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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
Natur nachgeahmt zu haben scheinen, und daher eher
das Geordnete und Regelmäßige als das Wahre in
ihre Figuren brachten. Hingegen die Aegyptier schei-
nen die Natur nach dem Augenmaaße nachgeahmt zu
haben, theilweise, ohne örtliches Verhältniß, ohne
Uebereinstimmung; etwa wie Kinder, die bei ihren
rohen Versuchen die einzelnen Theile, die sie treffen,
in ein wahres Ganze nicht zu vereinigen wissen. Da-
her das Scharfe, Eckigte, Gradlinigte in den älteren
Griechischen Werken; daher das Rundliche, Unbe-
stimmte, Wellenförmige in den Aegyptischen.

Die ersten erscheinen wie Geschöpfe der Einbil-
dungskraft, wie Wesen, deren Art wir nicht kennen:
Die andern wie mißrathene Nachahmungen würklicher
und bekannter Geschöpfe.

Man findet außerdem an den Aegyptischen Figu-
ren eine gezogene Physiognomie, länglichte in den
Winkeln hinauf gezerrte Augenlieder nach Art derjeni-
gen, die wir auf Chinesischen Gemählden sehen, hohe
Backenknochen, platte zuweilen eingebogene Nasen,
einen zurückweichenden kleinlichen Kinn, hochliegende
durch den Schleier gepreßte Ohren, große Brüste,
schlauchartige Arme, schmaale Lenden, platte Füße
mit langen Zehen.

Diese sonderbaren Formen sind zum Theil dem
individuellen Charakter der Vorbilder ihrer Nachah-
mung, zum Theil aber auch der Art, wie sie nach-
ahmten, zuzuschreiben.

Die Bekleidung ist zuweilen durch bloße Ringe
um die Knöchel der Gelenke an Füßen und Händen,
und auf den Brüsten durch eingeschnittene Strahlen
wie Speichen der Räder angegeben; zuweilen, (und

vielleicht

Der Vaticaniſche Pallaſt.
Natur nachgeahmt zu haben ſcheinen, und daher eher
das Geordnete und Regelmaͤßige als das Wahre in
ihre Figuren brachten. Hingegen die Aegyptier ſchei-
nen die Natur nach dem Augenmaaße nachgeahmt zu
haben, theilweiſe, ohne oͤrtliches Verhaͤltniß, ohne
Uebereinſtimmung; etwa wie Kinder, die bei ihren
rohen Verſuchen die einzelnen Theile, die ſie treffen,
in ein wahres Ganze nicht zu vereinigen wiſſen. Da-
her das Scharfe, Eckigte, Gradlinigte in den aͤlteren
Griechiſchen Werken; daher das Rundliche, Unbe-
ſtimmte, Wellenfoͤrmige in den Aegyptiſchen.

Die erſten erſcheinen wie Geſchoͤpfe der Einbil-
dungskraft, wie Weſen, deren Art wir nicht kennen:
Die andern wie mißrathene Nachahmungen wuͤrklicher
und bekannter Geſchoͤpfe.

Man findet außerdem an den Aegyptiſchen Figu-
ren eine gezogene Phyſiognomie, laͤnglichte in den
Winkeln hinauf gezerrte Augenlieder nach Art derjeni-
gen, die wir auf Chineſiſchen Gemaͤhlden ſehen, hohe
Backenknochen, platte zuweilen eingebogene Naſen,
einen zuruͤckweichenden kleinlichen Kinn, hochliegende
durch den Schleier gepreßte Ohren, große Bruͤſte,
ſchlauchartige Arme, ſchmaale Lenden, platte Fuͤße
mit langen Zehen.

Dieſe ſonderbaren Formen ſind zum Theil dem
individuellen Charakter der Vorbilder ihrer Nachah-
mung, zum Theil aber auch der Art, wie ſie nach-
ahmten, zuzuſchreiben.

Die Bekleidung iſt zuweilen durch bloße Ringe
um die Knoͤchel der Gelenke an Fuͤßen und Haͤnden,
und auf den Bruͤſten durch eingeſchnittene Strahlen
wie Speichen der Raͤder angegeben; zuweilen, (und

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[46/0068] Der Vaticaniſche Pallaſt. Natur nachgeahmt zu haben ſcheinen, und daher eher das Geordnete und Regelmaͤßige als das Wahre in ihre Figuren brachten. Hingegen die Aegyptier ſchei- nen die Natur nach dem Augenmaaße nachgeahmt zu haben, theilweiſe, ohne oͤrtliches Verhaͤltniß, ohne Uebereinſtimmung; etwa wie Kinder, die bei ihren rohen Verſuchen die einzelnen Theile, die ſie treffen, in ein wahres Ganze nicht zu vereinigen wiſſen. Da- her das Scharfe, Eckigte, Gradlinigte in den aͤlteren Griechiſchen Werken; daher das Rundliche, Unbe- ſtimmte, Wellenfoͤrmige in den Aegyptiſchen. Die erſten erſcheinen wie Geſchoͤpfe der Einbil- dungskraft, wie Weſen, deren Art wir nicht kennen: Die andern wie mißrathene Nachahmungen wuͤrklicher und bekannter Geſchoͤpfe. Man findet außerdem an den Aegyptiſchen Figu- ren eine gezogene Phyſiognomie, laͤnglichte in den Winkeln hinauf gezerrte Augenlieder nach Art derjeni- gen, die wir auf Chineſiſchen Gemaͤhlden ſehen, hohe Backenknochen, platte zuweilen eingebogene Naſen, einen zuruͤckweichenden kleinlichen Kinn, hochliegende durch den Schleier gepreßte Ohren, große Bruͤſte, ſchlauchartige Arme, ſchmaale Lenden, platte Fuͤße mit langen Zehen. Dieſe ſonderbaren Formen ſind zum Theil dem individuellen Charakter der Vorbilder ihrer Nachah- mung, zum Theil aber auch der Art, wie ſie nach- ahmten, zuzuſchreiben. Die Bekleidung iſt zuweilen durch bloße Ringe um die Knoͤchel der Gelenke an Fuͤßen und Haͤnden, und auf den Bruͤſten durch eingeſchnittene Strahlen wie Speichen der Raͤder angegeben; zuweilen, (und vielleicht

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/68>, abgerufen am 21.11.2024.