Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Pallast Barberini.
und unter einander sich alle ähnlich. Die Zeichnung
hat mehrere Incorrektionen. Das Colorit, welches
sehr gelitten hat, kann glänzend, kann gefällig ge-
wesen seyn, aber wahr war es nie. Das Licht ist
äußerst willkührlich, und nur in der Absicht zu
blenden vertheilt. Kurz! das ganze Gemählde ist
ein schöner Schein, hinreichend den Blick in die
Höhe zu ziehen, aber nicht ihn anzuheften.

Vielleicht ist dies Alles, was man von einem
Plafond verlangen darf, und betrachtet man diese
Mahlereien mit gehöriger Rücksicht auf diese Bestim-
mung, so wird man der Fruchtbarkeit an geistreichen
Erfindungen, der Leichtigkeit der Behandlung, und
vorzüglich der perspektivischen Würkung, die nie-
mand besser verstand, als Pietro da Cortona, alle
Gerechtigkeit wiederfahren lassen müssen.

Möchte Pietro da Cortona doch nichts als Pla-
fonds gemahlt haben! Dorthin gehört jenes wilde
Feuer, jene handwerksmäßige Fertigkeit, welche
die Italiener Spirito nennen, dort erwarten wir
nur Schein nur Schminke. Allein wenn wir Ge-
mählde von ihm sehen, die auf nähere Prüfung be-
rechtigt seyn sollten, so müssen wir ausrufen, was
jener Spartaner dem Sophisten antwortete, welcher
sich rühmte, seine Zuhörer alles glauben zu machen,
was er wollte: Beim Himmel! es giebt keine Kunst,
und es wird nie eine Kunst geben, deren Grund nicht
Wahrheit sey!

Pietro da
Cortona,
und sein
Stil.

Pietro Berettini ward 1596. zu Cortona
gebohren, und lebte bis 1681. Er ist unstreitig
der Stifter des falschen Geschmacks, der sich in der

letzten

Pallaſt Barberini.
und unter einander ſich alle aͤhnlich. Die Zeichnung
hat mehrere Incorrektionen. Das Colorit, welches
ſehr gelitten hat, kann glaͤnzend, kann gefaͤllig ge-
weſen ſeyn, aber wahr war es nie. Das Licht iſt
aͤußerſt willkuͤhrlich, und nur in der Abſicht zu
blenden vertheilt. Kurz! das ganze Gemaͤhlde iſt
ein ſchoͤner Schein, hinreichend den Blick in die
Hoͤhe zu ziehen, aber nicht ihn anzuheften.

Vielleicht iſt dies Alles, was man von einem
Plafond verlangen darf, und betrachtet man dieſe
Mahlereien mit gehoͤriger Ruͤckſicht auf dieſe Beſtim-
mung, ſo wird man der Fruchtbarkeit an geiſtreichen
Erfindungen, der Leichtigkeit der Behandlung, und
vorzuͤglich der perſpektiviſchen Wuͤrkung, die nie-
mand beſſer verſtand, als Pietro da Cortona, alle
Gerechtigkeit wiederfahren laſſen muͤſſen.

Moͤchte Pietro da Cortona doch nichts als Pla-
fonds gemahlt haben! Dorthin gehoͤrt jenes wilde
Feuer, jene handwerksmaͤßige Fertigkeit, welche
die Italiener Spirito nennen, dort erwarten wir
nur Schein nur Schminke. Allein wenn wir Ge-
maͤhlde von ihm ſehen, die auf naͤhere Pruͤfung be-
rechtigt ſeyn ſollten, ſo muͤſſen wir ausrufen, was
jener Spartaner dem Sophiſten antwortete, welcher
ſich ruͤhmte, ſeine Zuhoͤrer alles glauben zu machen,
was er wollte: Beim Himmel! es giebt keine Kunſt,
und es wird nie eine Kunſt geben, deren Grund nicht
Wahrheit ſey!

Pietro da
Cortona,
und ſein
Stil.

Pietro Berettini ward 1596. zu Cortona
gebohren, und lebte bis 1681. Er iſt unſtreitig
der Stifter des falſchen Geſchmacks, der ſich in der

