Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.Der Vaticanische Pallast. Achtung auch Raphaels Geschmack an dieser Art vonVerzierung verdient; ich kann doch nicht umhin, mich auf die Seite des Vitruvius zu stellen, und so wie dieser über den herrschenden Geschmack seiner Zeiten an diesen seltsamen Vorstellungen seine Unzufriedenheit bezeugte, über ein ähnliches Verderbniß zu der mei- nigen Klage zu erheben. Wie einförmig ist nicht ungeachtet aller Abwech- Freilich sind Arabesken, wie sie Raphael mahlte, gleicher 40) In unsern nördlichen Gegenden findet dieses eine
Ausnahme. Hier sind sie Nothbehelf. Denn wenn hier auch zuweilen ein Reicher im Stande ist, das Talent zu lohnen, so ist das Talent selten, das den Lohn verdient. Der Vaticaniſche Pallaſt. Achtung auch Raphaels Geſchmack an dieſer Art vonVerzierung verdient; ich kann doch nicht umhin, mich auf die Seite des Vitruvius zu ſtellen, und ſo wie dieſer uͤber den herrſchenden Geſchmack ſeiner Zeiten an dieſen ſeltſamen Vorſtellungen ſeine Unzufriedenheit bezeugte, uͤber ein aͤhnliches Verderbniß zu der mei- nigen Klage zu erheben. Wie einfoͤrmig iſt nicht ungeachtet aller Abwech- Freilich ſind Arabeſken, wie ſie Raphael mahlte, gleicher 40) In unſern noͤrdlichen Gegenden findet dieſes eine
Ausnahme. Hier ſind ſie Nothbehelf. Denn wenn hier auch zuweilen ein Reicher im Stande iſt, das Talent zu lohnen, ſo iſt das Talent ſelten, das den Lohn verdient. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0152" n="130"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Vaticaniſche Pallaſt.</hi></fw><lb/> Achtung auch Raphaels Geſchmack an dieſer Art von<lb/> Verzierung verdient; ich kann doch nicht umhin, mich<lb/> auf die Seite des Vitruvius zu ſtellen, und ſo wie<lb/> dieſer uͤber den herrſchenden Geſchmack ſeiner Zeiten an<lb/> dieſen ſeltſamen Vorſtellungen ſeine Unzufriedenheit<lb/> bezeugte, uͤber ein aͤhnliches Verderbniß zu der mei-<lb/> nigen Klage zu erheben.</p><lb/> <p>Wie einfoͤrmig iſt nicht ungeachtet aller Abwech-<lb/> ſelung, die man in die Formen zu bringen ſucht, dieſe<lb/> Art, die Waͤnde zu bedecken? Was ſagt ſie unſerm<lb/> Geiſte? Ich billige, daß man Landhaͤuſer, Cabinets,<lb/> Boudoirs damit ausziere; ſie ſchicken ſich hieher ihrer<lb/> leichten Zierlichkeit wegen; aber wenn man die Waͤnde,<lb/> die Plafonds großer Pallaͤſte, den einzigen Ort, wo<lb/> der Kuͤnſtler noch ein Feld zu Ausfuͤhrung großer<lb/> Compoſitionen findet, an Handwerker, an Decora-<lb/> tionsmahler verſchwendet, das geht mir nahe. <note place="foot" n="40)">In unſern noͤrdlichen Gegenden findet dieſes eine<lb/> Ausnahme. Hier ſind ſie Nothbehelf. Denn wenn<lb/> hier auch zuweilen ein Reicher im Stande iſt, das<lb/> Talent zu lohnen, ſo iſt das Talent ſelten, das den<lb/> Lohn verdient.</note></p><lb/> <p>Freilich ſind Arabeſken, wie ſie Raphael mahlte,<lb/> nur in Vergleichung mit ſeinen uͤbrigen Werken Ar-<lb/> beiten des Handwerkers. Ob er gleich die Veranlaſ-<lb/> ſung zu dieſer Art von Zierrathen in den Baͤdern des<lb/> Titus fand, ſo bereicherte er ſie doch mit ſo vielen neuen<lb/> Geſchoͤpfen ſeiner Einbildungskraft, daß ſchon dieſe<lb/> allein ihm <choice><sic>deu</sic><corr>den</corr></choice> Nahmen eines Genies ſichern koͤnnten.<lb/> Sein Schuͤler Giovanni Nanni da Udina fuͤhrte ſeine<lb/> Ideen aus, und er war gluͤcklich genung, in ihm zu<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gleicher</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0152]
Der Vaticaniſche Pallaſt.
Achtung auch Raphaels Geſchmack an dieſer Art von
Verzierung verdient; ich kann doch nicht umhin, mich
auf die Seite des Vitruvius zu ſtellen, und ſo wie
dieſer uͤber den herrſchenden Geſchmack ſeiner Zeiten an
dieſen ſeltſamen Vorſtellungen ſeine Unzufriedenheit
bezeugte, uͤber ein aͤhnliches Verderbniß zu der mei-
nigen Klage zu erheben.
Wie einfoͤrmig iſt nicht ungeachtet aller Abwech-
ſelung, die man in die Formen zu bringen ſucht, dieſe
Art, die Waͤnde zu bedecken? Was ſagt ſie unſerm
Geiſte? Ich billige, daß man Landhaͤuſer, Cabinets,
Boudoirs damit ausziere; ſie ſchicken ſich hieher ihrer
leichten Zierlichkeit wegen; aber wenn man die Waͤnde,
die Plafonds großer Pallaͤſte, den einzigen Ort, wo
der Kuͤnſtler noch ein Feld zu Ausfuͤhrung großer
Compoſitionen findet, an Handwerker, an Decora-
tionsmahler verſchwendet, das geht mir nahe. 40)
Freilich ſind Arabeſken, wie ſie Raphael mahlte,
nur in Vergleichung mit ſeinen uͤbrigen Werken Ar-
beiten des Handwerkers. Ob er gleich die Veranlaſ-
ſung zu dieſer Art von Zierrathen in den Baͤdern des
Titus fand, ſo bereicherte er ſie doch mit ſo vielen neuen
Geſchoͤpfen ſeiner Einbildungskraft, daß ſchon dieſe
allein ihm den Nahmen eines Genies ſichern koͤnnten.
Sein Schuͤler Giovanni Nanni da Udina fuͤhrte ſeine
Ideen aus, und er war gluͤcklich genung, in ihm zu
gleicher
40) In unſern noͤrdlichen Gegenden findet dieſes eine
Ausnahme. Hier ſind ſie Nothbehelf. Denn wenn
hier auch zuweilen ein Reicher im Stande iſt, das
Talent zu lohnen, ſo iſt das Talent ſelten, das den
Lohn verdient.
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