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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
einlassen wollte, bevor ein jeder in der Gesellschaft
seine eigentliche Meynung davon gesagt hätte, da-
mit nicht die ganze Sache zuletzt auf einen Wort-
streit hinaus laufen möchte. Verba valent, sicut
numi,
antwortete der geflüchtete Vormund. Jch
weis nicht, was hier zu Lande Mode ist. Bey
uns währt ehrlich am längsten, weil es eine Ge-
sundheit ist, und Gesundheiten trinkt man, weil
man dabey Gelegenheit hat, einmal zu trinken,
nicht aber, daß man pedantische Untersuchungen
darüber anstellen wolle. So gar pedantisch nicht,
als sie meynen, versetzte der Doctor. Das Wort
Ehrlich wird in zweyerley Verstande gebraucht:
terminative, und applicative. Was Ehrlich
terminative heißt, das weis auch der Pöbel, und
weil er mehr davon nicht weis, so ist er eben der
Pöbel. Applicative ehrlich sind diejenigen, wel-
che eine Sache cum grano salis ansehen. Und da
alles, was in der Welt ist, dem Menschen zum
Besten erschaffen ist: so ist auch die Ehrlichkeit
dem Menschen zum Besten gegeben. Sie ist ein
Mittel zu unserm Zwecke zu gelangen. So bald
wir finden, daß sie unserm Zwecke zuwider ist: so
wäre es eine Thorheit, sich ungeschickter Mittel zu
bedienen; und diese Thorheit begeht niemand, als
der Pöbel, der nicht verstehet, quid juris? Und das
von Rechtswegen, rief der abgesetzte Beamte, und
suchte durch eine ernsthafte Amtsmiene seinem ge-
sprochenen Urtheile das Gewicht zu geben. Jch
war der einzige, der seine Meynung noch nicht
gesagt hatte. Man verlangte sie von mir, und

ich

Antons Panßa von Mancha
einlaſſen wollte, bevor ein jeder in der Geſellſchaft
ſeine eigentliche Meynung davon geſagt haͤtte, da-
mit nicht die ganze Sache zuletzt auf einen Wort-
ſtreit hinaus laufen moͤchte. Verba valent, ſicut
numi,
antwortete der gefluͤchtete Vormund. Jch
weis nicht, was hier zu Lande Mode iſt. Bey
uns waͤhrt ehrlich am laͤngſten, weil es eine Ge-
ſundheit iſt, und Geſundheiten trinkt man, weil
man dabey Gelegenheit hat, einmal zu trinken,
nicht aber, daß man pedantiſche Unterſuchungen
daruͤber anſtellen wolle. So gar pedantiſch nicht,
als ſie meynen, verſetzte der Doctor. Das Wort
Ehrlich wird in zweyerley Verſtande gebraucht:
terminative, und applicative. Was Ehrlich
terminative heißt, das weis auch der Poͤbel, und
weil er mehr davon nicht weis, ſo iſt er eben der
Poͤbel. Applicative ehrlich ſind diejenigen, wel-
che eine Sache cum grano ſalis anſehen. Und da
alles, was in der Welt iſt, dem Menſchen zum
Beſten erſchaffen iſt: ſo iſt auch die Ehrlichkeit
dem Menſchen zum Beſten gegeben. Sie iſt ein
Mittel zu unſerm Zwecke zu gelangen. So bald
wir finden, daß ſie unſerm Zwecke zuwider iſt: ſo
waͤre es eine Thorheit, ſich ungeſchickter Mittel zu
bedienen; und dieſe Thorheit begeht niemand, als
der Poͤbel, der nicht verſtehet, quid juris? Und das
von Rechtswegen, rief der abgeſetzte Beamte, und
ſuchte durch eine ernſthafte Amtsmiene ſeinem ge-
ſprochenen Urtheile das Gewicht zu geben. Jch
war der einzige, der ſeine Meynung noch nicht
geſagt hatte. Man verlangte ſie von mir, und

ich
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[64/0086] Antons Panßa von Mancha einlaſſen wollte, bevor ein jeder in der Geſellſchaft ſeine eigentliche Meynung davon geſagt haͤtte, da- mit nicht die ganze Sache zuletzt auf einen Wort- ſtreit hinaus laufen moͤchte. Verba valent, ſicut numi, antwortete der gefluͤchtete Vormund. Jch weis nicht, was hier zu Lande Mode iſt. Bey uns waͤhrt ehrlich am laͤngſten, weil es eine Ge- ſundheit iſt, und Geſundheiten trinkt man, weil man dabey Gelegenheit hat, einmal zu trinken, nicht aber, daß man pedantiſche Unterſuchungen daruͤber anſtellen wolle. So gar pedantiſch nicht, als ſie meynen, verſetzte der Doctor. Das Wort Ehrlich wird in zweyerley Verſtande gebraucht: terminative, und applicative. Was Ehrlich terminative heißt, das weis auch der Poͤbel, und weil er mehr davon nicht weis, ſo iſt er eben der Poͤbel. Applicative ehrlich ſind diejenigen, wel- che eine Sache cum grano ſalis anſehen. Und da alles, was in der Welt iſt, dem Menſchen zum Beſten erſchaffen iſt: ſo iſt auch die Ehrlichkeit dem Menſchen zum Beſten gegeben. Sie iſt ein Mittel zu unſerm Zwecke zu gelangen. So bald wir finden, daß ſie unſerm Zwecke zuwider iſt: ſo waͤre es eine Thorheit, ſich ungeſchickter Mittel zu bedienen; und dieſe Thorheit begeht niemand, als der Poͤbel, der nicht verſtehet, quid juris? Und das von Rechtswegen, rief der abgeſetzte Beamte, und ſuchte durch eine ernſthafte Amtsmiene ſeinem ge- ſprochenen Urtheile das Gewicht zu geben. Jch war der einzige, der ſeine Meynung noch nicht geſagt hatte. Man verlangte ſie von mir, und ich

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/86>, abgerufen am 21.11.2024.