war einmal in die Gesellschaft eines rohen Engel- länders gekommen, und so lange er in dessen Ge- sellschaft herum schwärmte, so lange that er nichts, als daß er sich in Punch besoff, und die Religion lästerte. Sein alter Onkel, ein abergläubischer Mann, brachte ihn von dieser Ausschweifung zu- rück, und nun gieng er mit ihm in alle Predigten und Betstunden, sah Gespenster, und that Ge- lübde. Seit einem Monate hatte er sich in den Kopf gesetzt, ein alter ehrlicher Deutscher zu seyn. Er redete Vornehme und Geringe mit einer qua- kerischen Vertraulichkeit an. Nichts war ihm beschwerlicher, als zu grüßen und zu danken, denn das hielt er für eine französische Tändeley. Er sagte allen Leuten Grobheiten, in der Meynung, daß es Wahrheiten wären. Er ward dadurch ver- haßt, man litt ihn in keinen Gesellschaften mehr, und erst gestern hat er eine Verdrießlichkeit gehabt, die ihm sehr empfindlich gewesen ist. Heute hat er sich also vorgenommen, artig und lebhaft zu seyn, und aller Welt zu schmeicheln. Er wird es eben so ungeschickt anfangen; seine Schmeicheley wird noch mehr beleidigen, als seine Grobheit: denn allemal wird er zur Unzeit, und sehr unüber- legt schmeicheln. Einem Kammerjunker wird er sagen, daß er in seinen Scherzen sehr tiefsinnig und gelehrt sey: Und an einem Professor wird er den schönen Fuß bewundern, und ihn nöthigen, ei- ne Menuet zu tanzen. Cölimenen wird er sagen, daß sie ein männliches und frisches Gesicht habe: Aber an dem Hauptmanne, der neben ihr sitzt, wird
er
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Zweytes Buch.
war einmal in die Geſellſchaft eines rohen Engel- laͤnders gekommen, und ſo lange er in deſſen Ge- ſellſchaft herum ſchwaͤrmte, ſo lange that er nichts, als daß er ſich in Punch beſoff, und die Religion laͤſterte. Sein alter Onkel, ein aberglaͤubiſcher Mann, brachte ihn von dieſer Ausſchweifung zu- ruͤck, und nun gieng er mit ihm in alle Predigten und Betſtunden, ſah Geſpenſter, und that Ge- luͤbde. Seit einem Monate hatte er ſich in den Kopf geſetzt, ein alter ehrlicher Deutſcher zu ſeyn. Er redete Vornehme und Geringe mit einer qua- keriſchen Vertraulichkeit an. Nichts war ihm beſchwerlicher, als zu gruͤßen und zu danken, denn das hielt er fuͤr eine franzoͤſiſche Taͤndeley. Er ſagte allen Leuten Grobheiten, in der Meynung, daß es Wahrheiten waͤren. Er ward dadurch ver- haßt, man litt ihn in keinen Geſellſchaften mehr, und erſt geſtern hat er eine Verdrießlichkeit gehabt, die ihm ſehr empfindlich geweſen iſt. Heute hat er ſich alſo vorgenommen, artig und lebhaft zu ſeyn, und aller Welt zu ſchmeicheln. Er wird es eben ſo ungeſchickt anfangen; ſeine Schmeicheley wird noch mehr beleidigen, als ſeine Grobheit: denn allemal wird er zur Unzeit, und ſehr unuͤber- legt ſchmeicheln. Einem Kammerjunker wird er ſagen, daß er in ſeinen Scherzen ſehr tiefſinnig und gelehrt ſey: Und an einem Profeſſor wird er den ſchoͤnen Fuß bewundern, und ihn noͤthigen, ei- ne Menuet zu tanzen. Coͤlimenen wird er ſagen, daß ſie ein maͤnnliches und friſches Geſicht habe: Aber an dem Hauptmanne, der neben ihr ſitzt, wird
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[545[543]/0567]
Zweytes Buch.
war einmal in die Geſellſchaft eines rohen Engel-
laͤnders gekommen, und ſo lange er in deſſen Ge-
ſellſchaft herum ſchwaͤrmte, ſo lange that er nichts,
als daß er ſich in Punch beſoff, und die Religion
laͤſterte. Sein alter Onkel, ein aberglaͤubiſcher
Mann, brachte ihn von dieſer Ausſchweifung zu-
ruͤck, und nun gieng er mit ihm in alle Predigten
und Betſtunden, ſah Geſpenſter, und that Ge-
luͤbde. Seit einem Monate hatte er ſich in den
Kopf geſetzt, ein alter ehrlicher Deutſcher zu ſeyn.
Er redete Vornehme und Geringe mit einer qua-
keriſchen Vertraulichkeit an. Nichts war ihm
beſchwerlicher, als zu gruͤßen und zu danken, denn
das hielt er fuͤr eine franzoͤſiſche Taͤndeley. Er
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daß es Wahrheiten waͤren. Er ward dadurch ver-
haßt, man litt ihn in keinen Geſellſchaften mehr,
und erſt geſtern hat er eine Verdrießlichkeit gehabt,
die ihm ſehr empfindlich geweſen iſt. Heute hat
er ſich alſo vorgenommen, artig und lebhaft zu
ſeyn, und aller Welt zu ſchmeicheln. Er wird es
eben ſo ungeſchickt anfangen; ſeine Schmeicheley
wird noch mehr beleidigen, als ſeine Grobheit:
denn allemal wird er zur Unzeit, und ſehr unuͤber-
legt ſchmeicheln. Einem Kammerjunker wird er
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und gelehrt ſey: Und an einem Profeſſor wird er
den ſchoͤnen Fuß bewundern, und ihn noͤthigen, ei-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 545[543]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/567>, abgerufen am 16.06.2024.
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