[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.und Ehrenerklärung. ist, der Alcimedoren bey der heutigen Welt ebenso viel Ehre bringt, als nachtheilig er ihr vor hun- dert Jahren gewesen seyn würde. Jhr Mann heirathete sie, weil er sie für reich hielt: Er ver- langte also von ihr Geld, nicht aber, daß sie eine vernünftige Frau, eine vorsichtige Wirthinn, oder eine sorgfältige Mutter seyn sollte. Was er ver- langte, hat sie ihm gegeben; also kann er weiter nichts von ihr fodern. Jhr Vermögen war bey weitem so ansehnlich nicht, als er glaubte. Dem ungeachtet hat sie als Frau ein Recht, noch zehn- mal so viel aufzuwenden, als ihr Vermögen be- trägt. Wird ihr Mann bankerutt, was kann das ihr schaden? Desto vortheilhafter wird es für sie seyn. Ja, wenn man die Sache genau, und recht unpartheyisch ansehen will, so ist ihre Ver- schwendung nichts, als eine Art von guten Wer- ken, zu denen sie ihre Pflicht und ihr Gewissen verbindet; denn sie bringt dasjenige Vermögen wieder unter die Leute, das ihr Mann auf so vie- lerley unverantwortliche Art zusammen wuchert. Aber sie bringt doch ihre unschuldigen Kinder um das Brodt! Was für ein altväterischer Gedanke! Sorgt denn bey uns die Mutter für das Brodt der Kinder, oder muß das der Vater thun? Bey dem vertrautesten Umgange mit ihrem Manne, und ihres Mannes Freunden, ist das niemals ihre Hauptabsicht gewesen, Mutter zu werden: Da nun die Kinder wider ihren Willen leben, können sie der Mutter wohl zumuthen, daß sie für ihr Le- ben sorgen soll? Mit einem Worte: Alcime- dore
und Ehrenerklaͤrung. iſt, der Alcimedoren bey der heutigen Welt ebenſo viel Ehre bringt, als nachtheilig er ihr vor hun- dert Jahren geweſen ſeyn wuͤrde. Jhr Mann heirathete ſie, weil er ſie fuͤr reich hielt: Er ver- langte alſo von ihr Geld, nicht aber, daß ſie eine vernuͤnftige Frau, eine vorſichtige Wirthinn, oder eine ſorgfaͤltige Mutter ſeyn ſollte. Was er ver- langte, hat ſie ihm gegeben; alſo kann er weiter nichts von ihr fodern. Jhr Vermoͤgen war bey weitem ſo anſehnlich nicht, als er glaubte. Dem ungeachtet hat ſie als Frau ein Recht, noch zehn- mal ſo viel aufzuwenden, als ihr Vermoͤgen be- traͤgt. Wird ihr Mann bankerutt, was kann das ihr ſchaden? Deſto vortheilhafter wird es fuͤr ſie ſeyn. Ja, wenn man die Sache genau, und recht unpartheyiſch anſehen will, ſo iſt ihre Ver- ſchwendung nichts, als eine Art von guten Wer- ken, zu denen ſie ihre Pflicht und ihr Gewiſſen verbindet; denn ſie bringt dasjenige Vermoͤgen wieder unter die Leute, das ihr Mann auf ſo vie- lerley unverantwortliche Art zuſammen wuchert. Aber ſie bringt doch ihre unſchuldigen Kinder um das Brodt! Was fuͤr ein altvaͤteriſcher Gedanke! Sorgt denn bey uns die Mutter fuͤr das Brodt der Kinder, oder muß das der Vater thun? Bey dem vertrauteſten Umgange mit ihrem Manne, und ihres Mannes Freunden, iſt das niemals ihre Hauptabſicht geweſen, Mutter zu werden: Da nun die Kinder wider ihren Willen leben, koͤnnen ſie der Mutter wohl zumuthen, daß ſie fuͤr ihr Le- ben ſorgen ſoll? Mit einem Worte: Alcime- dore
