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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Albani.

Lassen Sie mich meine bisherigen Bemerkungen
noch einmal unter einem Gesichtspunkt zusammen-
fassen.

Die Sculptur liefert den Genuß schöner Gestal-
ten vollständiger als jede andere bildende Kunst:
hingegen zur vollständigen Darstellung einer Hand-
lung, zum Ausdruck einer wirklich thätigen Seele,
in der Lage, die diese Thätigkeit rechtfertigt, ist sie
weniger geschickt. Dieser letzte Vorzug gebührt der
Mahlerei in einem Grade, den keine andere Kunst
erreicht; dagegen gewährt sie den Eindruck einer schö-
nen Bildung mangelhafter als die Bildhauerkunst.

Nun soll jede Kunst dasjenige am liebsten her-
vorbringen wollen, was sie am vollständigsten her-
vorbringen kann: mithin muß die Bildhauerkunst
in allen Fällen, wo sich Schönheit der Bildung und
Ausdruck einer thätigen Seele in gleicher Vollkom-
menheit nicht erreichen lassen, lieber die Seele in
Ruhe lassen, auf den Antheil, den wir an ihrem in-
teressirten Zustande nehmen, in der größten Vollkom-
menheit Verzicht leisten, um das Anziehende einer
schönen Gestalt zu bewahren, und umgekehrt die
Mahlerei lieber weniger vollkommen an Gestalt und
desto wahrer im Ausdruck derjenigen Fassung der
Seele seyn, welche die Handlung erfordert.

Aber sollten sich nicht beide in einem gleich hohen
Grade vereinigen lassen? Da die Alten auf dieser
Stufe der Vollkommenheit gestanden haben, warum
sollten nicht wir Neueren? --

Wir wissen nichts gewisses von den historischen
Compositionen der alten Mahler. Es hat sich kein

vor-
Villa Albani.

Laſſen Sie mich meine bisherigen Bemerkungen
noch einmal unter einem Geſichtspunkt zuſammen-
faſſen.

Die Sculptur liefert den Genuß ſchoͤner Geſtal-
ten vollſtaͤndiger als jede andere bildende Kunſt:
hingegen zur vollſtaͤndigen Darſtellung einer Hand-
lung, zum Ausdruck einer wirklich thaͤtigen Seele,
in der Lage, die dieſe Thaͤtigkeit rechtfertigt, iſt ſie
weniger geſchickt. Dieſer letzte Vorzug gebuͤhrt der
Mahlerei in einem Grade, den keine andere Kunſt
erreicht; dagegen gewaͤhrt ſie den Eindruck einer ſchoͤ-
nen Bildung mangelhafter als die Bildhauerkunſt.

Nun ſoll jede Kunſt dasjenige am liebſten her-
vorbringen wollen, was ſie am vollſtaͤndigſten her-
vorbringen kann: mithin muß die Bildhauerkunſt
in allen Faͤllen, wo ſich Schoͤnheit der Bildung und
Ausdruck einer thaͤtigen Seele in gleicher Vollkom-
menheit nicht erreichen laſſen, lieber die Seele in
Ruhe laſſen, auf den Antheil, den wir an ihrem in-
tereſſirten Zuſtande nehmen, in der groͤßten Vollkom-
menheit Verzicht leiſten, um das Anziehende einer
ſchoͤnen Geſtalt zu bewahren, und umgekehrt die
Mahlerei lieber weniger vollkommen an Geſtalt und
deſto wahrer im Ausdruck derjenigen Faſſung der
Seele ſeyn, welche die Handlung erfordert.

Aber ſollten ſich nicht beide in einem gleich hohen
Grade vereinigen laſſen? Da die Alten auf dieſer
Stufe der Vollkommenheit geſtanden haben, warum
ſollten nicht wir Neueren? —

Wir wiſſen nichts gewiſſes von den hiſtoriſchen
Compoſitionen der alten Mahler. Es hat ſich kein

vor-
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[42/0056] Villa Albani. Laſſen Sie mich meine bisherigen Bemerkungen noch einmal unter einem Geſichtspunkt zuſammen- faſſen. Die Sculptur liefert den Genuß ſchoͤner Geſtal- ten vollſtaͤndiger als jede andere bildende Kunſt: hingegen zur vollſtaͤndigen Darſtellung einer Hand- lung, zum Ausdruck einer wirklich thaͤtigen Seele, in der Lage, die dieſe Thaͤtigkeit rechtfertigt, iſt ſie weniger geſchickt. Dieſer letzte Vorzug gebuͤhrt der Mahlerei in einem Grade, den keine andere Kunſt erreicht; dagegen gewaͤhrt ſie den Eindruck einer ſchoͤ- nen Bildung mangelhafter als die Bildhauerkunſt. Nun ſoll jede Kunſt dasjenige am liebſten her- vorbringen wollen, was ſie am vollſtaͤndigſten her- vorbringen kann: mithin muß die Bildhauerkunſt in allen Faͤllen, wo ſich Schoͤnheit der Bildung und Ausdruck einer thaͤtigen Seele in gleicher Vollkom- menheit nicht erreichen laſſen, lieber die Seele in Ruhe laſſen, auf den Antheil, den wir an ihrem in- tereſſirten Zuſtande nehmen, in der groͤßten Vollkom- menheit Verzicht leiſten, um das Anziehende einer ſchoͤnen Geſtalt zu bewahren, und umgekehrt die Mahlerei lieber weniger vollkommen an Geſtalt und deſto wahrer im Ausdruck derjenigen Faſſung der Seele ſeyn, welche die Handlung erfordert. Aber ſollten ſich nicht beide in einem gleich hohen Grade vereinigen laſſen? Da die Alten auf dieſer Stufe der Vollkommenheit geſtanden haben, warum ſollten nicht wir Neueren? — Wir wiſſen nichts gewiſſes von den hiſtoriſchen Compoſitionen der alten Mahler. Es hat ſich kein vor-

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/56>, abgerufen am 24.11.2024.