ihr altes Gesicht in Ordnung, und lä-

chelt

Antons Panßa von Mancha
fern von dieſer Claſſe, von meiner Gedankenſteuer
frey ſeyn ſollen: Ja ſie ſollen das Recht haben,
ohne Entgeld zu glauben, daß ſie darum gar nicht
ungluͤcklich ſind, weil ſie keinen Mann haben, und
daß ſie es gewiß ſeyn wuͤrden, wenn die Narren
ihre Maͤnner waͤren, welche uͤber ihre alte Jung-
ferſchaft ſpotten. Jch will noch mehr thun. Die-
jenigen von ihnen, welche ihrer Armuth wegen
ungeſucht uͤbrig geblieben ſind, ſollen von den al-
ten Junggeſellen, denen ſie nicht reich genug wa-
ren, ernaͤhrt werden, und zwar auf die Art, daß
ich die Haͤlfte der Gedankenſteuer, ſo dieſe ein-
gebildeten Hageſtolze nach meinem Plane erlegen
muͤſſen, anwenden werde, ihnen ihr Alter beqvem
zu machen.

Bey dieſen Freyheiten, die ich einigen der
alten Jungfern ertheile, wird meine Caſſe ſo gar
viel nicht verlieren. Es bleibt noch eine unend-
liche Menge von ihren Geſpielinnen uͤbrig, die ich
bey der Gedankenſteuer zur Mitleidenheit ziehen
kann.

Zwiſchen hier und Oßnabruͤck, rechter Hand
der Straße, liegt ein Meyerhof, in welchem ein
altes Fraͤulein ſpukt. Vor dreyßig Jahren mag
ſie den Reiſenden gefaͤhrlich geweſen ſeyn; nun iſt
ſie ihnen nur ſchrecklich. Sie wohnt im Fenſter;
denn mit dem Anbruche des Tages ſteht ſie am
Fenſter im Erker, und erwartet die Reiſenden.
So bald ſie von fern einen Wagen merkt, ſo
ruͤckt ſie ihr altes Geſicht in Ordnung, und laͤ-

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[278/0300] Antons Panßa von Mancha fern von dieſer Claſſe, von meiner Gedankenſteuer frey ſeyn ſollen: Ja ſie ſollen das Recht haben, ohne Entgeld zu glauben, daß ſie darum gar nicht ungluͤcklich ſind, weil ſie keinen Mann haben, und daß ſie es gewiß ſeyn wuͤrden, wenn die Narren ihre Maͤnner waͤren, welche uͤber ihre alte Jung- ferſchaft ſpotten. Jch will noch mehr thun. Die- jenigen von ihnen, welche ihrer Armuth wegen ungeſucht uͤbrig geblieben ſind, ſollen von den al- ten Junggeſellen, denen ſie nicht reich genug wa- ren, ernaͤhrt werden, und zwar auf die Art, daß ich die Haͤlfte der Gedankenſteuer, ſo dieſe ein- gebildeten Hageſtolze nach meinem Plane erlegen muͤſſen, anwenden werde, ihnen ihr Alter beqvem zu machen. Bey dieſen Freyheiten, die ich einigen der alten Jungfern ertheile, wird meine Caſſe ſo gar viel nicht verlieren. Es bleibt noch eine unend- liche Menge von ihren Geſpielinnen uͤbrig, die ich bey der Gedankenſteuer zur Mitleidenheit ziehen kann. Zwiſchen hier und Oßnabruͤck, rechter Hand der Straße, liegt ein Meyerhof, in welchem ein altes Fraͤulein ſpukt. Vor dreyßig Jahren mag ſie den Reiſenden gefaͤhrlich geweſen ſeyn; nun iſt ſie ihnen nur ſchrecklich. Sie wohnt im Fenſter; denn mit dem Anbruche des Tages ſteht ſie am Fenſter im Erker, und erwartet die Reiſenden. So bald ſie von fern einen Wagen merkt, ſo ruͤckt ſie ihr altes Geſicht in Ordnung, und laͤ- chelt

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/300>, abgerufen am 22.11.2024.