höchsten Zwecke der Mahlerei, die Affekten der Seele mit Wahrheit darzustellen.
Man sieht wenig weitläuftige Compositionen von diesem Meister, aber diejenigen die uns übrig ge- blieben sind, verrathen einen überdachten Plan, und die Absicht, jede Figur einen bestimmten Antheil an der Haupthandlung nehmen zu lassen.
Seine Figuren haben Ausdruck: nur ist die Lieb- lichkeit seiner Weiberköpfe Minauderie, gezwungene Lieblichkeit. Auch sehen sie sich an Form alle unter einander ähnlich. Alle haben gekniffene Augen, ge- zogene Lippen, Grübchen in den Wangen. Wenn er Männer von schlechtem Charakter hat schildern wollen, so hat er den Ausdruck bis zur Carricatur übertrieben.
Er zeichnete gemeiniglich richtig, und immer sehr bestimmt. Vielleicht zu sehr, so daß seine Um- risse darüber hart geworden sind. Seine Hände sind wahr, und gewählt, aber doch zu knöchern. Die Gewänder zeigen das Nackende gut an, allein der Faltenschlag ist im kleinlichten Geschmack geordnet, und zu trocken ausgeführt.
Die Carnation fällt bei jugendlichen Figuren ins Weinhefenartige, bei älteren ins Nußbraune. Wah- re Mezzotinten kannte er nicht: aber die Localfarben der Gewänder sind rein, und noch jetzt frisch und wohl erhalten.
Vom Helldunkeln, und der damit correspondi- renden Gruppirung hatte er keinen Begriff. Er rundete jede Figur durch Abschwächung des Weißen,
vertrieb
Pallaſt Barberini.
hoͤchſten Zwecke der Mahlerei, die Affekten der Seele mit Wahrheit darzuſtellen.
Man ſieht wenig weitlaͤuftige Compoſitionen von dieſem Meiſter, aber diejenigen die uns uͤbrig ge- blieben ſind, verrathen einen uͤberdachten Plan, und die Abſicht, jede Figur einen beſtimmten Antheil an der Haupthandlung nehmen zu laſſen.
Seine Figuren haben Ausdruck: nur iſt die Lieb- lichkeit ſeiner Weiberkoͤpfe Minauderie, gezwungene Lieblichkeit. Auch ſehen ſie ſich an Form alle unter einander aͤhnlich. Alle haben gekniffene Augen, ge- zogene Lippen, Gruͤbchen in den Wangen. Wenn er Maͤnner von ſchlechtem Charakter hat ſchildern wollen, ſo hat er den Ausdruck bis zur Carricatur uͤbertrieben.
Er zeichnete gemeiniglich richtig, und immer ſehr beſtimmt. Vielleicht zu ſehr, ſo daß ſeine Um- riſſe daruͤber hart geworden ſind. Seine Haͤnde ſind wahr, und gewaͤhlt, aber doch zu knoͤchern. Die Gewaͤnder zeigen das Nackende gut an, allein der Faltenſchlag iſt im kleinlichten Geſchmack geordnet, und zu trocken ausgefuͤhrt.
Die Carnation faͤllt bei jugendlichen Figuren ins Weinhefenartige, bei aͤlteren ins Nußbraune. Wah- re Mezzotinten kannte er nicht: aber die Localfarben der Gewaͤnder ſind rein, und noch jetzt friſch und wohl erhalten.
Vom Helldunkeln, und der damit correſpondi- renden Gruppirung hatte er keinen Begriff. Er rundete jede Figur durch Abſchwaͤchung des Weißen,
vertrieb
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[311/0325]
Pallaſt Barberini.
hoͤchſten Zwecke der Mahlerei, die Affekten der Seele
mit Wahrheit darzuſtellen.
Man ſieht wenig weitlaͤuftige Compoſitionen von
dieſem Meiſter, aber diejenigen die uns uͤbrig ge-
blieben ſind, verrathen einen uͤberdachten Plan, und
die Abſicht, jede Figur einen beſtimmten Antheil an
der Haupthandlung nehmen zu laſſen.
Seine Figuren haben Ausdruck: nur iſt die Lieb-
lichkeit ſeiner Weiberkoͤpfe Minauderie, gezwungene
Lieblichkeit. Auch ſehen ſie ſich an Form alle unter
einander aͤhnlich. Alle haben gekniffene Augen, ge-
zogene Lippen, Gruͤbchen in den Wangen. Wenn
er Maͤnner von ſchlechtem Charakter hat ſchildern
wollen, ſo hat er den Ausdruck bis zur Carricatur
uͤbertrieben.
Er zeichnete gemeiniglich richtig, und immer
ſehr beſtimmt. Vielleicht zu ſehr, ſo daß ſeine Um-
riſſe daruͤber hart geworden ſind. Seine Haͤnde ſind
wahr, und gewaͤhlt, aber doch zu knoͤchern. Die
Gewaͤnder zeigen das Nackende gut an, allein der
Faltenſchlag iſt im kleinlichten Geſchmack geordnet,
und zu trocken ausgefuͤhrt.
Die Carnation faͤllt bei jugendlichen Figuren ins
Weinhefenartige, bei aͤlteren ins Nußbraune. Wah-
re Mezzotinten kannte er nicht: aber die Localfarben
der Gewaͤnder ſind rein, und noch jetzt friſch und
wohl erhalten.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/325>, abgerufen am 16.02.2025.
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