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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Boccapaduli.
wechselnden Ausdrucks fähig, es kann hauptsächlich
nur die Gelegenheit darbieten, einige academische
Figuren zusammen zu gruppiren. Diese finden wir
hier gut benutzet, auch einige ausdrucksvolle Köpfe:
z. E. den Kopf des Pharisäers. Nur wird man die
Figur wegwünschen, die das Ungeziefer von dem
Gewande sucht. Sie paßt auf keine Weise in die
Vorstellung einer so heiligen Handlung: sie ist un-
schicklich. 9)

Die Zeichnung hat das Verdienst der Beobach-
tung richtiger Verhältnisse. Ueber Färbung und
Helldunkles kann man nicht mehr urtheilen. Die
Landschaft ist gut gedacht.

Die Taufe Christi. Ist es schicklich, ja!
ist es nur wahrscheinlich, daß einige der Umstehen-
den, die sich taufen lassen wollen, das Hemd und
die Strümpfe abziehen, während daß andere über
die Herabsendung des heiligen Geistes, über die
Stimme, die sich vom Himmel hören läßt, in Er-
staunen bis zur schweigenden Anbetung des Unbegreif-
lichen gerathen? Ich bin mit der Erfindung und
dem Ausdruck dieses Bildes im Ganzen höchst unzu-
frieden. Die Engel, die dem Heiland dienen, sind
verworfene Sclaven, deren einer mit affektirter
Dienstgeflissenheit sehr zierlich den Saum seines Klei-
des auffaßt, damit es nicht ins Wasser tauche. Der
Christ und der heilige Johannes sind beide nicht edel

genung.
9) Das Gewand ist ein leinenes Hemd nach heutiger
Form. Wer über historische Wahrheit chicaniren
wollte!
Q 4

Pallaſt Boccapaduli.
wechſelnden Ausdrucks faͤhig, es kann hauptſaͤchlich
nur die Gelegenheit darbieten, einige academiſche
Figuren zuſammen zu gruppiren. Dieſe finden wir
hier gut benutzet, auch einige ausdrucksvolle Koͤpfe:
z. E. den Kopf des Phariſaͤers. Nur wird man die
Figur wegwuͤnſchen, die das Ungeziefer von dem
Gewande ſucht. Sie paßt auf keine Weiſe in die
Vorſtellung einer ſo heiligen Handlung: ſie iſt un-
ſchicklich. 9)

Die Zeichnung hat das Verdienſt der Beobach-
tung richtiger Verhaͤltniſſe. Ueber Faͤrbung und
Helldunkles kann man nicht mehr urtheilen. Die
Landſchaft iſt gut gedacht.

Die Taufe Chriſti. Iſt es ſchicklich, ja!
iſt es nur wahrſcheinlich, daß einige der Umſtehen-
den, die ſich taufen laſſen wollen, das Hemd und
die Struͤmpfe abziehen, waͤhrend daß andere uͤber
die Herabſendung des heiligen Geiſtes, uͤber die
Stimme, die ſich vom Himmel hoͤren laͤßt, in Er-
ſtaunen bis zur ſchweigenden Anbetung des Unbegreif-
lichen gerathen? Ich bin mit der Erfindung und
dem Ausdruck dieſes Bildes im Ganzen hoͤchſt unzu-
frieden. Die Engel, die dem Heiland dienen, ſind
verworfene Sclaven, deren einer mit affektirter
Dienſtgefliſſenheit ſehr zierlich den Saum ſeines Klei-
des auffaßt, damit es nicht ins Waſſer tauche. Der
Chriſt und der heilige Johannes ſind beide nicht edel

genung.
9) Das Gewand iſt ein leinenes Hemd nach heutiger
Form. Wer uͤber hiſtoriſche Wahrheit chicaniren
wollte!
Q 4
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[247/0261] Pallaſt Boccapaduli. wechſelnden Ausdrucks faͤhig, es kann hauptſaͤchlich nur die Gelegenheit darbieten, einige academiſche Figuren zuſammen zu gruppiren. Dieſe finden wir hier gut benutzet, auch einige ausdrucksvolle Koͤpfe: z. E. den Kopf des Phariſaͤers. Nur wird man die Figur wegwuͤnſchen, die das Ungeziefer von dem Gewande ſucht. Sie paßt auf keine Weiſe in die Vorſtellung einer ſo heiligen Handlung: ſie iſt un- ſchicklich. 9) Die Zeichnung hat das Verdienſt der Beobach- tung richtiger Verhaͤltniſſe. Ueber Faͤrbung und Helldunkles kann man nicht mehr urtheilen. Die Landſchaft iſt gut gedacht. Die Taufe Chriſti. Iſt es ſchicklich, ja! iſt es nur wahrſcheinlich, daß einige der Umſtehen- den, die ſich taufen laſſen wollen, das Hemd und die Struͤmpfe abziehen, waͤhrend daß andere uͤber die Herabſendung des heiligen Geiſtes, uͤber die Stimme, die ſich vom Himmel hoͤren laͤßt, in Er- ſtaunen bis zur ſchweigenden Anbetung des Unbegreif- lichen gerathen? Ich bin mit der Erfindung und dem Ausdruck dieſes Bildes im Ganzen hoͤchſt unzu- frieden. Die Engel, die dem Heiland dienen, ſind verworfene Sclaven, deren einer mit affektirter Dienſtgefliſſenheit ſehr zierlich den Saum ſeines Klei- des auffaßt, damit es nicht ins Waſſer tauche. Der Chriſt und der heilige Johannes ſind beide nicht edel genung. 9) Das Gewand iſt ein leinenes Hemd nach heutiger Form. Wer uͤber hiſtoriſche Wahrheit chicaniren wollte! Q 4

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/261>, abgerufen am 21.11.2024.