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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Albani.

Man kann einwenden: die Musen und Apollo
ruhen hier neben einander; es ist schon interessant ge-
nung, zehn weibliche Figuren von verschiedener
Schönheit neben einem schönen jungen Mann in
schwesterlicher und brüderlicher Einigkeit zu erblicken:
Allein dieses unbefangene Ruhen neben einander würde
doch immer mit einem gewissen Ausdruck eines wech-
selseitigen zärtlichen Genusses vergesellschaftet seyn
müssen, wenn nicht dem Endzweck, dem Auge
schöne Formen darzubieten, auch der besondere, und
der Mahlerei gewiß wichtigere, durch den Ausdruck
des Antheils, den der Mensch an den neben ihm
handelnden Menschen nimmt, mehrere Figuren zu
einem Ganzen zu verbinden, aufgeopfert werden sollte.

Die Musen hätten, -- ein Bild der Harmonie
zwischen Künsten und Wissenschaften -- mit Rosen-
kränzen umwunden, sich im frohen Reihetanze dre-
hen, oder mit Entzücken auf die Gesänge des Apollo
horchen, oder einen ihrer Lieblinge, allenfalls den
Cardinal Albani selbst zu ihren Geheimnissen ein-
weihen, ihm den Becher angefüllt mit dem Wasser
der heiligen Quelle reichen können. Dann hätten
die neben einander gestellten Figuren uns auf den
Begriff des verschwisterten Bandes zurückgeführt.
So aber stehen sie, außer den beiden, die mit einan-
der tanzen, wie einzelne Statuen, als Clio, als
Melpomene, als Thalia, jede für sich, jede nur mit
der Arbeit beschäfftigt, die ihnen der Dichter anwei-
set, wenn er sie einzeln braucht.

Aber selbst in dieser Rücksicht ist nicht immer der
allgemeine festgesetzte Charakter beibehalten. Die

süßli-
Villa Albani.

Man kann einwenden: die Muſen und Apollo
ruhen hier neben einander; es iſt ſchon intereſſant ge-
nung, zehn weibliche Figuren von verſchiedener
Schoͤnheit neben einem ſchoͤnen jungen Mann in
ſchweſterlicher und bruͤderlicher Einigkeit zu erblicken:
Allein dieſes unbefangene Ruhen neben einander wuͤrde
doch immer mit einem gewiſſen Ausdruck eines wech-
ſelſeitigen zaͤrtlichen Genuſſes vergeſellſchaftet ſeyn
muͤſſen, wenn nicht dem Endzweck, dem Auge
ſchoͤne Formen darzubieten, auch der beſondere, und
der Mahlerei gewiß wichtigere, durch den Ausdruck
des Antheils, den der Menſch an den neben ihm
handelnden Menſchen nimmt, mehrere Figuren zu
einem Ganzen zu verbinden, aufgeopfert werden ſollte.

Die Muſen haͤtten, — ein Bild der Harmonie
zwiſchen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften — mit Roſen-
kraͤnzen umwunden, ſich im frohen Reihetanze dre-
hen, oder mit Entzuͤcken auf die Geſaͤnge des Apollo
horchen, oder einen ihrer Lieblinge, allenfalls den
Cardinal Albani ſelbſt zu ihren Geheimniſſen ein-
weihen, ihm den Becher angefuͤllt mit dem Waſſer
der heiligen Quelle reichen koͤnnen. Dann haͤtten
die neben einander geſtellten Figuren uns auf den
Begriff des verſchwiſterten Bandes zuruͤckgefuͤhrt.
So aber ſtehen ſie, außer den beiden, die mit einan-
der tanzen, wie einzelne Statuen, als Clio, als
Melpomene, als Thalia, jede fuͤr ſich, jede nur mit
der Arbeit beſchaͤfftigt, die ihnen der Dichter anwei-
ſet, wenn er ſie einzeln braucht.

Aber ſelbſt in dieſer Ruͤckſicht iſt nicht immer der
allgemeine feſtgeſetzte Charakter beibehalten. Die

ſuͤßli-
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[27/0041] Villa Albani. Man kann einwenden: die Muſen und Apollo ruhen hier neben einander; es iſt ſchon intereſſant ge- nung, zehn weibliche Figuren von verſchiedener Schoͤnheit neben einem ſchoͤnen jungen Mann in ſchweſterlicher und bruͤderlicher Einigkeit zu erblicken: Allein dieſes unbefangene Ruhen neben einander wuͤrde doch immer mit einem gewiſſen Ausdruck eines wech- ſelſeitigen zaͤrtlichen Genuſſes vergeſellſchaftet ſeyn muͤſſen, wenn nicht dem Endzweck, dem Auge ſchoͤne Formen darzubieten, auch der beſondere, und der Mahlerei gewiß wichtigere, durch den Ausdruck des Antheils, den der Menſch an den neben ihm handelnden Menſchen nimmt, mehrere Figuren zu einem Ganzen zu verbinden, aufgeopfert werden ſollte. Die Muſen haͤtten, — ein Bild der Harmonie zwiſchen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften — mit Roſen- kraͤnzen umwunden, ſich im frohen Reihetanze dre- hen, oder mit Entzuͤcken auf die Geſaͤnge des Apollo horchen, oder einen ihrer Lieblinge, allenfalls den Cardinal Albani ſelbſt zu ihren Geheimniſſen ein- weihen, ihm den Becher angefuͤllt mit dem Waſſer der heiligen Quelle reichen koͤnnen. Dann haͤtten die neben einander geſtellten Figuren uns auf den Begriff des verſchwiſterten Bandes zuruͤckgefuͤhrt. So aber ſtehen ſie, außer den beiden, die mit einan- der tanzen, wie einzelne Statuen, als Clio, als Melpomene, als Thalia, jede fuͤr ſich, jede nur mit der Arbeit beſchaͤfftigt, die ihnen der Dichter anwei- ſet, wenn er ſie einzeln braucht. Aber ſelbſt in dieſer Ruͤckſicht iſt nicht immer der allgemeine feſtgeſetzte Charakter beibehalten. Die ſuͤßli-

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/41>, abgerufen am 30.04.2024.