Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.Der Vaticanische Pallast. Schlangen von ungewöhnlicher Größe, den Vatermit seinen Kindern umschlingen, und sie mit schmerz- haften Bissen anfallen. Dies ist der Zeitpunkt, den der Künstler aus der Geschichte zur Darstellung ge- wählt hat. Er konnte nicht glücklicher wählen. Der Vater Der Vater, der jetzt den ersten Biß der Schlange Der 6) Wir haben eine vortreffliche Beschreibung des Lao- coon D 5
Der Vaticaniſche Pallaſt. Schlangen von ungewoͤhnlicher Groͤße, den Vatermit ſeinen Kindern umſchlingen, und ſie mit ſchmerz- haften Biſſen anfallen. Dies iſt der Zeitpunkt, den der Kuͤnſtler aus der Geſchichte zur Darſtellung ge- waͤhlt hat. Er konnte nicht gluͤcklicher waͤhlen. Der Vater Der Vater, der jetzt den erſten Biß der Schlange Der 6) Wir haben eine vortreffliche Beſchreibung des Lao- coon D 5
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Der Vaticaniſche Pallaſt.
Schlangen von ungewoͤhnlicher Groͤße, den Vater
mit ſeinen Kindern umſchlingen, und ſie mit ſchmerz-
haften Biſſen anfallen. Dies iſt der Zeitpunkt, den
der Kuͤnſtler aus der Geſchichte zur Darſtellung ge-
waͤhlt hat.
Er konnte nicht gluͤcklicher waͤhlen. Der Vater
war mit den Soͤhnen bei einer Handlung beſchaͤfftigt:
Sie opferten zuſammen: Die gemeinſchaftliche Ge-
fahr, die Banden des Bluts, der Schutz, den das
ſchwaͤchere Alter von dem ſtaͤrkeren erwartet, verei-
nigte bei einem gleichzeitigen Anfall alle drei Figuren
zu einer, und eben dadurch verſtaͤrkten, Vorſtellung
des Leidens: aber die verſchiedenen Grade dieſes Lei-
dens, die Verſchiedenheit des Alters und der Empfin-
dungen die davon abhaͤngen, boten zu gleicher Zeit
dem Genie des Kuͤnſtlers die groͤßte Abwechſelung in
Formen, Stellungen und Ausdruck dar.
Der Vater, der jetzt den erſten Biß der Schlange
fuͤhlt, deſſen Beine bis jetzt allein umſchlungen ſind,
beſitzt noch den groͤßten Theil ſeiner Kraͤfte. Inzwi-
ſchen unfaͤhig im Stehen das Gleichgewicht zu behal-
ten, ſtaͤmmt er ſich ſitzend gegen den Wuͤrfel der Ara,
und ſucht nun mit ausgeſpreiteten Armen die Schlan-
gen von ſich abzuhalten, mit von einander geriſſenen
Beinen ſich aus ihren Windungen loszuarbeiten.
Aber zu gleicher Zeit fuͤhlt er den Biß des feindlichen
Thiers, ſein Koͤrper beugt ſich ruͤckwaͤrts ab, ſein
Auge kehrt ſich zum Himmel, und halb flehend, halb
anklagend, ruft er mit gepreßter Stimme um Ret-
tung und Gnade. 6)
Der
6) Wir haben eine vortreffliche Beſchreibung des Lao-
coon
D 5
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