Jch speiste in der letzten Ostermesse auf Schell- hafers Saale, und kam an einen Tisch zu sitzen, wo ich mir die Gesellschaft nicht merkwür- diger hätte wählen können. Sie bestund aus ei- nem Kaufmanne, welcher zween sehr vortheilhafte Bankerutte gemacht hatte, und itzo in weit bessern Umständen steht, als seine betrognen Gläubiger. Der zweyte war ein Regimentsquartiermeister, der vor einiger Zeit die sämtlichen Regiments- gelder verspielt hatte, und ohne den vollgültigen Vorspruch seiner jungen und schöngebildeten Schwester gewiß würde haben hängen müssen. Der dritte war der Spieler, der ihm diese Gelder abgewonnen hatte, und nunmehr in der Messe aus bewegenden Ursachen seine Bekanntschaft vom neuen suchte. Der vierte war ein Mann ohne Charakter, welcher aus einem benachbarten Lande hatte flüchtig werden müssen, weil er die ihm an- vertrauten Mündel um das ihrige gebracht, und in die elendeste Armuth gestürzt hatte. Der fünfte war ein Beamter, welcher mit dem Mini- sterio sehr unzufrieden war, daß es ihn abgesetzt, und seine Caution eingezogen hatte, und zwar um
einiger
* Dieses Sprüchwort ist ebenfalls im Jahr 1748. gefer- tigt, und im Jahr 1750. der obenbenannten Monats- schrift eingeschaltet worden. Diese Anmerkung wird vielleicht manche vorwitzige Ausleger um ihren Schlüs- sel bringen.
Ehrlich waͤhrt am laͤngſten*.
Jch ſpeiſte in der letzten Oſtermeſſe auf Schell- hafers Saale, und kam an einen Tiſch zu ſitzen, wo ich mir die Geſellſchaft nicht merkwuͤr- diger haͤtte waͤhlen koͤnnen. Sie beſtund aus ei- nem Kaufmanne, welcher zween ſehr vortheilhafte Bankerutte gemacht hatte, und itzo in weit beſſern Umſtaͤnden ſteht, als ſeine betrognen Glaͤubiger. Der zweyte war ein Regimentsquartiermeiſter, der vor einiger Zeit die ſaͤmtlichen Regiments- gelder verſpielt hatte, und ohne den vollguͤltigen Vorſpruch ſeiner jungen und ſchoͤngebildeten Schweſter gewiß wuͤrde haben haͤngen muͤſſen. Der dritte war der Spieler, der ihm dieſe Gelder abgewonnen hatte, und nunmehr in der Meſſe aus bewegenden Urſachen ſeine Bekanntſchaft vom neuen ſuchte. Der vierte war ein Mann ohne Charakter, welcher aus einem benachbarten Lande hatte fluͤchtig werden muͤſſen, weil er die ihm an- vertrauten Muͤndel um das ihrige gebracht, und in die elendeſte Armuth geſtuͤrzt hatte. Der fuͤnfte war ein Beamter, welcher mit dem Mini- ſterio ſehr unzufrieden war, daß es ihn abgeſetzt, und ſeine Caution eingezogen hatte, und zwar um
einiger
* Dieſes Spruͤchwort iſt ebenfalls im Jahr 1748. gefer- tigt, und im Jahr 1750. der obenbenannten Monats- ſchrift eingeſchaltet worden. Dieſe Anmerkung wird vielleicht manche vorwitzige Ausleger um ihren Schluͤſ- ſel bringen.
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Ehrlich waͤhrt am laͤngſten *.
Jch ſpeiſte in der letzten Oſtermeſſe auf Schell-
hafers Saale, und kam an einen Tiſch zu
ſitzen, wo ich mir die Geſellſchaft nicht merkwuͤr-
diger haͤtte waͤhlen koͤnnen. Sie beſtund aus ei-
nem Kaufmanne, welcher zween ſehr vortheilhafte
Bankerutte gemacht hatte, und itzo in weit beſſern
Umſtaͤnden ſteht, als ſeine betrognen Glaͤubiger.
Der zweyte war ein Regimentsquartiermeiſter,
der vor einiger Zeit die ſaͤmtlichen Regiments-
gelder verſpielt hatte, und ohne den vollguͤltigen
Vorſpruch ſeiner jungen und ſchoͤngebildeten
Schweſter gewiß wuͤrde haben haͤngen muͤſſen.
Der dritte war der Spieler, der ihm dieſe Gelder
abgewonnen hatte, und nunmehr in der Meſſe
aus bewegenden Urſachen ſeine Bekanntſchaft vom
neuen ſuchte. Der vierte war ein Mann ohne
Charakter, welcher aus einem benachbarten Lande
hatte fluͤchtig werden muͤſſen, weil er die ihm an-
vertrauten Muͤndel um das ihrige gebracht, und
in die elendeſte Armuth geſtuͤrzt hatte. Der
fuͤnfte war ein Beamter, welcher mit dem Mini-
ſterio ſehr unzufrieden war, daß es ihn abgeſetzt,
und ſeine Caution eingezogen hatte, und zwar um
einiger
* Dieſes Spruͤchwort iſt ebenfalls im Jahr 1748. gefer-
tigt, und im Jahr 1750. der obenbenannten Monats-
ſchrift eingeſchaltet worden. Dieſe Anmerkung wird
vielleicht manche vorwitzige Ausleger um ihren Schluͤſ-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/83>, abgerufen am 21.11.2024.
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