Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abbitte
Fehler hat, so ist sie wenigstens zu entschuldigen.
Und am meisten müssen wir Mannspersonen sie
entschuldigen, weil nur wir an diesem Fehler, wie
an den meisten Fehlern der Frauenzimmer, Ursache
sind. Wir fürchten uns zu sehr vor dem fähigen
Verstande und Witze des weiblichen Geschlechts,
als daß wir uns Mühe geben sollten, ihren Ver-
stand und Witz sorgfältig zu bilden, und sie an dem
Ruhme der Gelehrsamkeit Antheil nehmen zu las-
sen. Sie würden uns einen gewissen Vorzug ent-
reissen, welcher beynahe der einzige noch ist, den
wir vor ihnen behaupten. Wir sind schon eifer-
süchtig genug, daß für sie die Schönheit ein vor-
zügliches Geschenk der Natur ist: Jch nehme
unsre männlichen Puppen zu Zeugen, daß wir auf
dieses Geschenk eifersüchtig sind. Schon der na-
türliche Verstand unsrer Frauenspersonen ist so
durchdringend, daß es für unsre angemaßte Herr-
schaft doppelt gefährlich seyn würde, wenn wir
diesen natürlichen Verstand durch Fleiß, Bücher,
und gelehrte Bemühungen noch mehr ausbilden
wollten. Es ist dieses ohnedem nur noch der
Schatten der Herrschaft, mit der wir uns brüsten,
da wir alle andre Arten der Herrschaft, schon seit
undenklichen Jahren an das weibliche Geschlecht
verloren haben. Wir ersticken daher mit einer
tyrannischen Vorsicht alle Begierde, welche das
Frauenzimmer bewegen könnte, ihren Verstand
durch Schriften und Gelehrsamkeit noch mehr aus-
zubilden. Und weil wir es nicht wagen dürfen,

den

Abbitte
Fehler hat, ſo iſt ſie wenigſtens zu entſchuldigen.
Und am meiſten muͤſſen wir Mannsperſonen ſie
entſchuldigen, weil nur wir an dieſem Fehler, wie
an den meiſten Fehlern der Frauenzimmer, Urſache
ſind. Wir fuͤrchten uns zu ſehr vor dem faͤhigen
Verſtande und Witze des weiblichen Geſchlechts,
als daß wir uns Muͤhe geben ſollten, ihren Ver-
ſtand und Witz ſorgfaͤltig zu bilden, und ſie an dem
Ruhme der Gelehrſamkeit Antheil nehmen zu laſ-
ſen. Sie wuͤrden uns einen gewiſſen Vorzug ent-
reiſſen, welcher beynahe der einzige noch iſt, den
wir vor ihnen behaupten. Wir ſind ſchon eifer-
ſuͤchtig genug, daß fuͤr ſie die Schoͤnheit ein vor-
zuͤgliches Geſchenk der Natur iſt: Jch nehme
unſre maͤnnlichen Puppen zu Zeugen, daß wir auf
dieſes Geſchenk eiferſuͤchtig ſind. Schon der na-
tuͤrliche Verſtand unſrer Frauensperſonen iſt ſo
durchdringend, daß es fuͤr unſre angemaßte Herr-
ſchaft doppelt gefaͤhrlich ſeyn wuͤrde, wenn wir
dieſen natuͤrlichen Verſtand durch Fleiß, Buͤcher,
und gelehrte Bemuͤhungen noch mehr ausbilden
wollten. Es iſt dieſes ohnedem nur noch der
Schatten der Herrſchaft, mit der wir uns bruͤſten,
da wir alle andre Arten der Herrſchaft, ſchon ſeit
undenklichen Jahren an das weibliche Geſchlecht
verloren haben. Wir erſticken daher mit einer
tyranniſchen Vorſicht alle Begierde, welche das
Frauenzimmer bewegen koͤnnte, ihren Verſtand
durch Schriften und Gelehrſamkeit noch mehr aus-
zubilden. Und weil wir es nicht wagen duͤrfen,

