Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung von Sprüchwörtern.
hoffen können. Nur keine Maitresse hat er noch;
doch wird er nächstens für eine sorgen, damit er
seinem Herrn Vater in allem gleich werde. Jst nicht
dieses alles ein Beweis, daß der Verstand mit dem
Amte kömmt? Und hätte wohl iemand geglaubt,
daß, bey einer solchen Erziehung, derjenige mit so
vieler anscheinenden Hoffnung für sein Vaterland
fechten sollte, welcher, menschlichem Ansehen nach,
nur geboren war, für sein Vaterland zu kochen?

Wie glücklich muß das Land seyn, in welchem
ein Ueberfluß von solchen Personen vorhanden ist,
bey denen man ungewiß bleibt, ob sie sich besser
vor die Spitze ihrer Truppen, oder hinter den
Nährahm schicken!

Jndessen muß ich gestehn, daß nicht der Mili-
tärstand allein sich dieses Vorzugs rühmen kann;
sondern daß wir durch die weise Sorglosigkeit un-
serer Aeltern und Vorgesetzten, und durch die na-
türliche sich selbst gelassene Dummheit des größten
Theils unsrer hoffnungsvollen Jugend, denenjeni-
gen glücklichen Zeiten sehr nahe gekommen sind,
wo man einen Candidaten, welcher die nöthige Ge-
schicklichkeit und den Verstand eher hat, als das
Amt, bald als ein Wunderthier für Geld in den
Messen sehen lassen wird. Jch bin verschiednen
werthen Freunden, welche in meiner Gegend woh-
nen, für das Vergnügen, das ich in ihrem erbau-
lichen Umgange täglich genieße, so vielen Dank
schuldig, daß ich mir ein Gewissen daraus mache,
diese Abhandlung zu schließen, ohne sie im Vor-
beygehn ein wenig zu verewigen, und der Nach-

welt

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
hoffen koͤnnen. Nur keine Maitreſſe hat er noch;
doch wird er naͤchſtens fuͤr eine ſorgen, damit er
ſeinem Herrn Vater in allem gleich werde. Jſt nicht
dieſes alles ein Beweis, daß der Verſtand mit dem
Amte koͤmmt? Und haͤtte wohl iemand geglaubt,
daß, bey einer ſolchen Erziehung, derjenige mit ſo
vieler anſcheinenden Hoffnung fuͤr ſein Vaterland
fechten ſollte, welcher, menſchlichem Anſehen nach,
nur geboren war, fuͤr ſein Vaterland zu kochen?

Wie gluͤcklich muß das Land ſeyn, in welchem
ein Ueberfluß von ſolchen Perſonen vorhanden iſt,
bey denen man ungewiß bleibt, ob ſie ſich beſſer
vor die Spitze ihrer Truppen, oder hinter den
Naͤhrahm ſchicken!

Jndeſſen muß ich geſtehn, daß nicht der Mili-
taͤrſtand allein ſich dieſes Vorzugs ruͤhmen kann;
ſondern daß wir durch die weiſe Sorgloſigkeit un-
ſerer Aeltern und Vorgeſetzten, und durch die na-
tuͤrliche ſich ſelbſt gelaſſene Dummheit des groͤßten
Theils unſrer hoffnungsvollen Jugend, denenjeni-
gen gluͤcklichen Zeiten ſehr nahe gekommen ſind,
wo man einen Candidaten, welcher die noͤthige Ge-
ſchicklichkeit und den Verſtand eher hat, als das
Amt, bald als ein Wunderthier fuͤr Geld in den
Meſſen ſehen laſſen wird. Jch bin verſchiednen
werthen Freunden, welche in meiner Gegend woh-
nen, fuͤr das Vergnuͤgen, das ich in ihrem erbau-
lichen Umgange taͤglich genieße, ſo vielen Dank
ſchuldig, daß ich mir ein Gewiſſen daraus mache,
dieſe Abhandlung zu ſchließen, ohne ſie im Vor-
beygehn ein wenig zu verewigen, und der Nach-

