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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
sel dazu geben. Es betrifft meine eigne Leibes-
und Seelenruhe, und es liegt mir viel daran, daß
alle Leute von der Wahrheit dieses Sprüchworts
überzeugt sind. Man hat mir unter der Hand an-
getragen, Balletmeister an einem gewissen Hofe
zu werden. Es sind viele Vortheile bey dieser
Station, und mancher große Gelehrte verdient in
seinem Leben so viel nicht bey aller sauern Mühe
mit seinem Kopfe, als ich sodann unter Tanzen und
Springen in einem Jahre mit meinen Füßen ver-
dienen könnte. Jch bin um deßwillen nicht ganz
abgeneigt, die Stelle anzunehmen. Es ist wahr,
es scheint nicht, als wenn mich die Natur zu einem
Tanzmeister erkoren hätte. Mein linker Fuß ist
ungeheuer dick; auf dem rechten hinke ich ein we-
nig; die rechte Schulter ist etwas höher, als die
linke; auf dem einen Auge habe ich einen Stern,
auf dem andern schiele ich; die Arme sind durch die
englische Krankheit sehr verwachsen, und weil ich
einen Ansatz zur Wassersucht habe, so zweifle ich
fast, daß ich solche hohe Capriolen werde machen
können, als mein seliger Urältervater machte, da
er geprellt ward. Jnzwischen verzweifle ich nicht
ganz. Wenn es ausgemacht ist, daß Gott demjeni-
gen Verstand giebt, dem er ein Amt giebt: so ist
es eben so leicht zu hoffen, daß er einem Krüpel
gesunde Gliedmaßen geben wird, den er zum Tanz-
meister machen will. Es gehört, dünkt mich,
noch weniger dazu, als wenn aus einem gebornen
Narren ein verständiger Mann werden soll. Und
wenn ich auch wider Vermuthen ein Krüpel bliebe:

so

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſel dazu geben. Es betrifft meine eigne Leibes-
und Seelenruhe, und es liegt mir viel daran, daß
alle Leute von der Wahrheit dieſes Spruͤchworts
uͤberzeugt ſind. Man hat mir unter der Hand an-
getragen, Balletmeiſter an einem gewiſſen Hofe
zu werden. Es ſind viele Vortheile bey dieſer
Station, und mancher große Gelehrte verdient in
ſeinem Leben ſo viel nicht bey aller ſauern Muͤhe
mit ſeinem Kopfe, als ich ſodann unter Tanzen und
Springen in einem Jahre mit meinen Fuͤßen ver-
dienen koͤnnte. Jch bin um deßwillen nicht ganz
abgeneigt, die Stelle anzunehmen. Es iſt wahr,
es ſcheint nicht, als wenn mich die Natur zu einem
Tanzmeiſter erkoren haͤtte. Mein linker Fuß iſt
ungeheuer dick; auf dem rechten hinke ich ein we-
nig; die rechte Schulter iſt etwas hoͤher, als die
linke; auf dem einen Auge habe ich einen Stern,
auf dem andern ſchiele ich; die Arme ſind durch die
engliſche Krankheit ſehr verwachſen, und weil ich
einen Anſatz zur Waſſerſucht habe, ſo zweifle ich
faſt, daß ich ſolche hohe Capriolen werde machen
koͤnnen, als mein ſeliger Uraͤltervater machte, da
er geprellt ward. Jnzwiſchen verzweifle ich nicht
ganz. Wenn es ausgemacht iſt, daß Gott demjeni-
gen Verſtand giebt, dem er ein Amt giebt: ſo iſt
es eben ſo leicht zu hoffen, daß er einem Kruͤpel
geſunde Gliedmaßen geben wird, den er zum Tanz-
meiſter machen will. Es gehoͤrt, duͤnkt mich,
noch weniger dazu, als wenn aus einem gebornen
Narren ein verſtaͤndiger Mann werden ſoll. Und
wenn ich auch wider Vermuthen ein Kruͤpel bliebe:

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[47/0069] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. ſel dazu geben. Es betrifft meine eigne Leibes- und Seelenruhe, und es liegt mir viel daran, daß alle Leute von der Wahrheit dieſes Spruͤchworts uͤberzeugt ſind. Man hat mir unter der Hand an- getragen, Balletmeiſter an einem gewiſſen Hofe zu werden. Es ſind viele Vortheile bey dieſer Station, und mancher große Gelehrte verdient in ſeinem Leben ſo viel nicht bey aller ſauern Muͤhe mit ſeinem Kopfe, als ich ſodann unter Tanzen und Springen in einem Jahre mit meinen Fuͤßen ver- dienen koͤnnte. Jch bin um deßwillen nicht ganz abgeneigt, die Stelle anzunehmen. Es iſt wahr, es ſcheint nicht, als wenn mich die Natur zu einem Tanzmeiſter erkoren haͤtte. Mein linker Fuß iſt ungeheuer dick; auf dem rechten hinke ich ein we- nig; die rechte Schulter iſt etwas hoͤher, als die linke; auf dem einen Auge habe ich einen Stern, auf dem andern ſchiele ich; die Arme ſind durch die engliſche Krankheit ſehr verwachſen, und weil ich einen Anſatz zur Waſſerſucht habe, ſo zweifle ich faſt, daß ich ſolche hohe Capriolen werde machen koͤnnen, als mein ſeliger Uraͤltervater machte, da er geprellt ward. Jnzwiſchen verzweifle ich nicht ganz. Wenn es ausgemacht iſt, daß Gott demjeni- gen Verſtand giebt, dem er ein Amt giebt: ſo iſt es eben ſo leicht zu hoffen, daß er einem Kruͤpel geſunde Gliedmaßen geben wird, den er zum Tanz- meiſter machen will. Es gehoͤrt, duͤnkt mich, noch weniger dazu, als wenn aus einem gebornen Narren ein verſtaͤndiger Mann werden ſoll. Und wenn ich auch wider Vermuthen ein Kruͤpel bliebe: ſo

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/69>, abgerufen am 21.11.2024.