und dieser naht sich ihm mit Ehrfurcht und Ver- trauen.
Unsere Statue gibt diesen Begriff mehr als jede andere dieses Gottes; aber sie läßt doch die Vermu- thung übrig, daß sie Wiederholung einer weit vor- züglicheren sey, die verlohren gegangen ist. Sie ist sitzend vorgestellt. Kopf und Leib sind die schönsten Theile. Die Falten des Gewandes, das um die Hüften geworfen ist, mit einem Faltenschlage in gros- sem Stile, zeigt das Nackte sehr gut an.
Wahrscheinlich hat dies Stück ehemals eine höhere Ausstellung gehabt, wodurch die Beine von unten gesehen dem Auge entzogen gewesen sind. Sie find vernachläßigt; die Arme aber neu.
Die Statue steht dem Zuschauer an dem gegen- wärtigen Orte zu nah, und in einem wenig vortheil- haften Lichte. Um sie recht zu beurtheilen, muß man sie bei Fackeln sehen.
+ Cleopatra. Unter diesem Nahmen ist eineCleopatra. liegende weibliche Figur bekannt, die am Arme eine Schlange trägt. Diese Schlange ist ein bloßes Arm- band, denn ich habe in Florenz und Portici zwar nicht Armbänder, aber doch Ringe von ähnlicher Form gesehen. Wie käme auch die Schlange an den Arm?
Daß folglich diese Figur eine Cleopatra nicht vor- stelle, bleibt bei mir gewiß; was sie aber dagegen würklich vorstelle, getraue ich mir nicht zu ent- scheiden. 28)
Für
28) Winkelmann G. d. K. S. 785. äußert die Vermu- thung, daß diese Figur entweder eine schlafende
Nymphe
G 5
Der Vaticaniſche Pallaſt.
und dieſer naht ſich ihm mit Ehrfurcht und Ver- trauen.
Unſere Statue gibt dieſen Begriff mehr als jede andere dieſes Gottes; aber ſie laͤßt doch die Vermu- thung uͤbrig, daß ſie Wiederholung einer weit vor- zuͤglicheren ſey, die verlohren gegangen iſt. Sie iſt ſitzend vorgeſtellt. Kopf und Leib ſind die ſchoͤnſten Theile. Die Falten des Gewandes, das um die Huͤften geworfen iſt, mit einem Faltenſchlage in groſ- ſem Stile, zeigt das Nackte ſehr gut an.
Wahrſcheinlich hat dies Stuͤck ehemals eine hoͤhere Auſſtellung gehabt, wodurch die Beine von unten geſehen dem Auge entzogen geweſen ſind. Sie find vernachlaͤßigt; die Arme aber neu.
Die Statue ſteht dem Zuſchauer an dem gegen- waͤrtigen Orte zu nah, und in einem wenig vortheil- haften Lichte. Um ſie recht zu beurtheilen, muß man ſie bei Fackeln ſehen.
† Cleopatra. Unter dieſem Nahmen iſt eineCleopatra. liegende weibliche Figur bekannt, die am Arme eine Schlange traͤgt. Dieſe Schlange iſt ein bloßes Arm- band, denn ich habe in Florenz und Portici zwar nicht Armbaͤnder, aber doch Ringe von aͤhnlicher Form geſehen. Wie kaͤme auch die Schlange an den Arm?
Daß folglich dieſe Figur eine Cleopatra nicht vor- ſtelle, bleibt bei mir gewiß; was ſie aber dagegen wuͤrklich vorſtelle, getraue ich mir nicht zu ent- ſcheiden. 28)
Fuͤr
28) Winkelmann G. d. K. S. 785. aͤußert die Vermu- thung, daß dieſe Figur entweder eine ſchlafende
Nymphe
G 5
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Der Vaticaniſche Pallaſt.
und dieſer naht ſich ihm mit Ehrfurcht und Ver-
trauen.
Unſere Statue gibt dieſen Begriff mehr als jede
andere dieſes Gottes; aber ſie laͤßt doch die Vermu-
thung uͤbrig, daß ſie Wiederholung einer weit vor-
zuͤglicheren ſey, die verlohren gegangen iſt. Sie iſt
ſitzend vorgeſtellt. Kopf und Leib ſind die ſchoͤnſten
Theile. Die Falten des Gewandes, das um die
Huͤften geworfen iſt, mit einem Faltenſchlage in groſ-
ſem Stile, zeigt das Nackte ſehr gut an.
Wahrſcheinlich hat dies Stuͤck ehemals eine
hoͤhere Auſſtellung gehabt, wodurch die Beine von
unten geſehen dem Auge entzogen geweſen ſind. Sie
find vernachlaͤßigt; die Arme aber neu.
Die Statue ſteht dem Zuſchauer an dem gegen-
waͤrtigen Orte zu nah, und in einem wenig vortheil-
haften Lichte. Um ſie recht zu beurtheilen, muß
man ſie bei Fackeln ſehen.
† Cleopatra. Unter dieſem Nahmen iſt eine
liegende weibliche Figur bekannt, die am Arme eine
Schlange traͤgt. Dieſe Schlange iſt ein bloßes Arm-
band, denn ich habe in Florenz und Portici zwar
nicht Armbaͤnder, aber doch Ringe von aͤhnlicher
Form geſehen. Wie kaͤme auch die Schlange an
den Arm?
Cleopatra.
Daß folglich dieſe Figur eine Cleopatra nicht vor-
ſtelle, bleibt bei mir gewiß; was ſie aber dagegen
wuͤrklich vorſtelle, getraue ich mir nicht zu ent-
ſcheiden. 28)
Fuͤr
28) Winkelmann G. d. K. S. 785. aͤußert die Vermu-
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/127>, abgerufen am 22.07.2024.
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