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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Villa Borghese.
genen Sieges, auf alle die folgenden die sie gewährte,
bezeichnete.

Wahrscheinlich hat auch die Geschlechtsableitung
der Cäsaren von der Venus die häufigen Statuen die-
ser Göttin, von denen sich auch jetzt noch so viele fin-
den, veranlaßt.

Inzwischen kann man auch mit eben so vieler
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß ein großer Theil
dieser Figuren bloße Tronke weiblicher Körper ohne
alle Bestimmung, vielleicht Portraitstatuen schöner
Frauen gewesen sind, die der neuere Künstler zu Bil-
dern der Venus umgeschaffen hat.

Am wenigsten darf man sich an die verschiedenen
Beinahmen kehren, die man den neuergänzten Sta-
tuen hat geben, und darnach besondere Vorstellungs-
arten der Venus bestimmen wollen. Es ist von den
wenigsten dieser Benennungen erwiesen, daß sie in al-
ten Zeiten durch besondere Abweichungen in der Dar-
stellung unterschieden sind.

Charakter
der Venus.

Dem Künstler war die Venus, das Ideal der
weiblichen Schönheit mit Reitz. Dieses suchte er in
mannichfaltiger Stellung, Handlung, und Ausdruck
dem Auge darzustellen. Wir Liebhaber übergehen
also alle die Benennungen der Urania, Cnidia, Pon-
tia, Marina, Anadyomene, Genitrix u. s. w. Nur
dann, wenn wir durch die Attribute auf eine von
andern Vorstellungsarten abweichende Idee des Künst-
Bedeutung
der Venus
in der My-
thologie.
lers geführet werden, bedienen wir uns eines besondern
Nahmens als Wiedererkennungszeichens. Als Sym-
bol der Natur, des Werdens der Erde nachdem sich
die flüssigen Theile des Chaos von den solideren ge-

trennt

Villa Borgheſe.
genen Sieges, auf alle die folgenden die ſie gewaͤhrte,
bezeichnete.

Wahrſcheinlich hat auch die Geſchlechtsableitung
der Caͤſaren von der Venus die haͤufigen Statuen die-
ſer Goͤttin, von denen ſich auch jetzt noch ſo viele fin-
den, veranlaßt.

Inzwiſchen kann man auch mit eben ſo vieler
Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß ein großer Theil
dieſer Figuren bloße Tronke weiblicher Koͤrper ohne
alle Beſtimmung, vielleicht Portraitſtatuen ſchoͤner
Frauen geweſen ſind, die der neuere Kuͤnſtler zu Bil-
dern der Venus umgeſchaffen hat.

Am wenigſten darf man ſich an die verſchiedenen
Beinahmen kehren, die man den neuergaͤnzten Sta-
tuen hat geben, und darnach beſondere Vorſtellungs-
arten der Venus beſtimmen wollen. Es iſt von den
wenigſten dieſer Benennungen erwieſen, daß ſie in al-
ten Zeiten durch beſondere Abweichungen in der Dar-
ſtellung unterſchieden ſind.

Charakter
der Venus.

Dem Kuͤnſtler war die Venus, das Ideal der
weiblichen Schoͤnheit mit Reitz. Dieſes ſuchte er in
mannichfaltiger Stellung, Handlung, und Ausdruck
dem Auge darzuſtellen. Wir Liebhaber uͤbergehen
alſo alle die Benennungen der Urania, Cnidia, Pon-
tia, Marina, Anadyomene, Genitrix u. ſ. w. Nur
dann, wenn wir durch die Attribute auf eine von
andern Vorſtellungsarten abweichende Idee des Kuͤnſt-
Bedeutung
der Venus
in der My-
thologie.
lers gefuͤhret werden, bedienen wir uns eines beſondern
Nahmens als Wiedererkennungszeichens. Als Sym-
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die fluͤſſigen Theile des Chaos von den ſolideren ge-

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[316/0338] Villa Borgheſe. genen Sieges, auf alle die folgenden die ſie gewaͤhrte, bezeichnete. Wahrſcheinlich hat auch die Geſchlechtsableitung der Caͤſaren von der Venus die haͤufigen Statuen die- ſer Goͤttin, von denen ſich auch jetzt noch ſo viele fin- den, veranlaßt. Inzwiſchen kann man auch mit eben ſo vieler Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß ein großer Theil dieſer Figuren bloße Tronke weiblicher Koͤrper ohne alle Beſtimmung, vielleicht Portraitſtatuen ſchoͤner Frauen geweſen ſind, die der neuere Kuͤnſtler zu Bil- dern der Venus umgeſchaffen hat. Am wenigſten darf man ſich an die verſchiedenen Beinahmen kehren, die man den neuergaͤnzten Sta- tuen hat geben, und darnach beſondere Vorſtellungs- arten der Venus beſtimmen wollen. Es iſt von den wenigſten dieſer Benennungen erwieſen, daß ſie in al- ten Zeiten durch beſondere Abweichungen in der Dar- ſtellung unterſchieden ſind. Dem Kuͤnſtler war die Venus, das Ideal der weiblichen Schoͤnheit mit Reitz. Dieſes ſuchte er in mannichfaltiger Stellung, Handlung, und Ausdruck dem Auge darzuſtellen. Wir Liebhaber uͤbergehen alſo alle die Benennungen der Urania, Cnidia, Pon- tia, Marina, Anadyomene, Genitrix u. ſ. w. Nur dann, wenn wir durch die Attribute auf eine von andern Vorſtellungsarten abweichende Idee des Kuͤnſt- lers gefuͤhret werden, bedienen wir uns eines beſondern Nahmens als Wiedererkennungszeichens. Als Sym- bol der Natur, des Werdens der Erde nachdem ſich die fluͤſſigen Theile des Chaos von den ſolideren ge- trennt Bedeutung der Venus in der My- thologie.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/338>, abgerufen am 22.11.2024.