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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.

Der jüngere Sohn ist von der einen Schlange
ganz umklemmt, und das tödtliche Gift ihres Bisses
unter der Brust scheint bereits seine Adern zu durch-
wühlen. Sein Alter ist das hinfälligste; Ermattet
sinkt er zusammen, oder krümmt sich vor Schmerz,
und wehrt nur mit schwacher Hand den Kopf der
Schlange ab.

Der
coon von Winkelmann, G. d. K. W. Edit. S. 844.
Allein in seiner Begeisterung sahe er mehr als das
Werk zeigt. Der einfache Grundsatz, daß der Aus-
druck der Schönheit nicht nachtheilig seyn dürfe, hat
den Künstler sehr natürlich abgehalten, einen Men-
schen darzustellen, den der Schmerz zur Raserei
treibt. Er braucht dabei an keinen idealischen, lei-
denden, erhabenen Helden gedacht zu haben. Der
Begriff von großer gesetzter Seele folgt von selbst.
Ganz vortrefflich setzt dies der Herr Hofrath Heyne,
Samml. Ant. Aufs. II. St. n. 1. S. 22. u. f. aus-
einander. Ich füge noch hinzu: Laocoon reißt die
Augenlieder, und die Muskeln um die Augenbrau-
nen herum, in die Höhe, die Unterlippe hängt schlaff
herab. Dies ist dem Ausdruck des Zurückhaltens,
des Verbeißens ganz zuwider.
Hingegen möchte ich dem Herrn Hofrath Heyne
einen Zweifel darüber machen, daß, wie er sagt:
Das ganze Angstgefühl des Vaters, der seine Kin-
der Todesqualen leiden sieht, den einen sterbend
röcheln, den andern um Hülfe schreien hört, sich
am Laocoon ausdrücke. Es ist möglich, und in
einer fortschreitenden Vorstellung möchte dies ein
sehr glücklicher, und auch von der Bildhauerkunst
in einem andern Werke glücklich auszudrückender
Gedanke
Der Vaticaniſche Pallaſt.

Der juͤngere Sohn iſt von der einen Schlange
ganz umklemmt, und das toͤdtliche Gift ihres Biſſes
unter der Bruſt ſcheint bereits ſeine Adern zu durch-
wuͤhlen. Sein Alter iſt das hinfaͤlligſte; Ermattet
ſinkt er zuſammen, oder kruͤmmt ſich vor Schmerz,
und wehrt nur mit ſchwacher Hand den Kopf der
Schlange ab.

Der
coon von Winkelmann, G. d. K. W. Edit. S. 844.
Allein in ſeiner Begeiſterung ſahe er mehr als das
Werk zeigt. Der einfache Grundſatz, daß der Aus-
druck der Schoͤnheit nicht nachtheilig ſeyn duͤrfe, hat
den Kuͤnſtler ſehr natuͤrlich abgehalten, einen Men-
ſchen darzuſtellen, den der Schmerz zur Raſerei
treibt. Er braucht dabei an keinen idealiſchen, lei-
denden, erhabenen Helden gedacht zu haben. Der
Begriff von großer geſetzter Seele folgt von ſelbſt.
Ganz vortrefflich ſetzt dies der Herr Hofrath Heyne,
Samml. Ant. Aufſ. II. St. n. 1. S. 22. u. f. aus-
einander. Ich fuͤge noch hinzu: Laocoon reißt die
Augenlieder, und die Muſkeln um die Augenbrau-
nen herum, in die Hoͤhe, die Unterlippe haͤngt ſchlaff
herab. Dies iſt dem Ausdruck des Zuruͤckhaltens,
des Verbeißens ganz zuwider.
Hingegen moͤchte ich dem Herrn Hofrath Heyne
einen Zweifel daruͤber machen, daß, wie er ſagt:
Das ganze Angſtgefuͤhl des Vaters, der ſeine Kin-
der Todesqualen leiden ſieht, den einen ſterbend
roͤcheln, den andern um Huͤlfe ſchreien hoͤrt, ſich
am Laocoon ausdruͤcke. Es iſt moͤglich, und in
einer fortſchreitenden Vorſtellung moͤchte dies ein
ſehr gluͤcklicher, und auch von der Bildhauerkunſt
in einem andern Werke gluͤcklich auszudruͤckender
Gedanke
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[58/0080] Der Vaticaniſche Pallaſt. Der juͤngere Sohn iſt von der einen Schlange ganz umklemmt, und das toͤdtliche Gift ihres Biſſes unter der Bruſt ſcheint bereits ſeine Adern zu durch- wuͤhlen. Sein Alter iſt das hinfaͤlligſte; Ermattet ſinkt er zuſammen, oder kruͤmmt ſich vor Schmerz, und wehrt nur mit ſchwacher Hand den Kopf der Schlange ab. Der 6) 6) coon von Winkelmann, G. d. K. W. Edit. S. 844. Allein in ſeiner Begeiſterung ſahe er mehr als das Werk zeigt. Der einfache Grundſatz, daß der Aus- druck der Schoͤnheit nicht nachtheilig ſeyn duͤrfe, hat den Kuͤnſtler ſehr natuͤrlich abgehalten, einen Men- ſchen darzuſtellen, den der Schmerz zur Raſerei treibt. Er braucht dabei an keinen idealiſchen, lei- denden, erhabenen Helden gedacht zu haben. Der Begriff von großer geſetzter Seele folgt von ſelbſt. Ganz vortrefflich ſetzt dies der Herr Hofrath Heyne, Samml. Ant. Aufſ. II. St. n. 1. S. 22. u. f. aus- einander. Ich fuͤge noch hinzu: Laocoon reißt die Augenlieder, und die Muſkeln um die Augenbrau- nen herum, in die Hoͤhe, die Unterlippe haͤngt ſchlaff herab. Dies iſt dem Ausdruck des Zuruͤckhaltens, des Verbeißens ganz zuwider. Hingegen moͤchte ich dem Herrn Hofrath Heyne einen Zweifel daruͤber machen, daß, wie er ſagt: Das ganze Angſtgefuͤhl des Vaters, der ſeine Kin- der Todesqualen leiden ſieht, den einen ſterbend roͤcheln, den andern um Huͤlfe ſchreien hoͤrt, ſich am Laocoon ausdruͤcke. Es iſt moͤglich, und in einer fortſchreitenden Vorſtellung moͤchte dies ein ſehr gluͤcklicher, und auch von der Bildhauerkunſt in einem andern Werke gluͤcklich auszudruͤckender Gedanke

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/80>, abgerufen am 24.11.2024.