ich antwortete, daß diese Gesundheit nicht mehr sa- gen wollte, als die, wenn man trinkt: Es gehe dem Könige und dem Lande wohl! Jch wäre in Gesellschaften gewesen, wo diese Gesundheit von Leuten getrunken worden wäre, welche den König und das Land betrogen hätten. Das läßt sich hören, meynten sie, und der Amtmann gähnte. Eine dicke Tyrolerinn, welche meiner kritischen Gesellschaft in die Hände fiel, unterbrach unsere Wortforschung, und wir giengen aus einander.
So bald ich in mein Quartier kam, suchte ich meinen verhungerten Patrioten auf, dem ich die zweyte Auflage von der gegenwärtigen Schrift de- diciren werde, und der mit mir in einem Hause lebt. Jch kletterte nicht ohne Lebensgefahr fünf Treppen hinauf, wo er in einer Kammer unter dem Dache wohnt. Jch traf ihn eben bey der Abendmahlzeit an, da er einen Hering, voll Ver- druß über die verderbte Welt, doch mit ziemli- chem Appetit verzehrte. Jch erzählte ihm die Ursachen meines so späten Besuchs, über den er sich zu wundern schien. Jch machte ihm eine Be- schreibung von meiner Gesellschaft, und von den neuen Wahrheiten, die ein jeder von ihnen bey dem Sprüchworte ausfindig gemacht hatte.
"Da sehn sie es, sagte er; nun werden sie "mir bald Recht geben. Sie sind nur zufälliger "Weise in eine Gesellschaft von sechs Personen "gekommen, wo nicht ein ehrlicher Mann dabey
"gewe-
E
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ich antwortete, daß dieſe Geſundheit nicht mehr ſa- gen wollte, als die, wenn man trinkt: Es gehe dem Koͤnige und dem Lande wohl! Jch waͤre in Geſellſchaften geweſen, wo dieſe Geſundheit von Leuten getrunken worden waͤre, welche den Koͤnig und das Land betrogen haͤtten. Das laͤßt ſich hoͤren, meynten ſie, und der Amtmann gaͤhnte. Eine dicke Tyrolerinn, welche meiner kritiſchen Geſellſchaft in die Haͤnde fiel, unterbrach unſere Wortforſchung, und wir giengen aus einander.
So bald ich in mein Quartier kam, ſuchte ich meinen verhungerten Patrioten auf, dem ich die zweyte Auflage von der gegenwaͤrtigen Schrift de- diciren werde, und der mit mir in einem Hauſe lebt. Jch kletterte nicht ohne Lebensgefahr fuͤnf Treppen hinauf, wo er in einer Kammer unter dem Dache wohnt. Jch traf ihn eben bey der Abendmahlzeit an, da er einen Hering, voll Ver- druß uͤber die verderbte Welt, doch mit ziemli- chem Appetit verzehrte. Jch erzaͤhlte ihm die Urſachen meines ſo ſpaͤten Beſuchs, uͤber den er ſich zu wundern ſchien. Jch machte ihm eine Be- ſchreibung von meiner Geſellſchaft, und von den neuen Wahrheiten, die ein jeder von ihnen bey dem Spruͤchworte ausfindig gemacht hatte.
„Da ſehn ſie es, ſagte er; nun werden ſie „mir bald Recht geben. Sie ſind nur zufaͤlliger „Weiſe in eine Geſellſchaft von ſechs Perſonen „gekommen, wo nicht ein ehrlicher Mann dabey
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ich antwortete, daß dieſe Geſundheit nicht mehr ſa-
gen wollte, als die, wenn man trinkt: Es gehe
dem Koͤnige und dem Lande wohl! Jch waͤre in
Geſellſchaften geweſen, wo dieſe Geſundheit von
Leuten getrunken worden waͤre, welche den Koͤnig
und das Land betrogen haͤtten. Das laͤßt ſich
hoͤren, meynten ſie, und der Amtmann gaͤhnte.
Eine dicke Tyrolerinn, welche meiner kritiſchen
Geſellſchaft in die Haͤnde fiel, unterbrach unſere
Wortforſchung, und wir giengen aus einander.
So bald ich in mein Quartier kam, ſuchte ich
meinen verhungerten Patrioten auf, dem ich die
zweyte Auflage von der gegenwaͤrtigen Schrift de-
diciren werde, und der mit mir in einem Hauſe
lebt. Jch kletterte nicht ohne Lebensgefahr fuͤnf
Treppen hinauf, wo er in einer Kammer unter
dem Dache wohnt. Jch traf ihn eben bey der
Abendmahlzeit an, da er einen Hering, voll Ver-
druß uͤber die verderbte Welt, doch mit ziemli-
chem Appetit verzehrte. Jch erzaͤhlte ihm die
Urſachen meines ſo ſpaͤten Beſuchs, uͤber den er
ſich zu wundern ſchien. Jch machte ihm eine Be-
ſchreibung von meiner Geſellſchaft, und von den
neuen Wahrheiten, die ein jeder von ihnen bey
dem Spruͤchworte ausfindig gemacht hatte.
„Da ſehn ſie es, ſagte er; nun werden ſie
„mir bald Recht geben. Sie ſind nur zufaͤlliger
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/87>, abgerufen am 21.11.2024.
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