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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
und weil ihre Liebhaber, nach obgedachter Ver-
ordnung, zu ihrer Zeit auch büßen müssen.

Jch kenne Väter, welche von den wilden Un-
ordnungen ihrer Jugend niemals lebhafter und
scherzender reden, als in Gegenwart ihrer Kinder.
Sie sind stolz auf ihre Thorheiten. Jndem sie
solche wieder erzählen, so empfinden sie alles das-
jenige von neuem, was ihnen sonst ihre Ausschwei-
fungen so angenehm machte. Sie vergehen sich
wohl oft so weit, daß sie Umstände erdichten, um
ihre jugendlichen Bosheiten recht witzig vorzu-
stellen. Jhre Kinder hören begieriger auf diese
Erzählungen, als auf das Märchen der Amme.
Sie lachen ihrem Vater nach, der bey den nieder-
trächtigsten Thorheiten zuerst lacht. Sie erwar-
ten die Gelegenheit und die Jahre mit Ungeduld,
wo es ihnen erlaubt ist, eben so lustig zu leben,
wie sie es nennen, als ihr Herr Vater gelebt hat.
Sie bekommen unvermerkt gegen alle Laster eine
Hochachtung, da es die Laster ihres Vaters gewe-
sen sind. Es war freylich nicht recht, was ich
that! Aber wie man nun ist, wenn man
jung ist: Jugend hat Untugend!
Mit dieser
Vermahnung schließt der unbesonnene Vater sei-
ne gefährliche Erzählung, und lächelt ganz beru-
higt darüber, daß er ein Thor gewesen ist. Der
älteste Sohn vergißt bey dieser Erzählung alle tu-
gendhafte Lehren, die ihm seine Mutter und sein
Katechismus gegeben haben: Er merkt sich nur
diese, daß Jugend Untugend hat; und diese merkt

er

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
und weil ihre Liebhaber, nach obgedachter Ver-
ordnung, zu ihrer Zeit auch buͤßen muͤſſen.

Jch kenne Vaͤter, welche von den wilden Un-
ordnungen ihrer Jugend niemals lebhafter und
ſcherzender reden, als in Gegenwart ihrer Kinder.
Sie ſind ſtolz auf ihre Thorheiten. Jndem ſie
ſolche wieder erzaͤhlen, ſo empfinden ſie alles das-
jenige von neuem, was ihnen ſonſt ihre Ausſchwei-
fungen ſo angenehm machte. Sie vergehen ſich
wohl oft ſo weit, daß ſie Umſtaͤnde erdichten, um
ihre jugendlichen Bosheiten recht witzig vorzu-
ſtellen. Jhre Kinder hoͤren begieriger auf dieſe
Erzaͤhlungen, als auf das Maͤrchen der Amme.
Sie lachen ihrem Vater nach, der bey den nieder-
traͤchtigſten Thorheiten zuerſt lacht. Sie erwar-
ten die Gelegenheit und die Jahre mit Ungeduld,
wo es ihnen erlaubt iſt, eben ſo luſtig zu leben,
wie ſie es nennen, als ihr Herr Vater gelebt hat.
Sie bekommen unvermerkt gegen alle Laſter eine
Hochachtung, da es die Laſter ihres Vaters gewe-
ſen ſind. Es war freylich nicht recht, was ich
that! Aber wie man nun iſt, wenn man
jung iſt: Jugend hat Untugend!
Mit dieſer
Vermahnung ſchließt der unbeſonnene Vater ſei-
ne gefaͤhrliche Erzaͤhlung, und laͤchelt ganz beru-
higt daruͤber, daß er ein Thor geweſen iſt. Der
aͤlteſte Sohn vergißt bey dieſer Erzaͤhlung alle tu-
gendhafte Lehren, die ihm ſeine Mutter und ſein
Katechiſmus gegeben haben: Er merkt ſich nur
dieſe, daß Jugend Untugend hat; und dieſe merkt

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[287/0309] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. und weil ihre Liebhaber, nach obgedachter Ver- ordnung, zu ihrer Zeit auch buͤßen muͤſſen. Jch kenne Vaͤter, welche von den wilden Un- ordnungen ihrer Jugend niemals lebhafter und ſcherzender reden, als in Gegenwart ihrer Kinder. Sie ſind ſtolz auf ihre Thorheiten. Jndem ſie ſolche wieder erzaͤhlen, ſo empfinden ſie alles das- jenige von neuem, was ihnen ſonſt ihre Ausſchwei- fungen ſo angenehm machte. Sie vergehen ſich wohl oft ſo weit, daß ſie Umſtaͤnde erdichten, um ihre jugendlichen Bosheiten recht witzig vorzu- ſtellen. Jhre Kinder hoͤren begieriger auf dieſe Erzaͤhlungen, als auf das Maͤrchen der Amme. Sie lachen ihrem Vater nach, der bey den nieder- traͤchtigſten Thorheiten zuerſt lacht. Sie erwar- ten die Gelegenheit und die Jahre mit Ungeduld, wo es ihnen erlaubt iſt, eben ſo luſtig zu leben, wie ſie es nennen, als ihr Herr Vater gelebt hat. Sie bekommen unvermerkt gegen alle Laſter eine Hochachtung, da es die Laſter ihres Vaters gewe- ſen ſind. Es war freylich nicht recht, was ich that! Aber wie man nun iſt, wenn man jung iſt: Jugend hat Untugend! Mit dieſer Vermahnung ſchließt der unbeſonnene Vater ſei- ne gefaͤhrliche Erzaͤhlung, und laͤchelt ganz beru- higt daruͤber, daß er ein Thor geweſen iſt. Der aͤlteſte Sohn vergißt bey dieſer Erzaͤhlung alle tu- gendhafte Lehren, die ihm ſeine Mutter und ſein Katechiſmus gegeben haben: Er merkt ſich nur dieſe, daß Jugend Untugend hat; und dieſe merkt er

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/309>, abgerufen am 22.11.2024.