<TEI> <text> <back> <div n="1"> <p><pb facs="#f0613" n="591[589]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Ehrenerklaͤrung.</hi></fw><lb/> iſt, der <hi rendition="#fr">Alcimedoren</hi> bey der heutigen Welt eben<lb/> ſo viel Ehre bringt, als nachtheilig er ihr vor hun-<lb/> dert Jahren geweſen ſeyn wuͤrde. Jhr Mann<lb/> heirathete ſie, weil er ſie fuͤr reich hielt: Er ver-<lb/> langte alſo von ihr Geld, nicht aber, daß ſie eine<lb/> vernuͤnftige Frau, eine vorſichtige Wirthinn, oder<lb/> eine ſorgfaͤltige Mutter ſeyn ſollte. Was er ver-<lb/> langte, hat ſie ihm gegeben; alſo kann er weiter<lb/> nichts von ihr fodern. Jhr Vermoͤgen war bey<lb/> weitem ſo anſehnlich nicht, als er glaubte. Dem<lb/> ungeachtet hat ſie als Frau ein Recht, noch zehn-<lb/> mal ſo viel aufzuwenden, als ihr Vermoͤgen be-<lb/> traͤgt. Wird ihr Mann bankerutt, was kann das<lb/> ihr ſchaden? Deſto vortheilhafter wird es fuͤr ſie<lb/> ſeyn. Ja, wenn man die Sache genau, und<lb/> recht unpartheyiſch anſehen will, ſo iſt ihre Ver-<lb/> ſchwendung nichts, als eine Art von guten Wer-<lb/> ken, zu denen ſie ihre Pflicht und ihr Gewiſſen<lb/> verbindet; denn ſie bringt dasjenige Vermoͤgen<lb/> wieder unter die Leute, das ihr Mann auf ſo vie-<lb/> lerley unverantwortliche Art zuſammen wuchert.<lb/> Aber ſie bringt doch ihre unſchuldigen Kinder um<lb/> das Brodt! Was fuͤr ein altvaͤteriſcher Gedanke!<lb/> Sorgt denn bey uns die Mutter fuͤr das Brodt<lb/> der Kinder, oder muß das der Vater thun? Bey<lb/> dem vertrauteſten Umgange mit ihrem Manne, und<lb/> ihres Mannes Freunden, iſt das niemals ihre<lb/> Hauptabſicht geweſen, Mutter zu werden: Da<lb/> nun die Kinder wider ihren Willen leben, koͤnnen<lb/> ſie der Mutter wohl zumuthen, daß ſie fuͤr ihr Le-<lb/> ben ſorgen ſoll? Mit einem Worte: <hi rendition="#fr">Alcime-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">dore</hi></fw><lb/></p> </div> </back> </text> </TEI> [591[589]/0613]
und Ehrenerklaͤrung.
iſt, der Alcimedoren bey der heutigen Welt eben
ſo viel Ehre bringt, als nachtheilig er ihr vor hun-
dert Jahren geweſen ſeyn wuͤrde. Jhr Mann
heirathete ſie, weil er ſie fuͤr reich hielt: Er ver-
langte alſo von ihr Geld, nicht aber, daß ſie eine
vernuͤnftige Frau, eine vorſichtige Wirthinn, oder
eine ſorgfaͤltige Mutter ſeyn ſollte. Was er ver-
langte, hat ſie ihm gegeben; alſo kann er weiter
nichts von ihr fodern. Jhr Vermoͤgen war bey
weitem ſo anſehnlich nicht, als er glaubte. Dem
ungeachtet hat ſie als Frau ein Recht, noch zehn-
mal ſo viel aufzuwenden, als ihr Vermoͤgen be-
traͤgt. Wird ihr Mann bankerutt, was kann das
ihr ſchaden? Deſto vortheilhafter wird es fuͤr ſie
ſeyn. Ja, wenn man die Sache genau, und
recht unpartheyiſch anſehen will, ſo iſt ihre Ver-
ſchwendung nichts, als eine Art von guten Wer-
ken, zu denen ſie ihre Pflicht und ihr Gewiſſen
verbindet; denn ſie bringt dasjenige Vermoͤgen
wieder unter die Leute, das ihr Mann auf ſo vie-
lerley unverantwortliche Art zuſammen wuchert.
Aber ſie bringt doch ihre unſchuldigen Kinder um
das Brodt! Was fuͤr ein altvaͤteriſcher Gedanke!
Sorgt denn bey uns die Mutter fuͤr das Brodt
der Kinder, oder muß das der Vater thun? Bey
dem vertrauteſten Umgange mit ihrem Manne, und
ihres Mannes Freunden, iſt das niemals ihre
Hauptabſicht geweſen, Mutter zu werden: Da
nun die Kinder wider ihren Willen leben, koͤnnen
ſie der Mutter wohl zumuthen, daß ſie fuͤr ihr Le-
ben ſorgen ſoll? Mit einem Worte: Alcime-
dore
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |