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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Das Märchen vom ersten April.
15.

Warum ist Leonore, (15) die Tochter des
reichen Kaufmanns, so aufgeräumt? Noch
vor einer Stunde saß sie ganz tiefsinnig und
unzufrieden, und war gegen alle, die sie zum
Tanze auffoderten, frostig und beleidigend, nur
gegen den Baron von N - - (16) nicht. Der ver-
goldete Baron, der eben itzo mit ihr tanzt, hat
ihr, oder vielmehr ihrem Gelde, vor einigen Minu-
ten eine förmliche Liebeserklärung gethan. Leo-
nore ist ein hochmüthiges Bürgermädchen, welches
nichts so sehr wünscht, als einen hohen Rang,
und den Titel einer Excellenz: Der Baron hat
beides, aber auch viele Schulden. Sind wohl
in der Welt zwo Personen, die sich besser für ein-
ander schicken? Die Liebeserklärung von diesem
Abende ist der Grund zu einer Vermählung, mit
welcher der Baron so geschwind, als möglich eilen
wird, um eine ruhige Messe zu haben. Nun ist
der Baron Herr von ihrem Vermögen, und nun
läßt er es die unglückliche Leonore empfinden, daß
ihre Person, ohne dieses Vermögen, gar keinen
Werth hat. Er schämt sich, sie an den Hof zu
bringen, an welchen doch zu kommen die eitle
Leonore so sehr gewünscht hat. Sie fühlt die
Spötterey seiner Familie, und darüber würde sie
sich allenfalls trösten lassen: Aber das ist für sie
eine schreckliche Sache, daß sie sich auf ein entfern-

tes
(15) Die unglückliche T - - -.
(16) Zu deutsch, der Herr Baron von D - -.
Das Maͤrchen vom erſten April.
15.

Warum iſt Leonore, (15) die Tochter des
reichen Kaufmanns, ſo aufgeraͤumt? Noch
vor einer Stunde ſaß ſie ganz tiefſinnig und
unzufrieden, und war gegen alle, die ſie zum
Tanze auffoderten, froſtig und beleidigend, nur
gegen den Baron von N ‒ ‒ (16) nicht. Der ver-
goldete Baron, der eben itzo mit ihr tanzt, hat
ihr, oder vielmehr ihrem Gelde, vor einigen Minu-
ten eine foͤrmliche Liebeserklaͤrung gethan. Leo-
nore iſt ein hochmuͤthiges Buͤrgermaͤdchen, welches
nichts ſo ſehr wuͤnſcht, als einen hohen Rang,
und den Titel einer Excellenz: Der Baron hat
beides, aber auch viele Schulden. Sind wohl
in der Welt zwo Perſonen, die ſich beſſer fuͤr ein-
ander ſchicken? Die Liebeserklaͤrung von dieſem
Abende iſt der Grund zu einer Vermaͤhlung, mit
welcher der Baron ſo geſchwind, als moͤglich eilen
wird, um eine ruhige Meſſe zu haben. Nun iſt
der Baron Herr von ihrem Vermoͤgen, und nun
laͤßt er es die ungluͤckliche Leonore empfinden, daß
ihre Perſon, ohne dieſes Vermoͤgen, gar keinen
Werth hat. Er ſchaͤmt ſich, ſie an den Hof zu
bringen, an welchen doch zu kommen die eitle
Leonore ſo ſehr gewuͤnſcht hat. Sie fuͤhlt die
Spoͤtterey ſeiner Familie, und daruͤber wuͤrde ſie
ſich allenfalls troͤſten laſſen: Aber das iſt fuͤr ſie
eine ſchreckliche Sache, daß ſie ſich auf ein entfern-

tes
(15) Die ungluͤckliche T ‒ ‒ ‒.
(16) Zu deutſch, der Herr Baron von D ‒ ‒.
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[514[512]/0536] Das Maͤrchen vom erſten April. 15. Warum iſt Leonore, (15) die Tochter des reichen Kaufmanns, ſo aufgeraͤumt? Noch vor einer Stunde ſaß ſie ganz tiefſinnig und unzufrieden, und war gegen alle, die ſie zum Tanze auffoderten, froſtig und beleidigend, nur gegen den Baron von N ‒ ‒ (16) nicht. Der ver- goldete Baron, der eben itzo mit ihr tanzt, hat ihr, oder vielmehr ihrem Gelde, vor einigen Minu- ten eine foͤrmliche Liebeserklaͤrung gethan. Leo- nore iſt ein hochmuͤthiges Buͤrgermaͤdchen, welches nichts ſo ſehr wuͤnſcht, als einen hohen Rang, und den Titel einer Excellenz: Der Baron hat beides, aber auch viele Schulden. Sind wohl in der Welt zwo Perſonen, die ſich beſſer fuͤr ein- ander ſchicken? Die Liebeserklaͤrung von dieſem Abende iſt der Grund zu einer Vermaͤhlung, mit welcher der Baron ſo geſchwind, als moͤglich eilen wird, um eine ruhige Meſſe zu haben. Nun iſt der Baron Herr von ihrem Vermoͤgen, und nun laͤßt er es die ungluͤckliche Leonore empfinden, daß ihre Perſon, ohne dieſes Vermoͤgen, gar keinen Werth hat. Er ſchaͤmt ſich, ſie an den Hof zu bringen, an welchen doch zu kommen die eitle Leonore ſo ſehr gewuͤnſcht hat. Sie fuͤhlt die Spoͤtterey ſeiner Familie, und daruͤber wuͤrde ſie ſich allenfalls troͤſten laſſen: Aber das iſt fuͤr ſie eine ſchreckliche Sache, daß ſie ſich auf ein entfern- tes (15) Die ungluͤckliche T ‒ ‒ ‒. (16) Zu deutſch, der Herr Baron von D ‒ ‒.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 514[512]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/536>, abgerufen am 22.11.2024.