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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.

So unerträglich mir der Stolz einiger Gelehr-
ten ist, welche den Handelsmann unendlich tief
unter sich zu seyn glauben: so unerträglich, und
noch weit abgeschmackter ist der pöbelhafte Hoch-
muth einiger Kaufleute, welche die wesentlichen
Vorzüge eines Menschen vor andern Geschöpfen
nur in der Geschicklichkeit suchen, Reichthümer zu
sammeln; welche diejenigen ihrer Achtung nicht
würdig schätzen, deren Beruf es ist, mehr für die
Ausbildung der Seele, als für die Füllung des
Beutels zu sorgen; mit einem Worte, welche alle
Gelehrte anders nicht ansehen, als ihren Jnfor-
mator. Diese wuchernden Creaturen, welche nicht
weiter denken, als sie rechnen können, sollten über-
legen, daß sie nicht einmal rechnen könnten, wenn
nicht der Gelehrte diese Kunst zu der gegenwärti-
gen Vollkommenheit gebracht hätte. Ohne die
Entdeckung der Gelehrten, würden die Kaufleute
Batavia und Brasilien nicht zu finden wissen;
und bey allen Reichthümern, die der Kaufmann
gerechter, oder auch ungerechter Weise zusammen
gescharret hat, kann er nicht glücklich seyn, wenn
er nicht denkt, wie der Philosoph.

Jch will versuchen, ob ich diesen Unbilligkei-
ten durch meine Gedankensteuer Einhalt thun
kann. Vielleicht erhalte ich hier meinen End-
zweck eher, als bey den Gelehrten, da die Ge-
lehrten immer hartnäckiger sind, und lieber den
letzten Groschen hingeben, als gestehen, daß sie
Unrecht haben; viele Kaufleute aber alles einräu-

men,
U
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.

So unertraͤglich mir der Stolz einiger Gelehr-
ten iſt, welche den Handelsmann unendlich tief
unter ſich zu ſeyn glauben: ſo unertraͤglich, und
noch weit abgeſchmackter iſt der poͤbelhafte Hoch-
muth einiger Kaufleute, welche die weſentlichen
Vorzuͤge eines Menſchen vor andern Geſchoͤpfen
nur in der Geſchicklichkeit ſuchen, Reichthuͤmer zu
ſammeln; welche diejenigen ihrer Achtung nicht
wuͤrdig ſchaͤtzen, deren Beruf es iſt, mehr fuͤr die
Ausbildung der Seele, als fuͤr die Fuͤllung des
Beutels zu ſorgen; mit einem Worte, welche alle
Gelehrte anders nicht anſehen, als ihren Jnfor-
mator. Dieſe wuchernden Creaturen, welche nicht
weiter denken, als ſie rechnen koͤnnen, ſollten uͤber-
legen, daß ſie nicht einmal rechnen koͤnnten, wenn
nicht der Gelehrte dieſe Kunſt zu der gegenwaͤrti-
gen Vollkommenheit gebracht haͤtte. Ohne die
Entdeckung der Gelehrten, wuͤrden die Kaufleute
Batavia und Braſilien nicht zu finden wiſſen;
und bey allen Reichthuͤmern, die der Kaufmann
gerechter, oder auch ungerechter Weiſe zuſammen
geſcharret hat, kann er nicht gluͤcklich ſeyn, wenn
er nicht denkt, wie der Philoſoph.

Jch will verſuchen, ob ich dieſen Unbilligkei-
ten durch meine Gedankenſteuer Einhalt thun
kann. Vielleicht erhalte ich hier meinen End-
zweck eher, als bey den Gelehrten, da die Ge-
lehrten immer hartnaͤckiger ſind, und lieber den
letzten Groſchen hingeben, als geſtehen, daß ſie
Unrecht haben; viele Kaufleute aber alles einraͤu-

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[305/0327] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. So unertraͤglich mir der Stolz einiger Gelehr- ten iſt, welche den Handelsmann unendlich tief unter ſich zu ſeyn glauben: ſo unertraͤglich, und noch weit abgeſchmackter iſt der poͤbelhafte Hoch- muth einiger Kaufleute, welche die weſentlichen Vorzuͤge eines Menſchen vor andern Geſchoͤpfen nur in der Geſchicklichkeit ſuchen, Reichthuͤmer zu ſammeln; welche diejenigen ihrer Achtung nicht wuͤrdig ſchaͤtzen, deren Beruf es iſt, mehr fuͤr die Ausbildung der Seele, als fuͤr die Fuͤllung des Beutels zu ſorgen; mit einem Worte, welche alle Gelehrte anders nicht anſehen, als ihren Jnfor- mator. Dieſe wuchernden Creaturen, welche nicht weiter denken, als ſie rechnen koͤnnen, ſollten uͤber- legen, daß ſie nicht einmal rechnen koͤnnten, wenn nicht der Gelehrte dieſe Kunſt zu der gegenwaͤrti- gen Vollkommenheit gebracht haͤtte. Ohne die Entdeckung der Gelehrten, wuͤrden die Kaufleute Batavia und Braſilien nicht zu finden wiſſen; und bey allen Reichthuͤmern, die der Kaufmann gerechter, oder auch ungerechter Weiſe zuſammen geſcharret hat, kann er nicht gluͤcklich ſeyn, wenn er nicht denkt, wie der Philoſoph. Jch will verſuchen, ob ich dieſen Unbilligkei- ten durch meine Gedankenſteuer Einhalt thun kann. Vielleicht erhalte ich hier meinen End- zweck eher, als bey den Gelehrten, da die Ge- lehrten immer hartnaͤckiger ſind, und lieber den letzten Groſchen hingeben, als geſtehen, daß ſie Unrecht haben; viele Kaufleute aber alles einraͤu- men, U

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/327>, abgerufen am 22.11.2024.