den
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0618" n="596[594]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abbitte</hi></fw><lb/>
Fehler hat, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie wenig&#x017F;tens zu ent&#x017F;chuldigen.<lb/>
Und am mei&#x017F;ten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir Mannsper&#x017F;onen &#x017F;ie<lb/>
ent&#x017F;chuldigen, weil nur wir an die&#x017F;em Fehler, wie<lb/>
an den mei&#x017F;ten Fehlern der Frauenzimmer, Ur&#x017F;ache<lb/>
&#x017F;ind. Wir fu&#x0364;rchten uns zu &#x017F;ehr vor dem fa&#x0364;higen<lb/>
Ver&#x017F;tande und Witze des weiblichen Ge&#x017F;chlechts,<lb/>
als daß wir uns Mu&#x0364;he geben &#x017F;ollten, ihren Ver-<lb/>
&#x017F;tand und Witz &#x017F;orgfa&#x0364;ltig zu bilden, und &#x017F;ie an dem<lb/>
Ruhme der Gelehr&#x017F;amkeit Antheil nehmen zu la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Sie wu&#x0364;rden uns einen gewi&#x017F;&#x017F;en Vorzug ent-<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;en, welcher beynahe der einzige noch i&#x017F;t, den<lb/>
wir vor ihnen behaupten. Wir &#x017F;ind &#x017F;chon eifer-<lb/>
&#x017F;u&#x0364;chtig genug, daß fu&#x0364;r &#x017F;ie die Scho&#x0364;nheit ein vor-<lb/>
zu&#x0364;gliches Ge&#x017F;chenk der Natur i&#x017F;t: Jch nehme<lb/>
un&#x017F;re ma&#x0364;nnlichen Puppen zu Zeugen, daß wir auf<lb/>
die&#x017F;es Ge&#x017F;chenk eifer&#x017F;u&#x0364;chtig &#x017F;ind. Schon der na-<lb/>
tu&#x0364;rliche Ver&#x017F;tand un&#x017F;rer Frauensper&#x017F;onen i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
durchdringend, daß es fu&#x0364;r un&#x017F;re angemaßte Herr-<lb/>
&#x017F;chaft doppelt gefa&#x0364;hrlich &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, wenn wir<lb/>
die&#x017F;en natu&#x0364;rlichen Ver&#x017F;tand durch Fleiß, Bu&#x0364;cher,<lb/>
und gelehrte Bemu&#x0364;hungen noch mehr ausbilden<lb/>
wollten. Es i&#x017F;t die&#x017F;es ohnedem nur noch der<lb/>
Schatten der Herr&#x017F;chaft, mit der wir uns bru&#x0364;&#x017F;ten,<lb/>
da wir alle andre Arten der Herr&#x017F;chaft, &#x017F;chon &#x017F;eit<lb/>
undenklichen Jahren an das weibliche Ge&#x017F;chlecht<lb/>
verloren haben. Wir er&#x017F;ticken daher mit einer<lb/>
tyranni&#x017F;chen Vor&#x017F;icht alle Begierde, welche das<lb/>
Frauenzimmer bewegen ko&#x0364;nnte, ihren Ver&#x017F;tand<lb/>
durch Schriften und Gelehr&#x017F;amkeit noch mehr aus-<lb/>
zubilden. Und weil wir es nicht wagen du&#x0364;rfen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[596[594]/0618] Abbitte Fehler hat, ſo iſt ſie wenigſtens zu entſchuldigen. Und am meiſten muͤſſen wir Mannsperſonen ſie entſchuldigen, weil nur wir an dieſem Fehler, wie an den meiſten Fehlern der Frauenzimmer, Urſache ſind. Wir fuͤrchten uns zu ſehr vor dem faͤhigen Verſtande und Witze des weiblichen Geſchlechts, als daß wir uns Muͤhe geben ſollten, ihren Ver- ſtand und Witz ſorgfaͤltig zu bilden, und ſie an dem Ruhme der Gelehrſamkeit Antheil nehmen zu laſ- ſen. Sie wuͤrden uns einen gewiſſen Vorzug ent- reiſſen, welcher beynahe der einzige noch iſt, den wir vor ihnen behaupten. Wir ſind ſchon eifer- ſuͤchtig genug, daß fuͤr ſie die Schoͤnheit ein vor- zuͤgliches Geſchenk der Natur iſt: Jch nehme unſre maͤnnlichen Puppen zu Zeugen, daß wir auf dieſes Geſchenk eiferſuͤchtig ſind. Schon der na- tuͤrliche Verſtand unſrer Frauensperſonen iſt ſo durchdringend, daß es fuͤr unſre angemaßte Herr- ſchaft doppelt gefaͤhrlich ſeyn wuͤrde, wenn wir dieſen natuͤrlichen Verſtand durch Fleiß, Buͤcher, und gelehrte Bemuͤhungen noch mehr ausbilden wollten. Es iſt dieſes ohnedem nur noch der Schatten der Herrſchaft, mit der wir uns bruͤſten, da wir alle andre Arten der Herrſchaft, ſchon ſeit undenklichen Jahren an das weibliche Geſchlecht verloren haben. Wir erſticken daher mit einer tyranniſchen Vorſicht alle Begierde, welche das Frauenzimmer bewegen koͤnnte, ihren Verſtand durch Schriften und Gelehrſamkeit noch mehr aus- zubilden. Und weil wir es nicht wagen duͤrfen, den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/618
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 596[594]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/618>, abgerufen am 23.11.2024.