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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Das Märchen vom ersten April.
re noch leben kann; er erschrickt, wenn er an das
denkt, was auf ihn wartet. Was soll er thun?
Er will das thun, womit er sich so oft auf dem
Rathhause geholfen hat. Um nach dem Tode ei-
nen gnädigen Richter zu haben, drückt er heute
Gott vier Louisdor in die Hände; denn er hat
gehört, man leihe dem Herrn, was man den Ar-
men giebt, und die Armen, die hier vor seinem
Hause auf ein paar Kreuzer warten, werden es
schon bey ihrem Gott zu rühmen wissen.

44.

Es ist wohl noch niemals ein Mensch sich selbst
so ungleich, und in seinem Charakter so widerspre-
chend gewesen, als Chamäleon. (53) Seine
Fehler, und seine Tugenden sind übertrieben. Er
kauft sich eine prächtig eingebundene Bibliothek,
und redet von nichts, als von Gelehrten, und von
Editionen. Mit einem male fällt es ihm ein, daß
alle Gelehrsamkeit Pedanterey sey; er verkauft
alle Bücher, und kauft sich eine Rüstkammer von
Flinten und anderm Gewehre. Diese weis er
noch weniger zu brauchen, als die Bücher; er kauft
sich also Uhren dafür. Von ungefähr sieht er eine
prächtige Eqvipage; sie gefällt ihm, er muß auch
eine haben. Jn vier Wochen jagt er den Kut-
scher und die Bedienten fort, verkauft seine reichen
Kleider an die Juden, und geht ohne Lackey in
einem alten Regenrocke durch die Gassen. Er

war
(53) Sein Name heißt J - - -. Jch wundre mich, daß er
ihn nicht auch schon etlichemal verändert hat.

Das Maͤrchen vom erſten April.
re noch leben kann; er erſchrickt, wenn er an das
denkt, was auf ihn wartet. Was ſoll er thun?
Er will das thun, womit er ſich ſo oft auf dem
Rathhauſe geholfen hat. Um nach dem Tode ei-
nen gnaͤdigen Richter zu haben, druͤckt er heute
Gott vier Louisdor in die Haͤnde; denn er hat
gehoͤrt, man leihe dem Herrn, was man den Ar-
men giebt, und die Armen, die hier vor ſeinem
Hauſe auf ein paar Kreuzer warten, werden es
ſchon bey ihrem Gott zu ruͤhmen wiſſen.

44.

Es iſt wohl noch niemals ein Menſch ſich ſelbſt
ſo ungleich, und in ſeinem Charakter ſo widerſpre-
chend geweſen, als Chamaͤleon. (53) Seine
Fehler, und ſeine Tugenden ſind uͤbertrieben. Er
kauft ſich eine praͤchtig eingebundene Bibliothek,
und redet von nichts, als von Gelehrten, und von
Editionen. Mit einem male faͤllt es ihm ein, daß
alle Gelehrſamkeit Pedanterey ſey; er verkauft
alle Buͤcher, und kauft ſich eine Ruͤſtkammer von
Flinten und anderm Gewehre. Dieſe weis er
noch weniger zu brauchen, als die Buͤcher; er kauft
ſich alſo Uhren dafuͤr. Von ungefaͤhr ſieht er eine
praͤchtige Eqvipage; ſie gefaͤllt ihm, er muß auch
eine haben. Jn vier Wochen jagt er den Kut-
ſcher und die Bedienten fort, verkauft ſeine reichen
Kleider an die Juden, und geht ohne Lackey in
einem alten Regenrocke durch die Gaſſen. Er

war
(53) Sein Name heißt J ‒ ‒ ‒. Jch wundre mich, daß er
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[544[542]/0566] Das Maͤrchen vom erſten April. re noch leben kann; er erſchrickt, wenn er an das denkt, was auf ihn wartet. Was ſoll er thun? Er will das thun, womit er ſich ſo oft auf dem Rathhauſe geholfen hat. Um nach dem Tode ei- nen gnaͤdigen Richter zu haben, druͤckt er heute Gott vier Louisdor in die Haͤnde; denn er hat gehoͤrt, man leihe dem Herrn, was man den Ar- men giebt, und die Armen, die hier vor ſeinem Hauſe auf ein paar Kreuzer warten, werden es ſchon bey ihrem Gott zu ruͤhmen wiſſen. 44. Es iſt wohl noch niemals ein Menſch ſich ſelbſt ſo ungleich, und in ſeinem Charakter ſo widerſpre- chend geweſen, als Chamaͤleon. (53) Seine Fehler, und ſeine Tugenden ſind uͤbertrieben. Er kauft ſich eine praͤchtig eingebundene Bibliothek, und redet von nichts, als von Gelehrten, und von Editionen. Mit einem male faͤllt es ihm ein, daß alle Gelehrſamkeit Pedanterey ſey; er verkauft alle Buͤcher, und kauft ſich eine Ruͤſtkammer von Flinten und anderm Gewehre. Dieſe weis er noch weniger zu brauchen, als die Buͤcher; er kauft ſich alſo Uhren dafuͤr. Von ungefaͤhr ſieht er eine praͤchtige Eqvipage; ſie gefaͤllt ihm, er muß auch eine haben. Jn vier Wochen jagt er den Kut- ſcher und die Bedienten fort, verkauft ſeine reichen Kleider an die Juden, und geht ohne Lackey in einem alten Regenrocke durch die Gaſſen. Er war (53) Sein Name heißt J ‒ ‒ ‒. Jch wundre mich, daß er ihn nicht auch ſchon etlichemal veraͤndert hat.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 544[542]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/566>, abgerufen am 22.11.2024.