Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Antons Panßa von Mancha
den Sohn eines großen Officiers nicht. Aus Liebe
zum Vaterlande schont man diesen theuern Körper;
zu seiner Gemüthsergetzung läßt man ihn kochen,
nähen und sticken. Er ist ein junger feuriger Herr,
welchen man nicht zu früh anstrengen muß, wenn es
ihm nicht gehen soll, wie den jungen hitzigen Ochsen,
welche sich leicht verrücken, wenn man sie zu jung ein-
spannt. Seine gnädige Mama hat mit einem müt-
terlichen Vergnügen zugesehn, mit was für einer ed-
len Unverschämtheit er nur ohnlängst dem Kammer-
mädchen in den Busen griff, und sie ist vor Lachen bald
außer sich gekommen, als ihr die alte Französinn,
bey der dieser zarte hoffnungsvolle Knabe bestän-
dig aus billiger Vorsorge im Bette liegen mußte,
vor etlichen Wochen klagte, daß er sie des Nachts
nicht mehr ruhig schlafen ließ. Der lose Schelm!
sagte die zärtliche Mutter, und nunmehr glaubte
sie, daß es Zeit wäre, ihn in die Welt zu lassen.
Sie überlegte die Sache mit ihrem Gemahle.
Man kaufte ihm eine Compagnie, und bey der er-
sten Gelegenheit wird dieser allerliebste Sohn eine
Anzahl bärtiger und tapfrer Männer, die unter
ihm stehen, wider den Feind anführen. Er hatte
kaum eine Stunde lang den Ringkragen umgehabt,
als er recht eigentlich spürte, wie ihm der Verstand,
der zu einem solchen Commando gehört, aus dem
Magen in alle Glieder des Leibes drang. Er kann
fluchen wie der älteste Musketier, er säuft wie ein
Corporal, hat sich schon zweymal mit dem Lieute-
nant geschlagen, seinem Obersten sich einige mal
widersetzt, und alles gethan, was man von ihm hat

hoffen

Antons Panßa von Mancha
den Sohn eines großen Officiers nicht. Aus Liebe
zum Vaterlande ſchont man dieſen theuern Koͤrper;
zu ſeiner Gemuͤthsergetzung laͤßt man ihn kochen,
naͤhen und ſticken. Er iſt ein junger feuriger Herr,
welchen man nicht zu fruͤh anſtrengen muß, wenn es
ihm nicht gehen ſoll, wie den jungen hitzigen Ochſen,
welche ſich leicht verruͤcken, wenn man ſie zu jung ein-
ſpannt. Seine gnaͤdige Mama hat mit einem muͤt-
terlichen Vergnuͤgen zugeſehn, mit was fuͤr einer ed-
len Unverſchaͤmtheit er nur ohnlaͤngſt dem Kammer-
maͤdchen in den Buſen griff, und ſie iſt vor Lachen bald
außer ſich gekommen, als ihr die alte Franzoͤſinn,
bey der dieſer zarte hoffnungsvolle Knabe beſtaͤn-
dig aus billiger Vorſorge im Bette liegen mußte,
vor etlichen Wochen klagte, daß er ſie des Nachts
nicht mehr ruhig ſchlafen ließ. Der loſe Schelm!
ſagte die zaͤrtliche Mutter, und nunmehr glaubte
ſie, daß es Zeit waͤre, ihn in die Welt zu laſſen.
Sie uͤberlegte die Sache mit ihrem Gemahle.
Man kaufte ihm eine Compagnie, und bey der er-
ſten Gelegenheit wird dieſer allerliebſte Sohn eine
Anzahl baͤrtiger und tapfrer Maͤnner, die unter
ihm ſtehen, wider den Feind anfuͤhren. Er hatte
kaum eine Stunde lang den Ringkragen umgehabt,
als er recht eigentlich ſpuͤrte, wie ihm der Verſtand,
der zu einem ſolchen Commando gehoͤrt, aus dem
Magen in alle Glieder des Leibes drang. Er kann
fluchen wie der aͤlteſte Muſketier, er ſaͤuft wie ein
Corporal, hat ſich ſchon zweymal mit dem Lieute-
nant geſchlagen, ſeinem Oberſten ſich einige mal
widerſetzt, und alles gethan, was man von ihm hat

