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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Barberini.

Es sind nämlich unter diesen Empfindungen und
Gefühlen einige, die, so zu sagen, mehr intensiv als
extensiv, concentrisch als excentrisch würken: bei de-
nen die Seele entweder ihre Kräfte zu sehr innerlich
braucht, um sie nach außen zu würken zu lassen,
oder die Umstehenden auf die sie würken will, durch
die bloße Größe der Empfindung zu sehr erschüttert
glaubt, um nicht der Mitwürkung der Gebärden
überhoben zu seyn. Vielleicht glaubt sie auch, daß
die äußere Ruhe, den Begriff der Leichtigkeit erhöhe,
mit der sie diese gewöhnlichen Menschen übernatürlichen
Gesinnungen hegt; oder endlich, daß äußere Ruhe
eine wesentliche Eigenschaft der Würde, der Hoheit
des Geistes sey, deren Gefühl sie den Umstehenden
mittheilen möchte.

Genung! Empfindungen die einen beträchtlichen
Aufwand von Stärke, Festigkeit und Hoheit der
Seele erfordern, süblime Empfindungen, äußern sich
selten anders als durch Worte bei ruhigem Körper;
lassen sich daher nicht bestimmt deutlich durch das Ge-
mählde machen, und verlieren aus eben diesem
Grunde ihre ästhetische Würkung. Die Worte des
Corneille: qu' il mourut, die er dem Vater der
Horazier in den Mund legt, macht keine Pantomime
deutlich. Der Anfang der Rede des Germanicus,
die Empfindung: Unbekannte werden mich beweinen,
ihr werdet mich rächen, kann der Pinsel nicht ver-
sinnlichen.

Hingegen alle die Empfindungen, die sich gerne
durch Gebärden mittheilen, diese als ein nothwen-
diges Verstärkungsmittel des Eindrucks, gleichsam

als
Pallaſt Barberini.

Es ſind naͤmlich unter dieſen Empfindungen und
Gefuͤhlen einige, die, ſo zu ſagen, mehr intenſiv als
extenſiv, concentriſch als excentriſch wuͤrken: bei de-
nen die Seele entweder ihre Kraͤfte zu ſehr innerlich
braucht, um ſie nach außen zu wuͤrken zu laſſen,
oder die Umſtehenden auf die ſie wuͤrken will, durch
die bloße Groͤße der Empfindung zu ſehr erſchuͤttert
glaubt, um nicht der Mitwuͤrkung der Gebaͤrden
uͤberhoben zu ſeyn. Vielleicht glaubt ſie auch, daß
die aͤußere Ruhe, den Begriff der Leichtigkeit erhoͤhe,
mit der ſie dieſe gewoͤhnlichen Menſchen uͤbernatuͤrlichen
Geſinnungen hegt; oder endlich, daß aͤußere Ruhe
eine weſentliche Eigenſchaft der Wuͤrde, der Hoheit
des Geiſtes ſey, deren Gefuͤhl ſie den Umſtehenden
mittheilen moͤchte.

Genung! Empfindungen die einen betraͤchtlichen
Aufwand von Staͤrke, Feſtigkeit und Hoheit der
Seele erfordern, ſuͤblime Empfindungen, aͤußern ſich
ſelten anders als durch Worte bei ruhigem Koͤrper;
laſſen ſich daher nicht beſtimmt deutlich durch das Ge-
maͤhlde machen, und verlieren aus eben dieſem
Grunde ihre aͤſthetiſche Wuͤrkung. Die Worte des
Corneille: qu’ il mourut, die er dem Vater der
Horazier in den Mund legt, macht keine Pantomime
deutlich. Der Anfang der Rede des Germanicus,
die Empfindung: Unbekannte werden mich beweinen,
ihr werdet mich raͤchen, kann der Pinſel nicht ver-
ſinnlichen.

Hingegen alle die Empfindungen, die ſich gerne
durch Gebaͤrden mittheilen, dieſe als ein nothwen-
diges Verſtaͤrkungsmittel des Eindrucks, gleichſam

als
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[300/0314] Pallaſt Barberini. Es ſind naͤmlich unter dieſen Empfindungen und Gefuͤhlen einige, die, ſo zu ſagen, mehr intenſiv als extenſiv, concentriſch als excentriſch wuͤrken: bei de- nen die Seele entweder ihre Kraͤfte zu ſehr innerlich braucht, um ſie nach außen zu wuͤrken zu laſſen, oder die Umſtehenden auf die ſie wuͤrken will, durch die bloße Groͤße der Empfindung zu ſehr erſchuͤttert glaubt, um nicht der Mitwuͤrkung der Gebaͤrden uͤberhoben zu ſeyn. Vielleicht glaubt ſie auch, daß die aͤußere Ruhe, den Begriff der Leichtigkeit erhoͤhe, mit der ſie dieſe gewoͤhnlichen Menſchen uͤbernatuͤrlichen Geſinnungen hegt; oder endlich, daß aͤußere Ruhe eine weſentliche Eigenſchaft der Wuͤrde, der Hoheit des Geiſtes ſey, deren Gefuͤhl ſie den Umſtehenden mittheilen moͤchte. Genung! Empfindungen die einen betraͤchtlichen Aufwand von Staͤrke, Feſtigkeit und Hoheit der Seele erfordern, ſuͤblime Empfindungen, aͤußern ſich ſelten anders als durch Worte bei ruhigem Koͤrper; laſſen ſich daher nicht beſtimmt deutlich durch das Ge- maͤhlde machen, und verlieren aus eben dieſem Grunde ihre aͤſthetiſche Wuͤrkung. Die Worte des Corneille: qu’ il mourut, die er dem Vater der Horazier in den Mund legt, macht keine Pantomime deutlich. Der Anfang der Rede des Germanicus, die Empfindung: Unbekannte werden mich beweinen, ihr werdet mich raͤchen, kann der Pinſel nicht ver- ſinnlichen. Hingegen alle die Empfindungen, die ſich gerne durch Gebaͤrden mittheilen, dieſe als ein nothwen- diges Verſtaͤrkungsmittel des Eindrucks, gleichſam als

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/314>, abgerufen am 17.05.2024.