welt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0065" n="43"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi></fw><lb/>
hoffen ko&#x0364;nnen. Nur keine Maitre&#x017F;&#x017F;e hat er noch;<lb/>
doch wird er na&#x0364;ch&#x017F;tens fu&#x0364;r eine &#x017F;orgen, damit er<lb/>
&#x017F;einem Herrn Vater in allem gleich werde. J&#x017F;t nicht<lb/>
die&#x017F;es alles ein Beweis, daß der Ver&#x017F;tand mit dem<lb/>
Amte ko&#x0364;mmt? Und ha&#x0364;tte wohl iemand geglaubt,<lb/>
daß, bey einer &#x017F;olchen Erziehung, derjenige mit &#x017F;o<lb/>
vieler an&#x017F;cheinenden Hoffnung fu&#x0364;r &#x017F;ein Vaterland<lb/>
fechten &#x017F;ollte, welcher, men&#x017F;chlichem An&#x017F;ehen nach,<lb/>
nur geboren war, fu&#x0364;r &#x017F;ein Vaterland zu kochen?</p><lb/>
          <p>Wie glu&#x0364;cklich muß das Land &#x017F;eyn, in welchem<lb/>
ein Ueberfluß von &#x017F;olchen Per&#x017F;onen vorhanden i&#x017F;t,<lb/>
bey denen man ungewiß bleibt, ob &#x017F;ie &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
vor die Spitze ihrer Truppen, oder hinter den<lb/>
Na&#x0364;hrahm &#x017F;chicken!</p><lb/>
          <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en muß ich ge&#x017F;tehn, daß nicht der Mili-<lb/>
ta&#x0364;r&#x017F;tand allein &#x017F;ich die&#x017F;es Vorzugs ru&#x0364;hmen kann;<lb/>
&#x017F;ondern daß wir durch die wei&#x017F;e Sorglo&#x017F;igkeit un-<lb/>
&#x017F;erer Aeltern und Vorge&#x017F;etzten, und durch die na-<lb/>
tu&#x0364;rliche &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gela&#x017F;&#x017F;ene Dummheit des gro&#x0364;ßten<lb/>
Theils un&#x017F;rer hoffnungsvollen Jugend, denenjeni-<lb/>
gen glu&#x0364;cklichen Zeiten &#x017F;ehr nahe gekommen &#x017F;ind,<lb/>
wo man einen Candidaten, welcher die no&#x0364;thige Ge-<lb/>
&#x017F;chicklichkeit und den Ver&#x017F;tand eher hat, als das<lb/>
Amt, bald als ein Wunderthier fu&#x0364;r Geld in den<lb/>
Me&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en wird. Jch bin ver&#x017F;chiednen<lb/>
werthen Freunden, welche in meiner Gegend woh-<lb/>
nen, fu&#x0364;r das Vergnu&#x0364;gen, das ich in ihrem erbau-<lb/>
lichen Umgange ta&#x0364;glich genieße, &#x017F;o vielen Dank<lb/>
&#x017F;chuldig, daß ich mir ein Gewi&#x017F;&#x017F;en daraus mache,<lb/>
die&#x017F;e Abhandlung zu &#x017F;chließen, ohne &#x017F;ie im Vor-<lb/>
beygehn ein wenig zu verewigen, und der Nach-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">welt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0065] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. hoffen koͤnnen. Nur keine Maitreſſe hat er noch; doch wird er naͤchſtens fuͤr eine ſorgen, damit er ſeinem Herrn Vater in allem gleich werde. Jſt nicht dieſes alles ein Beweis, daß der Verſtand mit dem Amte koͤmmt? Und haͤtte wohl iemand geglaubt, daß, bey einer ſolchen Erziehung, derjenige mit ſo vieler anſcheinenden Hoffnung fuͤr ſein Vaterland fechten ſollte, welcher, menſchlichem Anſehen nach, nur geboren war, fuͤr ſein Vaterland zu kochen? Wie gluͤcklich muß das Land ſeyn, in welchem ein Ueberfluß von ſolchen Perſonen vorhanden iſt, bey denen man ungewiß bleibt, ob ſie ſich beſſer vor die Spitze ihrer Truppen, oder hinter den Naͤhrahm ſchicken! Jndeſſen muß ich geſtehn, daß nicht der Mili- taͤrſtand allein ſich dieſes Vorzugs ruͤhmen kann; ſondern daß wir durch die weiſe Sorgloſigkeit un- ſerer Aeltern und Vorgeſetzten, und durch die na- tuͤrliche ſich ſelbſt gelaſſene Dummheit des groͤßten Theils unſrer hoffnungsvollen Jugend, denenjeni- gen gluͤcklichen Zeiten ſehr nahe gekommen ſind, wo man einen Candidaten, welcher die noͤthige Ge- ſchicklichkeit und den Verſtand eher hat, als das Amt, bald als ein Wunderthier fuͤr Geld in den Meſſen ſehen laſſen wird. Jch bin verſchiednen werthen Freunden, welche in meiner Gegend woh- nen, fuͤr das Vergnuͤgen, das ich in ihrem erbau- lichen Umgange taͤglich genieße, ſo vielen Dank ſchuldig, daß ich mir ein Gewiſſen daraus mache, dieſe Abhandlung zu ſchließen, ohne ſie im Vor- beygehn ein wenig zu verewigen, und der Nach- welt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/65
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/65>, abgerufen am 21.11.2024.