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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
ängstigen sich daher gar nicht mit dergleichen kin-
dischen und unpatriotischen Fragen: Wo werden
wir den Verstand hernehmen? Der dem Vieh
sein Futter giebt, der wird auch für ihren Ver-
stand sorgen; und sie genießen bey dieser nahrhaf-
ten Gemüthsruhe eben diejenige wahre Glückse-
ligkeit, die ein Mastschwein hat, welches um Weih-
nachten feist ist, ohne daß es den Sommer über
für seine Mastung gesorgt hat. Wenn ich drey
Candidaten beysammen stehen sehe, so kann ich,
ohne die Liebe des Nächsten zu beleidigen, gewiß
glauben, daß zween davon keinen Verstand ha-
ben, und bey dem dritten ist es noch vielmals un-
gewiß. Unsre Aeltern sind gemeiniglich gegen die
Vorsorge des Himmels so erkenntlich, daß sie bey
der Erziehung ihrer Kinder nicht den geringsten
Vorwitz bezeigen, wenn es auf die Frage ankömmt,
ob ihre Kinder auch Gelegenheit haben, ihren
Verstand so zu bilden, daß er dereinst zur Ueber-
nehmung eines Amtes, und zu dessen würdiger
Bekleidung fähig ist. Es wäre dieses unverant-
wortlich. Jhre Väter dachten eben so, und den-
noch haben Kinder dieser Väter Aemter bekom-
men, ohne daß jemand die unbescheidne Frage
aufzuwerfen das Herz gehabt, ob sie auch Ver-
stand genug besäßen. Solche Kleinigkeiten geben
sich von sich selbst. Sie haben nunmehr Ver-
stand genug, und sie haben zu viel Verstand, als
daß sie in diesem Falle wegen ihrer eignen Kinder
bekümmert seyn sollten. Ja sie machen sich ein
Gewissen daraus, und sie sind deswegen zu lo-

ben.

Antons Panßa von Mancha
aͤngſtigen ſich daher gar nicht mit dergleichen kin-
diſchen und unpatriotiſchen Fragen: Wo werden
wir den Verſtand hernehmen? Der dem Vieh
ſein Futter giebt, der wird auch fuͤr ihren Ver-
ſtand ſorgen; und ſie genießen bey dieſer nahrhaf-
ten Gemuͤthsruhe eben diejenige wahre Gluͤckſe-
ligkeit, die ein Maſtſchwein hat, welches um Weih-
nachten feiſt iſt, ohne daß es den Sommer uͤber
fuͤr ſeine Maſtung geſorgt hat. Wenn ich drey
Candidaten beyſammen ſtehen ſehe, ſo kann ich,
ohne die Liebe des Naͤchſten zu beleidigen, gewiß
glauben, daß zween davon keinen Verſtand ha-
ben, und bey dem dritten iſt es noch vielmals un-
gewiß. Unſre Aeltern ſind gemeiniglich gegen die
Vorſorge des Himmels ſo erkenntlich, daß ſie bey
der Erziehung ihrer Kinder nicht den geringſten
Vorwitz bezeigen, wenn es auf die Frage ankoͤmmt,
ob ihre Kinder auch Gelegenheit haben, ihren
Verſtand ſo zu bilden, daß er dereinſt zur Ueber-
nehmung eines Amtes, und zu deſſen wuͤrdiger
Bekleidung faͤhig iſt. Es waͤre dieſes unverant-
wortlich. Jhre Vaͤter dachten eben ſo, und den-
noch haben Kinder dieſer Vaͤter Aemter bekom-
men, ohne daß jemand die unbeſcheidne Frage
aufzuwerfen das Herz gehabt, ob ſie auch Ver-
ſtand genug beſaͤßen. Solche Kleinigkeiten geben
ſich von ſich ſelbſt. Sie haben nunmehr Ver-
ſtand genug, und ſie haben zu viel Verſtand, als
daß ſie in dieſem Falle wegen ihrer eignen Kinder
bekuͤmmert ſeyn ſollten. Ja ſie machen ſich ein
Gewiſſen daraus, und ſie ſind deswegen zu lo-

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[40/0062] Antons Panßa von Mancha aͤngſtigen ſich daher gar nicht mit dergleichen kin- diſchen und unpatriotiſchen Fragen: Wo werden wir den Verſtand hernehmen? Der dem Vieh ſein Futter giebt, der wird auch fuͤr ihren Ver- ſtand ſorgen; und ſie genießen bey dieſer nahrhaf- ten Gemuͤthsruhe eben diejenige wahre Gluͤckſe- ligkeit, die ein Maſtſchwein hat, welches um Weih- nachten feiſt iſt, ohne daß es den Sommer uͤber fuͤr ſeine Maſtung geſorgt hat. Wenn ich drey Candidaten beyſammen ſtehen ſehe, ſo kann ich, ohne die Liebe des Naͤchſten zu beleidigen, gewiß glauben, daß zween davon keinen Verſtand ha- ben, und bey dem dritten iſt es noch vielmals un- gewiß. Unſre Aeltern ſind gemeiniglich gegen die Vorſorge des Himmels ſo erkenntlich, daß ſie bey der Erziehung ihrer Kinder nicht den geringſten Vorwitz bezeigen, wenn es auf die Frage ankoͤmmt, ob ihre Kinder auch Gelegenheit haben, ihren Verſtand ſo zu bilden, daß er dereinſt zur Ueber- nehmung eines Amtes, und zu deſſen wuͤrdiger Bekleidung faͤhig iſt. Es waͤre dieſes unverant- wortlich. Jhre Vaͤter dachten eben ſo, und den- noch haben Kinder dieſer Vaͤter Aemter bekom- men, ohne daß jemand die unbeſcheidne Frage aufzuwerfen das Herz gehabt, ob ſie auch Ver- ſtand genug beſaͤßen. Solche Kleinigkeiten geben ſich von ſich ſelbſt. Sie haben nunmehr Ver- ſtand genug, und ſie haben zu viel Verſtand, als daß ſie in dieſem Falle wegen ihrer eignen Kinder bekuͤmmert ſeyn ſollten. Ja ſie machen ſich ein Gewiſſen daraus, und ſie ſind deswegen zu lo- ben.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/62>, abgerufen am 21.11.2024.