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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Barberini.
letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auszubreiten
anfieng, bis in die Mitte des jetzigen allgemein fort-
gedauert hat, und bis jetzt noch nicht allgemein aus-
gerottet ist.

Die Carracci strebten nach Vereinigung aller
Theile der Mahlerei, die ein Gemählde zu einem
vollkommenen Ganzen machen können. Sie wollten
richts aufgeben, alles umfassen, was man sich in
dem Ideale eines großen Mahlers vereinigt denken
darf. Die Unmöglichkeit, diese Forderungen, die
der Künstler an sich selbst macht, durch würkliche
Erfüllung zu befriedigen, sah Pietro da Cortona ein,
allein er traf einen Ausweg, machte der Menge
glauben, daß sie erfüllt wären, und betäubte durch
ihren Beifall sein eigenes Gefühl, und das Gefühl
weniger Kenner.

Wir haben vorhin dem Paolo Veronese einen
ähnlichen Kunstgriff abgemerkt. Sophist für So-
phist: Beide machten sich die Schwachheiten ihres
Jahrhunderts zinsbar. Paolo bezauberte die grö-
bern Sinne eines Volks, das unter Sorge für Er-
werb und Herrschsucht zur Ausbildung der feineren
keine Zeit übrig behielt: Pietro brachte den Witz
seiner Zeitgenossen in Schwingung, die zu gelehrt,
um an bloßer Treue der Darstellung Unterhaltung zu
finden, zu wenig aufgeklärt, um das Einfache zu
schätzen, in der Mahlerei wie in der Poesie Con-
cetti
suchten. Herzen die das Bedeutungsvolle von
dem Spitzfindigen, das Wahre von dem Schein,
den Reitz von der Affektation zu unterscheiden wissen,
sind von jeher seltener gewesen, als Augen die geblendet

seyn
S 4

Pallaſt Barberini.
letzten Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts auszubreiten
anfieng, bis in die Mitte des jetzigen allgemein fort-
gedauert hat, und bis jetzt noch nicht allgemein aus-
gerottet iſt.

Die Carracci ſtrebten nach Vereinigung aller
Theile der Mahlerei, die ein Gemaͤhlde zu einem
vollkommenen Ganzen machen koͤnnen. Sie wollten
richts aufgeben, alles umfaſſen, was man ſich in
dem Ideale eines großen Mahlers vereinigt denken
darf. Die Unmoͤglichkeit, dieſe Forderungen, die
der Kuͤnſtler an ſich ſelbſt macht, durch wuͤrkliche
Erfuͤllung zu befriedigen, ſah Pietro da Cortona ein,
allein er traf einen Ausweg, machte der Menge
glauben, daß ſie erfuͤllt waͤren, und betaͤubte durch
ihren Beifall ſein eigenes Gefuͤhl, und das Gefuͤhl
weniger Kenner.

Wir haben vorhin dem Paolo Veroneſe einen
aͤhnlichen Kunſtgriff abgemerkt. Sophiſt fuͤr So-
phiſt: Beide machten ſich die Schwachheiten ihres
Jahrhunderts zinsbar. Paolo bezauberte die groͤ-
bern Sinne eines Volks, das unter Sorge fuͤr Er-
werb und Herrſchſucht zur Ausbildung der feineren
keine Zeit uͤbrig behielt: Pietro brachte den Witz
ſeiner Zeitgenoſſen in Schwingung, die zu gelehrt,
um an bloßer Treue der Darſtellung Unterhaltung zu
finden, zu wenig aufgeklaͤrt, um das Einfache zu
ſchaͤtzen, in der Mahlerei wie in der Poeſie Con-
cetti
ſuchten. Herzen die das Bedeutungsvolle von
dem Spitzfindigen, das Wahre von dem Schein,
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ſind von jeher ſeltener geweſen, als Augen die geblendet

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S 4
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[279/0293] Pallaſt Barberini. letzten Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts auszubreiten anfieng, bis in die Mitte des jetzigen allgemein fort- gedauert hat, und bis jetzt noch nicht allgemein aus- gerottet iſt. Die Carracci ſtrebten nach Vereinigung aller Theile der Mahlerei, die ein Gemaͤhlde zu einem vollkommenen Ganzen machen koͤnnen. Sie wollten richts aufgeben, alles umfaſſen, was man ſich in dem Ideale eines großen Mahlers vereinigt denken darf. Die Unmoͤglichkeit, dieſe Forderungen, die der Kuͤnſtler an ſich ſelbſt macht, durch wuͤrkliche Erfuͤllung zu befriedigen, ſah Pietro da Cortona ein, allein er traf einen Ausweg, machte der Menge glauben, daß ſie erfuͤllt waͤren, und betaͤubte durch ihren Beifall ſein eigenes Gefuͤhl, und das Gefuͤhl weniger Kenner. Wir haben vorhin dem Paolo Veroneſe einen aͤhnlichen Kunſtgriff abgemerkt. Sophiſt fuͤr So- phiſt: Beide machten ſich die Schwachheiten ihres Jahrhunderts zinsbar. Paolo bezauberte die groͤ- bern Sinne eines Volks, das unter Sorge fuͤr Er- werb und Herrſchſucht zur Ausbildung der feineren keine Zeit uͤbrig behielt: Pietro brachte den Witz ſeiner Zeitgenoſſen in Schwingung, die zu gelehrt, um an bloßer Treue der Darſtellung Unterhaltung zu finden, zu wenig aufgeklaͤrt, um das Einfache zu ſchaͤtzen, in der Mahlerei wie in der Poeſie Con- cetti ſuchten. Herzen die das Bedeutungsvolle von dem Spitzfindigen, das Wahre von dem Schein, den Reitz von der Affektation zu unterſcheiden wiſſen, ſind von jeher ſeltener geweſen, als Augen die geblendet ſeyn S 4

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/293>, abgerufen am 21.11.2024.