Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.Das Capitol. Dem Liebhaber der Kunst stellt sie einen sterben- Aus- Grund, den Winkelmann a) zur Widerlegung dieser Meinung angibt, thut mir kein Genüge, so wenig als seine neue Erklärung. Denn daß gerade diese Statue aus den blühendsten Zeiten der Kunst unter den Griechen seyn müsse, in denen keine Fechter- spiele bekannt waren, läßt sich so wenig von dieser als von den meisten andern Statuen mit Zuverläs- sigkeit behaupten. Daß Ctesilas, unter dessen Sta- tuen ein vulneratus deficiens berühmt war, keinen Fechter gebildet habe, will ich gern glauben. Aber daraus folgt noch nicht, daß unsere Statue nicht von einer andern Hand nach einem Fechter gebildet seyn könnte. Was seine Erklärung anbetrifft, daß nämlich diese Figur nach dem Stricke um den Hals und dem Horne zu urtheilen, ein Herold sey, und zwar ein bestimmter Herold aus der Geschichte: So hat der Herr Hofrath Heyne b) das Gewagte dieser Muthmaßung hinreichend gezeigt. Da der Herr Hofrath Heyne an gedachter Stelle wünscht, daß Reisende genau darauf achten möchten, was an dieser Statue alt oder neu sey; so will ich diejenigen Bemerkungen hersetzen, die ich darüber zu machen Gelegenheit gefunden habe. Die Hauptschwierigkeit bei dieser Figur macht der Kopf, dessen Knebelbart die Antiquarier so wenig als den Strick um den Hals zu erklären wissen. Daß a) Gesch. d. K. S. 661. b) Antiquar. Abhandl. H. St. S. 233
Das Capitol. Dem Liebhaber der Kunſt ſtellt ſie einen ſterben- Aus- Grund, den Winkelmann a) zur Widerlegung dieſer Meinung angibt, thut mir kein Genuͤge, ſo wenig als ſeine neue Erklaͤrung. Denn daß gerade dieſe Statue aus den bluͤhendſten Zeiten der Kunſt unter den Griechen ſeyn muͤſſe, in denen keine Fechter- ſpiele bekannt waren, laͤßt ſich ſo wenig von dieſer als von den meiſten andern Statuen mit Zuverlaͤſ- ſigkeit behaupten. Daß Cteſilas, unter deſſen Sta- tuen ein vulneratus deficiens beruͤhmt war, keinen Fechter gebildet habe, will ich gern glauben. Aber daraus folgt noch nicht, daß unſere Statue nicht von einer andern Hand nach einem Fechter gebildet ſeyn koͤnnte. Was ſeine Erklaͤrung anbetrifft, daß naͤmlich dieſe Figur nach dem Stricke um den Hals und dem Horne zu urtheilen, ein Herold ſey, und zwar ein beſtimmter Herold aus der Geſchichte: So hat der Herr Hofrath Heyne b) das Gewagte dieſer Muthmaßung hinreichend gezeigt. Da der Herr Hofrath Heyne an gedachter Stelle wuͤnſcht, daß Reiſende genau darauf achten moͤchten, was an dieſer Statue alt oder neu ſey; ſo will ich diejenigen Bemerkungen herſetzen, die ich daruͤber zu machen Gelegenheit gefunden habe. Die Hauptſchwierigkeit bei dieſer Figur macht der Kopf, deſſen Knebelbart die Antiquarier ſo wenig als den Strick um den Hals zu erklaͤren wiſſen. Daß a) Geſch. d. K. S. 661. b) Antiquar. Abhandl. H. St. S. 233
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0243" n="221"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das Capitol.</hi> </fw><lb/> <p>Dem Liebhaber der Kunſt ſtellt ſie einen ſterben-<lb/> den Menſchen vor, der niedergefallen, noch einmahl<lb/> alle ſeine Kraͤfte zuſammenrafft, um ſich wieder em-<lb/> por zu heben, aber unter Schwaͤche erliegt. Dieſer<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Aus-</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_8_2" prev="#seg2pn_8_1" place="foot" n="23)">Grund, den Winkelmann <note place="foot" n="a)">Geſch. d. K. S. 661.