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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Barberini.
als Symbolen des Anziehens und Zurückstossens an-
sehen: Empfindungen der Zärtlichkeit, des Mitlei-
dens, der Furcht, des Zorns, des Hasses u. s. w.
sind für die Mahlerei äußerst geschickt. Sie sind deut-
lich, weil die handelnde Person nicht der Mahler sich
durch Gebärden deutlich machen will; sie rühren,
weil die handelnde Person nicht der Mahler durch
Gebärden rühren will.

Dies wäre also das zweite Erforderniß eines
interessanten Augenblicks für die Mahlerei: er muß
Empfindungen motiviren, die sich gern durch Ge-
bärden deutlich machen, deren Ausdruck bestimmt
ist, und deswegen das Herz zur Theilnehmung ein-
laden kann.

Ein drittes Erforderniß eines interessanten Au-
genblicks für die Mahlerei, besteht darin: daß er
bei den verschiedenen Personen, die zur Darstellung
einer Handlung concurriren, einen abwechselnden
Ausdruck motivire.

An und für sich ist es schon eine Regel der sicht-
baren Vollkommenheit, daß alle Einförmigkeit ver-
mieden werde. Dazu tritt aber noch der Umstand,
daß indem mehrere zusammen vereinigte Personen
durch ihre verschiedene Lage gegeneinander ihre ab-
wechselnden Gebärden wechselseitig motiviren, die
Auflösung des gemeinschaftlichen Zwecks erleichtert,
die Beurtheilung der Billigkeit und Wahrheit ihres
Antheils im Einzelnen aber erschweret wird. Die
Seele des Beschauers findet also zu gleicher Zeit eine
größere Unterhaltung ihrer Neugierde, und eine be-
quemere Befriedigung derselben.

Außer-

Pallaſt Barberini.
als Symbolen des Anziehens und Zuruͤckſtoſſens an-
ſehen: Empfindungen der Zaͤrtlichkeit, des Mitlei-
dens, der Furcht, des Zorns, des Haſſes u. ſ. w.
ſind fuͤr die Mahlerei aͤußerſt geſchickt. Sie ſind deut-
lich, weil die handelnde Perſon nicht der Mahler ſich
durch Gebaͤrden deutlich machen will; ſie ruͤhren,
weil die handelnde Perſon nicht der Mahler durch
Gebaͤrden ruͤhren will.

Dies waͤre alſo das zweite Erforderniß eines
intereſſanten Augenblicks fuͤr die Mahlerei: er muß
Empfindungen motiviren, die ſich gern durch Ge-
baͤrden deutlich machen, deren Ausdruck beſtimmt
iſt, und deswegen das Herz zur Theilnehmung ein-
laden kann.

Ein drittes Erforderniß eines intereſſanten Au-
genblicks fuͤr die Mahlerei, beſteht darin: daß er
bei den verſchiedenen Perſonen, die zur Darſtellung
einer Handlung concurriren, einen abwechſelnden
Ausdruck motivire.

An und fuͤr ſich iſt es ſchon eine Regel der ſicht-
baren Vollkommenheit, daß alle Einfoͤrmigkeit ver-
mieden werde. Dazu tritt aber noch der Umſtand,
daß indem mehrere zuſammen vereinigte Perſonen
durch ihre verſchiedene Lage gegeneinander ihre ab-
wechſelnden Gebaͤrden wechſelſeitig motiviren, die
Aufloͤſung des gemeinſchaftlichen Zwecks erleichtert,
die Beurtheilung der Billigkeit und Wahrheit ihres
Antheils im Einzelnen aber erſchweret wird. Die
Seele des Beſchauers findet alſo zu gleicher Zeit eine
groͤßere Unterhaltung ihrer Neugierde, und eine be-
quemere Befriedigung derſelben.

Außer-
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[301/0315] Pallaſt Barberini. als Symbolen des Anziehens und Zuruͤckſtoſſens an- ſehen: Empfindungen der Zaͤrtlichkeit, des Mitlei- dens, der Furcht, des Zorns, des Haſſes u. ſ. w. ſind fuͤr die Mahlerei aͤußerſt geſchickt. Sie ſind deut- lich, weil die handelnde Perſon nicht der Mahler ſich durch Gebaͤrden deutlich machen will; ſie ruͤhren, weil die handelnde Perſon nicht der Mahler durch Gebaͤrden ruͤhren will. Dies waͤre alſo das zweite Erforderniß eines intereſſanten Augenblicks fuͤr die Mahlerei: er muß Empfindungen motiviren, die ſich gern durch Ge- baͤrden deutlich machen, deren Ausdruck beſtimmt iſt, und deswegen das Herz zur Theilnehmung ein- laden kann. Ein drittes Erforderniß eines intereſſanten Au- genblicks fuͤr die Mahlerei, beſteht darin: daß er bei den verſchiedenen Perſonen, die zur Darſtellung einer Handlung concurriren, einen abwechſelnden Ausdruck motivire. An und fuͤr ſich iſt es ſchon eine Regel der ſicht- baren Vollkommenheit, daß alle Einfoͤrmigkeit ver- mieden werde. Dazu tritt aber noch der Umſtand, daß indem mehrere zuſammen vereinigte Perſonen durch ihre verſchiedene Lage gegeneinander ihre ab- wechſelnden Gebaͤrden wechſelſeitig motiviren, die Aufloͤſung des gemeinſchaftlichen Zwecks erleichtert, die Beurtheilung der Billigkeit und Wahrheit ihres Antheils im Einzelnen aber erſchweret wird. Die Seele des Beſchauers findet alſo zu gleicher Zeit eine groͤßere Unterhaltung ihrer Neugierde, und eine be- quemere Befriedigung derſelben. Außer-

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/315>, abgerufen am 21.11.2024.