Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Pallast Boccapaduli.
schreiber, die weniger den Trieb nach Wahrheit,
als nach dem Außerordentlichen zu befriedigen gesucht
haben.

Ferner! Wie hören, wie lesen diese wollüstigen
Genießer? Wahrlich nicht wie ein Goguet oder Win-
kelmann! Was ihre Einbildungskraft spannt, was
ihr Herz rührt, das drückt sich ihrem Gedächtnisse
ein: von dem Ueberflüßigen zu diesem Ver-
gnügen bewahren sie nur so viel auf, um die
Begebenheit gelegentlich von andern ähnlichen aus-
zuscheiden.

Auf diese superficielle Kenntniß von dem Zufälli-
gen einer Begebenheit, das heißt: von demjenigen,
was diese von Vorfällen, die täglich wieder kommen
können, unterscheidet, ist nun die Verbindlichkeit des
Künstlers gegründet, nichts darzustellen, was dieser
widerspricht, was die Wiedererkennung erschweret:
Kurz, die Verpflichtung, das Uebliche zu beob-
achten.

Das Uebliche heißt also nichts weiter, als:Festsetzung
des Begriffs
den man mit
dem Worte:
das Uebliche,
il Costume,
verbinden
müsse.

die Andeutung solcher zufälligen Unterschei-
dungszeichen, die nach denen unter der Classe
von Menschen, die auf den Genuß der Künste
berechtiget ist, geläufigen Begriffen dazu die-
nen, eine Begebenheit, die mit allen Menschen,
zu jeder Zeit, an allen Orten interessiren würde,
bestimmten Personen, die zu einer gewissen
Zeit an gewissen Orten gelebt haben, beizu-
legen.

Das
P 2

Pallaſt Boccapaduli.
ſchreiber, die weniger den Trieb nach Wahrheit,
als nach dem Außerordentlichen zu befriedigen geſucht
haben.

Ferner! Wie hoͤren, wie leſen dieſe wolluͤſtigen
Genießer? Wahrlich nicht wie ein Goguet oder Win-
kelmann! Was ihre Einbildungskraft ſpannt, was
ihr Herz ruͤhrt, das druͤckt ſich ihrem Gedaͤchtniſſe
ein: von dem Ueberfluͤßigen zu dieſem Ver-
gnuͤgen bewahren ſie nur ſo viel auf, um die
Begebenheit gelegentlich von andern aͤhnlichen aus-
zuſcheiden.

Auf dieſe ſuperficielle Kenntniß von dem Zufaͤlli-
gen einer Begebenheit, das heißt: von demjenigen,
was dieſe von Vorfaͤllen, die taͤglich wieder kommen
koͤnnen, unterſcheidet, iſt nun die Verbindlichkeit des
Kuͤnſtlers gegruͤndet, nichts darzuſtellen, was dieſer
widerſpricht, was die Wiedererkennung erſchweret:
Kurz, die Verpflichtung, das Uebliche zu beob-
achten.

Das Uebliche heißt alſo nichts weiter, als:Feſtſetzung
des Begriffs
den man mit
dem Worte:
das Uebliche,
il Coſtume,
verbinden
muͤſſe.

die Andeutung ſolcher zufaͤlligen Unterſchei-
dungszeichen, die nach denen unter der Claſſe
von Menſchen, die auf den Genuß der Kuͤnſte
berechtiget iſt, gelaͤufigen Begriffen dazu die-
nen, eine Begebenheit, die mit allen Menſchen,
zu jeder Zeit, an allen Orten intereſſiren wuͤrde,
beſtimmten Perſonen, die zu einer gewiſſen
Zeit an gewiſſen Orten gelebt haben, beizu-
legen.