</note> zur Widerlegung dieſer<lb/> Meinung angibt, thut mir kein Genuͤge, ſo wenig<lb/> als ſeine neue Erklaͤrung. Denn daß gerade dieſe<lb/> Statue aus den bluͤhendſten Zeiten der Kunſt unter<lb/> den Griechen ſeyn muͤſſe, in denen keine Fechter-<lb/> ſpiele bekannt waren, laͤßt ſich ſo wenig von dieſer<lb/> als von den meiſten andern Statuen mit Zuverlaͤſ-<lb/> ſigkeit behaupten. Daß Cteſilas, unter deſſen Sta-<lb/> tuen ein <hi rendition="#aq">vulneratus deficiens</hi> beruͤhmt war, keinen<lb/> Fechter gebildet habe, will ich gern glauben. Aber<lb/> daraus folgt noch nicht, daß unſere Statue nicht<lb/> von einer andern Hand nach einem Fechter gebildet<lb/> ſeyn koͤnnte. Was ſeine Erklaͤrung anbetrifft, daß<lb/> naͤmlich dieſe Figur nach dem Stricke um den Hals<lb/> und dem Horne zu urtheilen, ein Herold ſey, und<lb/> zwar ein beſtimmter Herold aus der Geſchichte:<lb/> So hat der Herr Hofrath Heyne <note xml:id="seg2pn_9_1" next="#seg2pn_9_2" place="foot" n="b)">Antiquar. Abhandl. <hi rendition="#aq">H.</hi> St. S. 233</note> das Gewagte<lb/> dieſer Muthmaßung hinreichend gezeigt.<lb/> Da der Herr Hofrath Heyne an gedachter Stelle<lb/> wuͤnſcht, daß Reiſende genau darauf achten moͤchten,<lb/> was an dieſer Statue alt oder neu ſey; ſo will ich<lb/> diejenigen Bemerkungen herſetzen, die ich daruͤber<lb/> zu machen Gelegenheit gefunden habe.<lb/> Die Hauptſchwierigkeit bei dieſer Figur macht der<lb/> Kopf, deſſen Knebelbart die Antiquarier ſo wenig<lb/> als den Strick um den Hals zu erklaͤren wiſſen.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Daß</fw></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0243]
Das Capitol.
Dem Liebhaber der Kunſt ſtellt ſie einen ſterben-
den Menſchen vor, der niedergefallen, noch einmahl
alle ſeine Kraͤfte zuſammenrafft, um ſich wieder em-
por zu heben, aber unter Schwaͤche erliegt. Dieſer
Aus-
23)
23) Grund, den Winkelmann a) zur Widerlegung dieſer
Meinung angibt, thut mir kein Genuͤge, ſo wenig
als ſeine neue Erklaͤrung. Denn daß gerade dieſe
Statue aus den bluͤhendſten Zeiten der Kunſt unter
den Griechen ſeyn muͤſſe, in denen keine Fechter-
ſpiele bekannt waren, laͤßt ſich ſo wenig von dieſer
als von den meiſten andern Statuen mit Zuverlaͤſ-
ſigkeit behaupten. Daß Cteſilas, unter deſſen Sta-
tuen ein vulneratus deficiens beruͤhmt war, keinen
Fechter gebildet habe, will ich gern glauben. Aber
daraus folgt noch nicht, daß unſere Statue nicht
von einer andern Hand nach einem Fechter gebildet
ſeyn koͤnnte. Was ſeine Erklaͤrung anbetrifft, daß
naͤmlich dieſe Figur nach dem Stricke um den Hals
und dem Horne zu urtheilen, ein Herold ſey, und
zwar ein beſtimmter Herold aus der Geſchichte:
So hat der Herr Hofrath Heyne b) das Gewagte
dieſer Muthmaßung hinreichend gezeigt.
Da der Herr Hofrath Heyne an gedachter Stelle
wuͤnſcht, daß Reiſende genau darauf achten moͤchten,
was an dieſer Statue alt oder neu ſey; ſo will ich
diejenigen Bemerkungen herſetzen, die ich daruͤber
zu machen Gelegenheit gefunden habe.
Die Hauptſchwierigkeit bei dieſer Figur macht der
Kopf, deſſen Knebelbart die Antiquarier ſo wenig
als den Strick um den Hals zu erklaͤren wiſſen.
Daß
a) Geſch. d. K. S. 661.
b) Antiquar. Abhandl. H. St. S. 233
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |