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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
zen möchte. Aber er soll mir diese Angst bezah-
len: Denn da er ein Dichter schon bey Jahren
ist, so habe ich das Recht, ihn bey meiner Ge-
dankensteuer doppelt anzusetzen.

Jch habe durch diese kurze Reisebeschreibung
eine Gelegenheit gesucht, meinen Lesern eine
Probe zu geben, wie einträglich diese Gedanken-
steuer seyn wird. Wir wollen einmal annehmen:

11 fl. der Weinhändler.
4 fl. die Betschwester.
7 1/2 fl. der Officier.
7 fl. der junge Richter. Die andern will ich
nur in einen ungefähren Anschlag bringen.
6 fl. der Unzufriedne. Es ist nicht zu viel,
wenn man bedenkt, wie viel Mühe er sich
giebt, lächerlich zu seyn.
20 fl. die beiden murrenden Kaufleute.
2 fl. der junge Tartüffe.
1 fl. der Gratulante. Der böse Mann sollte
wohl mehr geben, da er mich mit seinen
Versen ins Wasser gejagt hat: Aber er
muß Weib und Kind von seinem Witze er-
nähren, und ich weis, daß sein gepriesner
Mäcenat sehr karg ist; darum dauert er mich.
Alles dieses macht zusammen - - 58 1/2 fl.

Nun bedenke man einmal: wenn eine so kleine
Gesellschaft von neun Contribuenten, binnen
einer Zeit von wenigen Stunden so viel beysteu-
ern soll; was für unsägliche Summen wird es
ein Jahr über in ganz Deutschland ausmachen?
Jch bin vor Freuden ganz außer mir, daß ich ei-

nen
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
zen moͤchte. Aber er ſoll mir dieſe Angſt bezah-
len: Denn da er ein Dichter ſchon bey Jahren
iſt, ſo habe ich das Recht, ihn bey meiner Ge-
dankenſteuer doppelt anzuſetzen.

Jch habe durch dieſe kurze Reiſebeſchreibung
eine Gelegenheit geſucht, meinen Leſern eine
Probe zu geben, wie eintraͤglich dieſe Gedanken-
ſteuer ſeyn wird. Wir wollen einmal annehmen:

11 fl. der Weinhaͤndler.
4 fl. die Betſchweſter.
7 ½ fl. der Officier.
7 fl. der junge Richter. Die andern will ich
nur in einen ungefaͤhren Anſchlag bringen.
6 fl. der Unzufriedne. Es iſt nicht zu viel,
wenn man bedenkt, wie viel Muͤhe er ſich
giebt, laͤcherlich zu ſeyn.
20 fl. die beiden murrenden Kaufleute.
2 fl. der junge Tartuͤffe.
1 fl. der Gratulante. Der boͤſe Mann ſollte
wohl mehr geben, da er mich mit ſeinen
Verſen ins Waſſer gejagt hat: Aber er
muß Weib und Kind von ſeinem Witze er-
naͤhren, und ich weis, daß ſein geprieſner
Maͤcenat ſehr karg iſt; darum dauert er mich.
Alles dieſes macht zuſammen ‒ ‒ 58 ½ fl.

Nun bedenke man einmal: wenn eine ſo kleine
Geſellſchaft von neun Contribuenten, binnen
einer Zeit von wenigen Stunden ſo viel beyſteu-
ern ſoll; was fuͤr unſaͤgliche Summen wird es
ein Jahr uͤber in ganz Deutſchland ausmachen?
Jch bin vor Freuden ganz außer mir, daß ich ei-

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[371/0393] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. zen moͤchte. Aber er ſoll mir dieſe Angſt bezah- len: Denn da er ein Dichter ſchon bey Jahren iſt, ſo habe ich das Recht, ihn bey meiner Ge- dankenſteuer doppelt anzuſetzen. Jch habe durch dieſe kurze Reiſebeſchreibung eine Gelegenheit geſucht, meinen Leſern eine Probe zu geben, wie eintraͤglich dieſe Gedanken- ſteuer ſeyn wird. Wir wollen einmal annehmen: 11 fl. der Weinhaͤndler. 4 fl. die Betſchweſter. 7 ½ fl. der Officier. 7 fl. der junge Richter. Die andern will ich nur in einen ungefaͤhren Anſchlag bringen. 6 fl. der Unzufriedne. Es iſt nicht zu viel, wenn man bedenkt, wie viel Muͤhe er ſich giebt, laͤcherlich zu ſeyn. 20 fl. die beiden murrenden Kaufleute. 2 fl. der junge Tartuͤffe. 1 fl. der Gratulante. Der boͤſe Mann ſollte wohl mehr geben, da er mich mit ſeinen Verſen ins Waſſer gejagt hat: Aber er muß Weib und Kind von ſeinem Witze er- naͤhren, und ich weis, daß ſein geprieſner Maͤcenat ſehr karg iſt; darum dauert er mich. Alles dieſes macht zuſammen ‒ ‒ 58 ½ fl. Nun bedenke man einmal: wenn eine ſo kleine Geſellſchaft von neun Contribuenten, binnen einer Zeit von wenigen Stunden ſo viel beyſteu- ern ſoll; was fuͤr unſaͤgliche Summen wird es ein Jahr uͤber in ganz Deutſchland ausmachen? Jch bin vor Freuden ganz außer mir, daß ich ei- nen A a 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/393>, abgerufen am 22.11.2024.