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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Aldovrandini.
eben so gewisse Regeln, und in ihrer Anwendung es
zu eben der Fertigkeit gebracht haben, als ein An-
drea Sacchi, oder Annibale Carraccio. Ganz
etwas anders ist es drei oder vier Figuren in eine
Gruppe zu bringen, und zwanzig und mehr Figuren
in verschiedene große Massen, dann wieder zu einem
leicht zu übersehenden Ganzen zu vereinigen. Jenes
lehrt die getreue Nachbildung der Natur, hiezu wird
Wahl, Erfahrung und Ueberlegung erfordert.

Daß man doch überhaupt Wahl von Zufall,
das Wesentliche von dem Möglichen, größere Com-
positionen von Gemählden, die aus einer, zwei oder
höchstens vier Figuren bestehen, unterscheiden wollte!
Man findet nicht allein Schattirung, Abwechselung
von Licht und Schatten, sondern auch Spuren von
Reflexen in den Gemählden der Alten. Ich erin-
nere mich auf einem derselben in Portici ein Bein
in der Verkürzung gemahlt gesehen zu haben, auf
dessen Knie und Fuß das Licht sehr richtig fiel, wäh-
rend daß eben so richtig der mittlere Theil des Beins
im Schatten gehalten war. Was will man aber
daraus folgern? Jeder Schüler, der zum ersten
Mahle nach einem lebenden Modelle arbeitet, kann
diese Würkung des Lichts wahrnehmen, und wenn er
treu nachahmt, sie andeuten. Aber ist dies einerlei
mit der weisen Austheilung des Lichts, mit dem ver-
schmolzenen Uebergang derselben in den Schatten,
die wir an dem Pinsel des Correggio bewundern?
Kann der Schluß mit Sicherheit gelten, weil hier
ein Klecker einmal eine Würkung der Abwechselung
des Lichts und Schattens im Einzelnen angedeutet
hat, so haben die Meister in der Kunst die ganze

Magie

Villa Aldovrandini.
eben ſo gewiſſe Regeln, und in ihrer Anwendung es
zu eben der Fertigkeit gebracht haben, als ein An-
drea Sacchi, oder Annibale Carraccio. Ganz
etwas anders iſt es drei oder vier Figuren in eine
Gruppe zu bringen, und zwanzig und mehr Figuren
in verſchiedene große Maſſen, dann wieder zu einem
leicht zu uͤberſehenden Ganzen zu vereinigen. Jenes
lehrt die getreue Nachbildung der Natur, hiezu wird
Wahl, Erfahrung und Ueberlegung erfordert.

Daß man doch uͤberhaupt Wahl von Zufall,
das Weſentliche von dem Moͤglichen, groͤßere Com-
poſitionen von Gemaͤhlden, die aus einer, zwei oder
hoͤchſtens vier Figuren beſtehen, unterſcheiden wollte!
Man findet nicht allein Schattirung, Abwechſelung
von Licht und Schatten, ſondern auch Spuren von
Reflexen in den Gemaͤhlden der Alten. Ich erin-
nere mich auf einem derſelben in Portici ein Bein
in der Verkuͤrzung gemahlt geſehen zu haben, auf
deſſen Knie und Fuß das Licht ſehr richtig fiel, waͤh-
rend daß eben ſo richtig der mittlere Theil des Beins
im Schatten gehalten war. Was will man aber
daraus folgern? Jeder Schuͤler, der zum erſten
Mahle nach einem lebenden Modelle arbeitet, kann
dieſe Wuͤrkung des Lichts wahrnehmen, und wenn er
treu nachahmt, ſie andeuten. Aber iſt dies einerlei
mit der weiſen Austheilung des Lichts, mit dem ver-
ſchmolzenen Uebergang derſelben in den Schatten,
die wir an dem Pinſel des Correggio bewundern?
Kann der Schluß mit Sicherheit gelten, weil hier
ein Klecker einmal eine Wuͤrkung der Abwechſelung
des Lichts und Schattens im Einzelnen angedeutet
hat, ſo haben die Meiſter in der Kunſt die ganze

Magie
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[171/0185] Villa Aldovrandini. eben ſo gewiſſe Regeln, und in ihrer Anwendung es zu eben der Fertigkeit gebracht haben, als ein An- drea Sacchi, oder Annibale Carraccio. Ganz etwas anders iſt es drei oder vier Figuren in eine Gruppe zu bringen, und zwanzig und mehr Figuren in verſchiedene große Maſſen, dann wieder zu einem leicht zu uͤberſehenden Ganzen zu vereinigen. Jenes lehrt die getreue Nachbildung der Natur, hiezu wird Wahl, Erfahrung und Ueberlegung erfordert. Daß man doch uͤberhaupt Wahl von Zufall, das Weſentliche von dem Moͤglichen, groͤßere Com- poſitionen von Gemaͤhlden, die aus einer, zwei oder hoͤchſtens vier Figuren beſtehen, unterſcheiden wollte! Man findet nicht allein Schattirung, Abwechſelung von Licht und Schatten, ſondern auch Spuren von Reflexen in den Gemaͤhlden der Alten. Ich erin- nere mich auf einem derſelben in Portici ein Bein in der Verkuͤrzung gemahlt geſehen zu haben, auf deſſen Knie und Fuß das Licht ſehr richtig fiel, waͤh- rend daß eben ſo richtig der mittlere Theil des Beins im Schatten gehalten war. Was will man aber daraus folgern? Jeder Schuͤler, der zum erſten Mahle nach einem lebenden Modelle arbeitet, kann dieſe Wuͤrkung des Lichts wahrnehmen, und wenn er treu nachahmt, ſie andeuten. Aber iſt dies einerlei mit der weiſen Austheilung des Lichts, mit dem ver- ſchmolzenen Uebergang derſelben in den Schatten, die wir an dem Pinſel des Correggio bewundern? Kann der Schluß mit Sicherheit gelten, weil hier ein Klecker einmal eine Wuͤrkung der Abwechſelung des Lichts und Schattens im Einzelnen angedeutet hat, ſo haben die Meiſter in der Kunſt die ganze Magie

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/185>, abgerufen am 29.11.2024.