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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.

Nach einem Urtheil unsers Mengs 9) ist das
rechte Bein des einen Knaben zu lang. Dies Ur-
theil trifft den älteren.

Einige be-
scheidene
Zweifel über
die Wahl des
Süjets, als
Vorwurf der
Bildhauer-
kunst.

Mit derjenigen Bescheidenheit, die jedes Urtheil
über ein vorzügliches Werk der Kunst begleiten sollte,
das längst im Besitz allgemeiner Bewunderung ist,
aber auch mit derjenigen Freimüthigkeit, zu der eine
oft wiederholte Prüfung, und eine genaue Aufmerk-
samkeit auf meine Empfindungen mich berechtigen
dürfen, gestehe ich meinen Lesern, daß diese Gruppe
aller ihrer nicht zu bezweifelnden Vorzüge ungeachtet,
den angenehmen Eindruck, den ich bei der Schönheit
anderer Statuen erfahren habe, in mir nicht hervor-
gebracht hat.

Wenn ich in den Porticus trat, wo so viele er-
habene Werke der Kunst um den Vorrang zu wettei-
fern scheinen, so zog mich mein Gefühl zuerst zum
Apollo, zum Antinous hin; und bei ihnen vergaß ich
mich Stundenlang in dem entzückenden Gefühle der
Schönheit. Endlich verließ ich sie, um vor den Lao-
coon zu treten, wie man ein Lieblingsgeschäfft um einer
ernsten Berufsarbeit willen verläßt, bewogen durch
die Idee des Nutzens, den das Studium eines so
künstlichen Werks für meine Kenntnisse in der Kunst
haben müßte. Bei der Bewunderung, die ich dem
Laocoon zollte, lag nicht selten die Erinnerung an die
Schwierigkeiten zum Grunde, die der Meißel bei
dessen Verfertigung überwunden hatte.

Vielleicht
9) Opere di Mengs. Memorie concernenti la sua
Vita. p. LI.
Der Vaticaniſche Pallaſt.

Nach einem Urtheil unſers Mengs 9) iſt das
rechte Bein des einen Knaben zu lang. Dies Ur-
theil trifft den aͤlteren.

Einige be-
ſcheidene
Zweifel uͤber
die Wahl des
Suͤjets, als
Vorwurf der
Bildhauer-
kunſt.

Mit derjenigen Beſcheidenheit, die jedes Urtheil
uͤber ein vorzuͤgliches Werk der Kunſt begleiten ſollte,
das laͤngſt im Beſitz allgemeiner Bewunderung iſt,
aber auch mit derjenigen Freimuͤthigkeit, zu der eine
oft wiederholte Pruͤfung, und eine genaue Aufmerk-
ſamkeit auf meine Empfindungen mich berechtigen
duͤrfen, geſtehe ich meinen Leſern, daß dieſe Gruppe
aller ihrer nicht zu bezweifelnden Vorzuͤge ungeachtet,
den angenehmen Eindruck, den ich bei der Schoͤnheit
anderer Statuen erfahren habe, in mir nicht hervor-
gebracht hat.

Wenn ich in den Porticus trat, wo ſo viele er-
habene Werke der Kunſt um den Vorrang zu wettei-
fern ſcheinen, ſo zog mich mein Gefuͤhl zuerſt zum
Apollo, zum Antinous hin; und bei ihnen vergaß ich
mich Stundenlang in dem entzuͤckenden Gefuͤhle der
Schoͤnheit. Endlich verließ ich ſie, um vor den Lao-
coon zu treten, wie man ein Lieblingsgeſchaͤfft um einer
ernſten Berufsarbeit willen verlaͤßt, bewogen durch
die Idee des Nutzens, den das Studium eines ſo
kuͤnſtlichen Werks fuͤr meine Kenntniſſe in der Kunſt
haben muͤßte. Bei der Bewunderung, die ich dem
Laocoon zollte, lag nicht ſelten die Erinnerung an die
Schwierigkeiten zum Grunde, die der Meißel bei
deſſen Verfertigung uͤberwunden hatte.

Vielleicht
9) Opere di Mengs. Memorie concernenti la ſua
Vita. p. LI.
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[64/0086] Der Vaticaniſche Pallaſt. Nach einem Urtheil unſers Mengs 9) iſt das rechte Bein des einen Knaben zu lang. Dies Ur- theil trifft den aͤlteren. Mit derjenigen Beſcheidenheit, die jedes Urtheil uͤber ein vorzuͤgliches Werk der Kunſt begleiten ſollte, das laͤngſt im Beſitz allgemeiner Bewunderung iſt, aber auch mit derjenigen Freimuͤthigkeit, zu der eine oft wiederholte Pruͤfung, und eine genaue Aufmerk- ſamkeit auf meine Empfindungen mich berechtigen duͤrfen, geſtehe ich meinen Leſern, daß dieſe Gruppe aller ihrer nicht zu bezweifelnden Vorzuͤge ungeachtet, den angenehmen Eindruck, den ich bei der Schoͤnheit anderer Statuen erfahren habe, in mir nicht hervor- gebracht hat. Wenn ich in den Porticus trat, wo ſo viele er- habene Werke der Kunſt um den Vorrang zu wettei- fern ſcheinen, ſo zog mich mein Gefuͤhl zuerſt zum Apollo, zum Antinous hin; und bei ihnen vergaß ich mich Stundenlang in dem entzuͤckenden Gefuͤhle der Schoͤnheit. Endlich verließ ich ſie, um vor den Lao- coon zu treten, wie man ein Lieblingsgeſchaͤfft um einer ernſten Berufsarbeit willen verlaͤßt, bewogen durch die Idee des Nutzens, den das Studium eines ſo kuͤnſtlichen Werks fuͤr meine Kenntniſſe in der Kunſt haben muͤßte. Bei der Bewunderung, die ich dem Laocoon zollte, lag nicht ſelten die Erinnerung an die Schwierigkeiten zum Grunde, die der Meißel bei deſſen Verfertigung uͤberwunden hatte. Vielleicht 9) Opere di Mengs. Memorie concernenti la ſua Vita. p. LI.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/86>, abgerufen am 21.11.2024.