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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Das Märchen vom ersten April.
Madame N - - (63) hat von dieser Schrift ge-
hört; sie läßt sie gleich holen. Das müssen sie wis-
sen, Herr Autor, daß Madame N - - eine ar-
tige und lebhafte Frau ist, die von aller Welt Bö-
ses spricht, und die sehr empfindlich ist, wenn man
etwas sagt, das auf sie gehen kann. Sie liest ihr
Märchen, und versteht es nicht. Sie liest die
Wahrsagungen, und freut sich, und lacht, und kömmt
endlich auf eine Stelle, in welcher sie glaubt, ge-
troffen zu seyn, ob sie gleich auf hundert Personen
von ihrem Charakter gehen kann. Sie beißt in
die Lippen, legt das Buch weg, und sagt zu ihren
Töchtern: Der Autor ist ein Mensch, vor dem
man sich hüten muß. Sehen sie, Herr Autor, das
wird die Welt von ihrer Schrift sagen, und das
wird die Belohnung für ihre Mühe seyn! We-
nigstens acht und vierzig Feinde haben sie sich durch
ihre Wahrsagungen gemacht. Wie sehr haben
sie sich in ihrer schmeichelhaften Hoffnung betro-
gen! Aber sie hatten vergessen, daß auch sie zu
der Welt gehören, die heute den ersten
April feyert.



Drit-
(63) Madame S - -! Jch küsse ihnen die Hände.

Das Maͤrchen vom erſten April.
Madame N ‒ ‒ (63) hat von dieſer Schrift ge-
hoͤrt; ſie laͤßt ſie gleich holen. Das muͤſſen ſie wiſ-
ſen, Herr Autor, daß Madame N ‒ ‒ eine ar-
tige und lebhafte Frau iſt, die von aller Welt Boͤ-
ſes ſpricht, und die ſehr empfindlich iſt, wenn man
etwas ſagt, das auf ſie gehen kann. Sie lieſt ihr
Maͤrchen, und verſteht es nicht. Sie lieſt die
Wahrſagungen, und freut ſich, und lacht, und koͤmmt
endlich auf eine Stelle, in welcher ſie glaubt, ge-
troffen zu ſeyn, ob ſie gleich auf hundert Perſonen
von ihrem Charakter gehen kann. Sie beißt in
die Lippen, legt das Buch weg, und ſagt zu ihren
Toͤchtern: Der Autor iſt ein Menſch, vor dem
man ſich huͤten muß. Sehen ſie, Herr Autor, das
wird die Welt von ihrer Schrift ſagen, und das
wird die Belohnung fuͤr ihre Muͤhe ſeyn! We-
nigſtens acht und vierzig Feinde haben ſie ſich durch
ihre Wahrſagungen gemacht. Wie ſehr haben
ſie ſich in ihrer ſchmeichelhaften Hoffnung betro-
gen! Aber ſie hatten vergeſſen, daß auch ſie zu
der Welt gehoͤren, die heute den erſten
April feyert.



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[550[548]/0572] Das Maͤrchen vom erſten April. Madame N ‒ ‒ (63) hat von dieſer Schrift ge- hoͤrt; ſie laͤßt ſie gleich holen. Das muͤſſen ſie wiſ- ſen, Herr Autor, daß Madame N ‒ ‒ eine ar- tige und lebhafte Frau iſt, die von aller Welt Boͤ- ſes ſpricht, und die ſehr empfindlich iſt, wenn man etwas ſagt, das auf ſie gehen kann. Sie lieſt ihr Maͤrchen, und verſteht es nicht. Sie lieſt die Wahrſagungen, und freut ſich, und lacht, und koͤmmt endlich auf eine Stelle, in welcher ſie glaubt, ge- troffen zu ſeyn, ob ſie gleich auf hundert Perſonen von ihrem Charakter gehen kann. Sie beißt in die Lippen, legt das Buch weg, und ſagt zu ihren Toͤchtern: Der Autor iſt ein Menſch, vor dem man ſich huͤten muß. Sehen ſie, Herr Autor, das wird die Welt von ihrer Schrift ſagen, und das wird die Belohnung fuͤr ihre Muͤhe ſeyn! We- nigſtens acht und vierzig Feinde haben ſie ſich durch ihre Wahrſagungen gemacht. Wie ſehr haben ſie ſich in ihrer ſchmeichelhaften Hoffnung betro- gen! Aber ſie hatten vergeſſen, daß auch ſie zu der Welt gehoͤren, die heute den erſten April feyert. Drit- (63) Madame S ‒ ‒! Jch kuͤſſe ihnen die Haͤnde.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 550[548]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/572>, abgerufen am 22.11.2024.