Das
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="227"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Palla&#x017F;t Boccapaduli.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chreiber, die weniger den Trieb nach Wahrheit,<lb/>
als nach dem Außerordentlichen zu befriedigen ge&#x017F;ucht<lb/>
haben.</p><lb/>
        <p>Ferner! Wie ho&#x0364;ren, wie le&#x017F;en die&#x017F;e wollu&#x0364;&#x017F;tigen<lb/>
Genießer? Wahrlich nicht wie ein Goguet oder Win-<lb/>
kelmann! Was ihre Einbildungskraft &#x017F;pannt, was<lb/>
ihr Herz ru&#x0364;hrt, das dru&#x0364;ckt &#x017F;ich ihrem Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
ein: von dem Ueberflu&#x0364;ßigen zu die&#x017F;em Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen bewahren &#x017F;ie nur &#x017F;o viel auf, um die<lb/>
Begebenheit gelegentlich von andern a&#x0364;hnlichen aus-<lb/>
zu&#x017F;cheiden.</p><lb/>
        <p>Auf die&#x017F;e &#x017F;uperficielle Kenntniß von dem Zufa&#x0364;lli-<lb/>
gen einer Begebenheit, das heißt: von demjenigen,<lb/>
was die&#x017F;e von Vorfa&#x0364;llen, die ta&#x0364;glich wieder kommen<lb/>
ko&#x0364;nnen, unter&#x017F;cheidet, i&#x017F;t nun die Verbindlichkeit des<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tlers gegru&#x0364;ndet, nichts darzu&#x017F;tellen, was die&#x017F;er<lb/>
wider&#x017F;pricht, was die Wiedererkennung er&#x017F;chweret:<lb/>
Kurz, die Verpflichtung, das Uebliche zu beob-<lb/>
achten.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Das Uebliche</hi> heißt al&#x017F;o nichts weiter, als:<note place="right">Fe&#x017F;t&#x017F;etzung<lb/>
des Begriffs<lb/>
den man mit<lb/>
dem Worte:<lb/>
das Uebliche,<lb/><hi rendition="#aq">il Co&#x017F;tume,</hi><lb/>
verbinden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</note><lb/><hi rendition="#fr">die Andeutung &#x017F;olcher zufa&#x0364;lligen Unter&#x017F;chei-<lb/>
dungszeichen, die nach denen unter der Cla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
von Men&#x017F;chen, die auf den Genuß der Ku&#x0364;n&#x017F;te<lb/>
berechtiget i&#x017F;t, gela&#x0364;ufigen Begriffen dazu die-<lb/>
nen, eine Begebenheit, die mit allen Men&#x017F;chen,<lb/>
zu jeder Zeit, an allen Orten intere&#x017F;&#x017F;iren wu&#x0364;rde,<lb/>
be&#x017F;timmten Per&#x017F;onen, die zu einer gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Zeit an gewi&#x017F;&#x017F;en Orten gelebt haben, beizu-<lb/>
legen.</hi></p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">P 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0241] Pallaſt Boccapaduli. ſchreiber, die weniger den Trieb nach Wahrheit, als nach dem Außerordentlichen zu befriedigen geſucht haben. Ferner! Wie hoͤren, wie leſen dieſe wolluͤſtigen Genießer? Wahrlich nicht wie ein Goguet oder Win- kelmann! Was ihre Einbildungskraft ſpannt, was ihr Herz ruͤhrt, das druͤckt ſich ihrem Gedaͤchtniſſe ein: von dem Ueberfluͤßigen zu dieſem Ver- gnuͤgen bewahren ſie nur ſo viel auf, um die Begebenheit gelegentlich von andern aͤhnlichen aus- zuſcheiden. Auf dieſe ſuperficielle Kenntniß von dem Zufaͤlli- gen einer Begebenheit, das heißt: von demjenigen, was dieſe von Vorfaͤllen, die taͤglich wieder kommen koͤnnen, unterſcheidet, iſt nun die Verbindlichkeit des Kuͤnſtlers gegruͤndet, nichts darzuſtellen, was dieſer widerſpricht, was die Wiedererkennung erſchweret: Kurz, die Verpflichtung, das Uebliche zu beob- achten. Das Uebliche heißt alſo nichts weiter, als: die Andeutung ſolcher zufaͤlligen Unterſchei- dungszeichen, die nach denen unter der Claſſe von Menſchen, die auf den Genuß der Kuͤnſte berechtiget iſt, gelaͤufigen Begriffen dazu die- nen, eine Begebenheit, die mit allen Menſchen, zu jeder Zeit, an allen Orten intereſſiren wuͤrde, beſtimmten Perſonen, die zu einer gewiſſen Zeit an gewiſſen Orten gelebt haben, beizu- legen. Feſtſetzung des Begriffs den man mit dem Worte: das Uebliche, il Coſtume, verbinden muͤſſe. Das P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/241
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/241>, abgerufen am 02.09.2024.