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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Das Capitol.

Großer Saal.

Die beiden Päbste Innocenz X. und Cle-
mens
XII. aus Bronze. Die Statue Innocenz
des X. ist vom Algardi, und hat den Vorzug einer
sehr weisen und wohlverstandenen Composition. Sie
ist auch sehr richtig gezeichnet. Inzwischen scheinet
ein Mantel von reichem Stoffe nie ein schicklicher Ge-
genstand für den Meissel zu seyn. Er gibt große häß-
liche Massen von Falten, die eher Felsen als Gewän-
dern gleichen.

Die Bild-
hauerkunst
folgt in der
Wahl der
Gewänder
andern Ge-
setzen als die
Mahlerei.

Die Bemerkung, daß in der Mahlerei diese gros-
sen Flächen sehr geschickt sind, das Licht oder den
Schatten zusammen zu halten, hat die Bildhauer,
welche die Gränzen ihrer Kunst verkannten, zur Nach-
ahmung dieser Behandlung der Gewänder verführt.
Allein sie haben dadurch nicht allein dem Auge dasje-
nige entzogen, was es in der Bildhauerei am liebsten
zu sehen wünscht, die Formen nackter Körper, son-
dern sie haben auch die Wahrheit in Darstellung der
Stoffe verfehlt, welche in der Mahlerei durch Farben
sinnlich gemacht werden, in der Bildhauerei aber
durch die Schlaffheit, womit sie sich den Formen
fester Körper anschmiegen.

Der Ludo-
visische Fech-
ter.

+ Der sterbende Fechter, sonst auch der Lu-
dovisische genannt, weil er ehemals in der Villa Ludo-
visi stand. In Ansehung der historischen Bedeutung
dieser Statue beziehe ich mich auf die Note. 23)

Dem
23) Ich gestehe, daß ich mich an die Benennung des
Fechters halte, weil ich keine schicklichere weiß. Der
Grund,
Das Capitol.

Großer Saal.

Die beiden Paͤbſte Innocenz X. und Cle-
mens
XII. aus Bronze. Die Statue Innocenz
des X. iſt vom Algardi, und hat den Vorzug einer
ſehr weiſen und wohlverſtandenen Compoſition. Sie
iſt auch ſehr richtig gezeichnet. Inzwiſchen ſcheinet
ein Mantel von reichem Stoffe nie ein ſchicklicher Ge-
genſtand fuͤr den Meiſſel zu ſeyn. Er gibt große haͤß-
liche Maſſen von Falten, die eher Felſen als Gewaͤn-
dern gleichen.

Die Bild-
hauerkunſt
folgt in der
Wahl der
Gewaͤnder
andern Ge-
ſetzen als die
Mahlerei.

Die Bemerkung, daß in der Mahlerei dieſe groſ-
ſen Flaͤchen ſehr geſchickt ſind, das Licht oder den
Schatten zuſammen zu halten, hat die Bildhauer,
welche die Graͤnzen ihrer Kunſt verkannten, zur Nach-
ahmung dieſer Behandlung der Gewaͤnder verfuͤhrt.
Allein ſie haben dadurch nicht allein dem Auge dasje-
nige entzogen, was es in der Bildhauerei am liebſten
zu ſehen wuͤnſcht, die Formen nackter Koͤrper, ſon-
dern ſie haben auch die Wahrheit in Darſtellung der
Stoffe verfehlt, welche in der Mahlerei durch Farben
ſinnlich gemacht werden, in der Bildhauerei aber
durch die Schlaffheit, womit ſie ſich den Formen
feſter Koͤrper anſchmiegen.

Der Ludo-
viſiſche Fech-
ter.

Der ſterbende Fechter, ſonſt auch der Lu-
doviſiſche genannt, weil er ehemals in der Villa Ludo-
viſi ſtand. In Anſehung der hiſtoriſchen Bedeutung
dieſer Statue beziehe ich mich auf die Note. 23)

Dem
23) Ich geſtehe, daß ich mich an die Benennung des
Fechters halte, weil ich keine ſchicklichere weiß. Der
Grund,
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[220/0242] Das Capitol. Großer Saal. Die beiden Paͤbſte Innocenz X. und Cle- mens XII. aus Bronze. Die Statue Innocenz des X. iſt vom Algardi, und hat den Vorzug einer ſehr weiſen und wohlverſtandenen Compoſition. Sie iſt auch ſehr richtig gezeichnet. Inzwiſchen ſcheinet ein Mantel von reichem Stoffe nie ein ſchicklicher Ge- genſtand fuͤr den Meiſſel zu ſeyn. Er gibt große haͤß- liche Maſſen von Falten, die eher Felſen als Gewaͤn- dern gleichen. Die Bemerkung, daß in der Mahlerei dieſe groſ- ſen Flaͤchen ſehr geſchickt ſind, das Licht oder den Schatten zuſammen zu halten, hat die Bildhauer, welche die Graͤnzen ihrer Kunſt verkannten, zur Nach- ahmung dieſer Behandlung der Gewaͤnder verfuͤhrt. Allein ſie haben dadurch nicht allein dem Auge dasje- nige entzogen, was es in der Bildhauerei am liebſten zu ſehen wuͤnſcht, die Formen nackter Koͤrper, ſon- dern ſie haben auch die Wahrheit in Darſtellung der Stoffe verfehlt, welche in der Mahlerei durch Farben ſinnlich gemacht werden, in der Bildhauerei aber durch die Schlaffheit, womit ſie ſich den Formen feſter Koͤrper anſchmiegen. † Der ſterbende Fechter, ſonſt auch der Lu- doviſiſche genannt, weil er ehemals in der Villa Ludo- viſi ſtand. In Anſehung der hiſtoriſchen Bedeutung dieſer Statue beziehe ich mich auf die Note. 23) Dem 23) Ich geſtehe, daß ich mich an die Benennung des Fechters halte, weil ich keine ſchicklichere weiß. Der Grund,

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/242>, abgerufen am 28.11.2024.