hoffen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="42"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
den Sohn eines großen Officiers nicht. Aus Liebe<lb/>
zum Vaterlande &#x017F;chont man die&#x017F;en theuern Ko&#x0364;rper;<lb/>
zu &#x017F;einer Gemu&#x0364;thsergetzung la&#x0364;ßt man ihn kochen,<lb/>
na&#x0364;hen und &#x017F;ticken. Er i&#x017F;t ein junger feuriger Herr,<lb/>
welchen man nicht zu fru&#x0364;h an&#x017F;trengen muß, wenn es<lb/>
ihm nicht gehen &#x017F;oll, wie den jungen hitzigen Och&#x017F;en,<lb/>
welche &#x017F;ich leicht verru&#x0364;cken, wenn man &#x017F;ie zu jung ein-<lb/>
&#x017F;pannt. Seine gna&#x0364;dige Mama hat mit einem mu&#x0364;t-<lb/>
terlichen Vergnu&#x0364;gen zuge&#x017F;ehn, mit was fu&#x0364;r einer ed-<lb/>
len Unver&#x017F;cha&#x0364;mtheit er nur ohnla&#x0364;ng&#x017F;t dem Kammer-<lb/>
ma&#x0364;dchen in den Bu&#x017F;en griff, und &#x017F;ie i&#x017F;t vor Lachen bald<lb/>
außer &#x017F;ich gekommen, als ihr die alte Franzo&#x0364;&#x017F;inn,<lb/>
bey der die&#x017F;er zarte hoffnungsvolle Knabe be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig aus billiger Vor&#x017F;orge im Bette liegen mußte,<lb/>
vor etlichen Wochen klagte, daß er &#x017F;ie des Nachts<lb/>
nicht mehr ruhig &#x017F;chlafen ließ. Der lo&#x017F;e Schelm!<lb/>
&#x017F;agte die za&#x0364;rtliche Mutter, und nunmehr glaubte<lb/>
&#x017F;ie, daß es Zeit wa&#x0364;re, ihn in die Welt zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Sie u&#x0364;berlegte die Sache mit ihrem Gemahle.<lb/>
Man kaufte ihm eine Compagnie, und bey der er-<lb/>
&#x017F;ten Gelegenheit wird die&#x017F;er allerlieb&#x017F;te Sohn eine<lb/>
Anzahl ba&#x0364;rtiger und tapfrer Ma&#x0364;nner, die unter<lb/>
ihm &#x017F;tehen, wider den Feind anfu&#x0364;hren. Er hatte<lb/>
kaum eine Stunde lang den Ringkragen umgehabt,<lb/>
als er recht eigentlich &#x017F;pu&#x0364;rte, wie ihm der Ver&#x017F;tand,<lb/>
der zu einem &#x017F;olchen Commando geho&#x0364;rt, aus dem<lb/>
Magen in alle Glieder des Leibes drang. Er kann<lb/>
fluchen wie der a&#x0364;lte&#x017F;te Mu&#x017F;ketier, er &#x017F;a&#x0364;uft wie ein<lb/>
Corporal, hat &#x017F;ich &#x017F;chon zweymal mit dem Lieute-<lb/>
nant ge&#x017F;chlagen, &#x017F;einem Ober&#x017F;ten &#x017F;ich einige mal<lb/>
wider&#x017F;etzt, und alles gethan, was man von ihm hat<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hoffen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0064] Antons Panßa von Mancha den Sohn eines großen Officiers nicht. Aus Liebe zum Vaterlande ſchont man dieſen theuern Koͤrper; zu ſeiner Gemuͤthsergetzung laͤßt man ihn kochen, naͤhen und ſticken. Er iſt ein junger feuriger Herr, welchen man nicht zu fruͤh anſtrengen muß, wenn es ihm nicht gehen ſoll, wie den jungen hitzigen Ochſen, welche ſich leicht verruͤcken, wenn man ſie zu jung ein- ſpannt. Seine gnaͤdige Mama hat mit einem muͤt- terlichen Vergnuͤgen zugeſehn, mit was fuͤr einer ed- len Unverſchaͤmtheit er nur ohnlaͤngſt dem Kammer- maͤdchen in den Buſen griff, und ſie iſt vor Lachen bald außer ſich gekommen, als ihr die alte Franzoͤſinn, bey der dieſer zarte hoffnungsvolle Knabe beſtaͤn- dig aus billiger Vorſorge im Bette liegen mußte, vor etlichen Wochen klagte, daß er ſie des Nachts nicht mehr ruhig ſchlafen ließ. Der loſe Schelm! ſagte die zaͤrtliche Mutter, und nunmehr glaubte ſie, daß es Zeit waͤre, ihn in die Welt zu laſſen. Sie uͤberlegte die Sache mit ihrem Gemahle. Man kaufte ihm eine Compagnie, und bey der er- ſten Gelegenheit wird dieſer allerliebſte Sohn eine Anzahl baͤrtiger und tapfrer Maͤnner, die unter ihm ſtehen, wider den Feind anfuͤhren. Er hatte kaum eine Stunde lang den Ringkragen umgehabt, als er recht eigentlich ſpuͤrte, wie ihm der Verſtand, der zu einem ſolchen Commando gehoͤrt, aus dem Magen in alle Glieder des Leibes drang. Er kann fluchen wie der aͤlteſte Muſketier, er ſaͤuft wie ein Corporal, hat ſich ſchon zweymal mit dem Lieute- nant geſchlagen, ſeinem Oberſten ſich einige mal widerſetzt, und alles gethan, was man von ihm hat hoffen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/64
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/64>, abgerufen am 21.11.2024.