Gewiß, Gurda, sie hätten keinen vortheil- haftern Augenblick, als diesen, erwarten können, eine Abbitte und Ehrenerklärung von mir darüber zu verlangen, daß ich sie für eine Thörinn erklärt habe, weil sie noch so eitel sind, ihrem verrunzel- ten Gesichte Anbeter zu erbuhlen. Jch bin itzo so zerknirscht, und niedergeschlagen, daß ich nicht einmal diese Wahrheit zu vertheidigen Muth ge- nug habe. Jch will es ihnen abbitten. Jch will sagen, daß ihre dürren Hände die Wolle, den Schnee, und ich weis selbst nicht was, übertref- fen; daß die Blicke ihrer Augen noch eben so rei- zend und gefährlich sind, wie sie vor vierzig Jah- ren gewesen seyn mögen; daß ihr alter Mund be- zaubert, wenn er lächelt, daß - - - mit einem Worte, ich will sie so unverschämt loben, daß sie es selbst für eine Unwahrheit halten sol- len, so groß auch sonst ihre Eigenliebe ist. Kön- nen sie wohl mehr von mir verlangen?
Sehen sie, Madame, ich habe mein Wort redlich gehalten. Sind sie mit diesen Abbitten und Ehrenerklärungen zufrieden? Mich dünkt, sie können es wohl seyn. Jch will noch mehr thun, damit ich mich mit ihnen, und ihren Freundinnen ganz aussöhne. Der fünfte Theil meiner satiri- schen Schriften soll von nichts, als von dem Lobe der Frauenspersonen handeln: Aber ich ersuche
sie,
Abbitte
Gewiß, Gurda, ſie haͤtten keinen vortheil- haftern Augenblick, als dieſen, erwarten koͤnnen, eine Abbitte und Ehrenerklaͤrung von mir daruͤber zu verlangen, daß ich ſie fuͤr eine Thoͤrinn erklaͤrt habe, weil ſie noch ſo eitel ſind, ihrem verrunzel- ten Geſichte Anbeter zu erbuhlen. Jch bin itzo ſo zerknirſcht, und niedergeſchlagen, daß ich nicht einmal dieſe Wahrheit zu vertheidigen Muth ge- nug habe. Jch will es ihnen abbitten. Jch will ſagen, daß ihre duͤrren Haͤnde die Wolle, den Schnee, und ich weis ſelbſt nicht was, uͤbertref- fen; daß die Blicke ihrer Augen noch eben ſo rei- zend und gefaͤhrlich ſind, wie ſie vor vierzig Jah- ren geweſen ſeyn moͤgen; daß ihr alter Mund be- zaubert, wenn er laͤchelt, daß ‒ ‒ ‒ mit einem Worte, ich will ſie ſo unverſchaͤmt loben, daß ſie es ſelbſt fuͤr eine Unwahrheit halten ſol- len, ſo groß auch ſonſt ihre Eigenliebe iſt. Koͤn- nen ſie wohl mehr von mir verlangen?
Sehen ſie, Madame, ich habe mein Wort redlich gehalten. Sind ſie mit dieſen Abbitten und Ehrenerklaͤrungen zufrieden? Mich duͤnkt, ſie koͤnnen es wohl ſeyn. Jch will noch mehr thun, damit ich mich mit ihnen, und ihren Freundinnen ganz ausſoͤhne. Der fuͤnfte Theil meiner ſatiri- ſchen Schriften ſoll von nichts, als von dem Lobe der Frauensperſonen handeln: Aber ich erſuche
ſie,
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[602[600]/0624]
Abbitte
Gewiß, Gurda, ſie haͤtten keinen vortheil-
haftern Augenblick, als dieſen, erwarten koͤnnen,
eine Abbitte und Ehrenerklaͤrung von mir daruͤber
zu verlangen, daß ich ſie fuͤr eine Thoͤrinn erklaͤrt
habe, weil ſie noch ſo eitel ſind, ihrem verrunzel-
ten Geſichte Anbeter zu erbuhlen. Jch bin itzo
ſo zerknirſcht, und niedergeſchlagen, daß ich nicht
einmal dieſe Wahrheit zu vertheidigen Muth ge-
nug habe. Jch will es ihnen abbitten. Jch will
ſagen, daß ihre duͤrren Haͤnde die Wolle, den
Schnee, und ich weis ſelbſt nicht was, uͤbertref-
fen; daß die Blicke ihrer Augen noch eben ſo rei-
zend und gefaͤhrlich ſind, wie ſie vor vierzig Jah-
ren geweſen ſeyn moͤgen; daß ihr alter Mund be-
zaubert, wenn er laͤchelt, daß ‒ ‒ ‒ mit
einem Worte, ich will ſie ſo unverſchaͤmt loben,
daß ſie es ſelbſt fuͤr eine Unwahrheit halten ſol-
len, ſo groß auch ſonſt ihre Eigenliebe iſt. Koͤn-
nen ſie wohl mehr von mir verlangen?
Sehen ſie, Madame, ich habe mein Wort
redlich gehalten. Sind ſie mit dieſen Abbitten
und Ehrenerklaͤrungen zufrieden? Mich duͤnkt, ſie
koͤnnen es wohl ſeyn. Jch will noch mehr thun,
damit ich mich mit ihnen, und ihren Freundinnen
ganz ausſoͤhne. Der fuͤnfte Theil meiner ſatiri-
ſchen Schriften ſoll von nichts, als von dem Lobe
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ſie,
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 602[600]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/624>, abgerufen am 23.11.2024.
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