letzten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0292" n="278"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Palla&#x017F;t Barberini.</hi></fw><lb/>
und unter einander &#x017F;ich alle a&#x0364;hnlich. Die Zeichnung<lb/>
hat mehrere Incorrektionen. Das Colorit, welches<lb/>
&#x017F;ehr gelitten hat, kann gla&#x0364;nzend, kann gefa&#x0364;llig ge-<lb/>
we&#x017F;en &#x017F;eyn, aber wahr war es nie. Das Licht i&#x017F;t<lb/>
a&#x0364;ußer&#x017F;t willku&#x0364;hrlich, und nur in der Ab&#x017F;icht zu<lb/>
blenden vertheilt. Kurz! das ganze Gema&#x0364;hlde i&#x017F;t<lb/>
ein &#x017F;cho&#x0364;ner Schein, hinreichend den Blick in die<lb/>
Ho&#x0364;he zu ziehen, aber nicht ihn anzuheften.</p><lb/>
          <p>Vielleicht i&#x017F;t dies Alles, was man von einem<lb/>
Plafond verlangen darf, und betrachtet man die&#x017F;e<lb/>
Mahlereien mit geho&#x0364;riger Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die&#x017F;e Be&#x017F;tim-<lb/>
mung, &#x017F;o wird man der Fruchtbarkeit an gei&#x017F;treichen<lb/>
Erfindungen, der Leichtigkeit der Behandlung, und<lb/>
vorzu&#x0364;glich der per&#x017F;pektivi&#x017F;chen Wu&#x0364;rkung, die nie-<lb/>
mand be&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;tand, als Pietro da Cortona, alle<lb/>
Gerechtigkeit wiederfahren la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Mo&#x0364;chte Pietro da Cortona doch nichts als Pla-<lb/>
fonds gemahlt haben! Dorthin geho&#x0364;rt jenes wilde<lb/>
Feuer, jene handwerksma&#x0364;ßige Fertigkeit, welche<lb/>
die Italiener <hi rendition="#aq">Spirito</hi> nennen, dort erwarten wir<lb/>
nur Schein nur Schminke. Allein wenn wir Ge-<lb/>
ma&#x0364;hlde von ihm &#x017F;ehen, die auf na&#x0364;here Pru&#x0364;fung be-<lb/>
rechtigt &#x017F;eyn &#x017F;ollten, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir ausrufen, was<lb/>
jener Spartaner dem Sophi&#x017F;ten antwortete, welcher<lb/>
&#x017F;ich ru&#x0364;hmte, &#x017F;eine Zuho&#x0364;rer alles glauben zu machen,<lb/>
was er wollte: Beim Himmel! es giebt keine Kun&#x017F;t,<lb/>
und es wird nie eine Kun&#x017F;t geben, deren Grund nicht<lb/>
Wahrheit &#x017F;ey!</p><lb/>
          <note place="left">Pietro da<lb/>
Cortona,<lb/>
und &#x017F;ein<lb/>
Stil.</note>
          <p><hi rendition="#fr">Pietro Berettini</hi> ward 1596. zu Cortona<lb/>
gebohren, und lebte bis 1681. Er i&#x017F;t un&#x017F;treitig<lb/>
der Stifter des fal&#x017F;chen Ge&#x017F;chmacks, der &#x017F;ich in der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">letzten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0292] Pallaſt Barberini. und unter einander ſich alle aͤhnlich. Die Zeichnung hat mehrere Incorrektionen. Das Colorit, welches ſehr gelitten hat, kann glaͤnzend, kann gefaͤllig ge- weſen ſeyn, aber wahr war es nie. Das Licht iſt aͤußerſt willkuͤhrlich, und nur in der Abſicht zu blenden vertheilt. Kurz! das ganze Gemaͤhlde iſt ein ſchoͤner Schein, hinreichend den Blick in die Hoͤhe zu ziehen, aber nicht ihn anzuheften. Vielleicht iſt dies Alles, was man von einem Plafond verlangen darf, und betrachtet man dieſe Mahlereien mit gehoͤriger Ruͤckſicht auf dieſe Beſtim- mung, ſo wird man der Fruchtbarkeit an geiſtreichen Erfindungen, der Leichtigkeit der Behandlung, und vorzuͤglich der perſpektiviſchen Wuͤrkung, die nie- mand beſſer verſtand, als Pietro da Cortona, alle Gerechtigkeit wiederfahren laſſen muͤſſen. Moͤchte Pietro da Cortona doch nichts als Pla- fonds gemahlt haben! Dorthin gehoͤrt jenes wilde Feuer, jene handwerksmaͤßige Fertigkeit, welche die Italiener Spirito nennen, dort erwarten wir nur Schein nur Schminke. Allein wenn wir Ge- maͤhlde von ihm ſehen, die auf naͤhere Pruͤfung be- rechtigt ſeyn ſollten, ſo muͤſſen wir ausrufen, was jener Spartaner dem Sophiſten antwortete, welcher ſich ruͤhmte, ſeine Zuhoͤrer alles glauben zu machen, was er wollte: Beim Himmel! es giebt keine Kunſt, und es wird nie eine Kunſt geben, deren Grund nicht Wahrheit ſey! Pietro Berettini ward 1596. zu Cortona gebohren, und lebte bis 1681. Er iſt unſtreitig der Stifter des falſchen Geſchmacks, der ſich in der letzten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/292
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/292>, abgerufen am 18.06.2024.