Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Pallast Colonna.
In einem darauf folgenden
Saale.

Zwei der besten Landschaften des Ori-
zonte.

Eine sehr schöne Marine von Lucatelli.

Zwei Poussins in Wasserfarben.

Die berühm-
te Cencia.

+ Die berühmte Cencia. So nennt man
einen weiblichen Kopf, der die Gewähr für jene
Worte eines unsrer berühmtesten dramatischen Schrift-
steller leistet: Die Natur wollte bei der Bildung des
Weibes ihr Meisterstück machen, aber sie nahm den
Stoff zu fein. Wo wäre der determinirteste Ehescheue,
der gegen das Glück, das ihm aus diesen Augen voll
unaussprechlicher Sanftmuth, Hingebung und Em-
pfindbarkeit versprochen würde, nicht gern allen Vor-
zügen des ungebundenen Standes entsagte? Wo der
Spötter des weiblichen Geschlechts, dessen Pfeile an
diesen Zügen voll unbefangener Unschuld nicht stumpf
zu Boden fielen? Kein Gedanke an ein anderes
Gesetz, als das was die Natur ihrem Herzen ein-
schrieb, hat dieses je in heftigere Bewegung gesetzt,
und sind ihr Wünsche übrig geblieben; -- sie wird
die Gewährung mit Dankbarkeit, die Versagung
ohne Murren tragen.

Kurz! Cencia ist das Ideal der sanftesten, ge-
fühlvollesten, reinsten und duldsamsten weiblichen
Seele, nicht das Ideal der Formen, nicht eines
hohen Ausdrucks. Man kann schöner seyn, viel-
leicht interessanter, aber liebenswürdiger ist man nicht.

Diese Liebenswürdigkeit, diese Liebenswürdig-
keit des Herzens, die aller Herzen gewinnt, ist die

Ursache
Pallaſt Colonna.
In einem darauf folgenden
Saale.

Zwei der beſten Landſchaften des Ori-
zonte.

Eine ſehr ſchoͤne Marine von Lucatelli.

Zwei Pouſſins in Waſſerfarben.

Die beruͤhm-
te Cencia.

† Die beruͤhmte Cencia. So nennt man
einen weiblichen Kopf, der die Gewaͤhr fuͤr jene
Worte eines unſrer beruͤhmteſten dramatiſchen Schrift-
ſteller leiſtet: Die Natur wollte bei der Bildung des
Weibes ihr Meiſterſtuͤck machen, aber ſie nahm den
Stoff zu fein. Wo waͤre der determinirteſte Eheſcheue,
der gegen das Gluͤck, das ihm aus dieſen Augen voll
unausſprechlicher Sanftmuth, Hingebung und Em-
pfindbarkeit verſprochen wuͤrde, nicht gern allen Vor-
zuͤgen des ungebundenen Standes entſagte? Wo der
Spoͤtter des weiblichen Geſchlechts, deſſen Pfeile an
dieſen Zuͤgen voll unbefangener Unſchuld nicht ſtumpf
zu Boden fielen? Kein Gedanke an ein anderes
Geſetz, als das was die Natur ihrem Herzen ein-
ſchrieb, hat dieſes je in heftigere Bewegung geſetzt,
und ſind ihr Wuͤnſche uͤbrig geblieben; — ſie wird
die Gewaͤhrung mit Dankbarkeit, die Verſagung
ohne Murren tragen.

Kurz! Cencia iſt das Ideal der ſanfteſten, ge-
fuͤhlvolleſten, reinſten und duldſamſten weiblichen
Seele, nicht das Ideal der Formen, nicht eines
hohen Ausdrucks. Man kann ſchoͤner ſeyn, viel-
leicht intereſſanter, aber liebenswuͤrdiger iſt man nicht.

Dieſe Liebenswuͤrdigkeit, dieſe Liebenswuͤrdig-
keit des Herzens, die aller Herzen gewinnt, iſt die

Urſache
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0076" n="62"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Palla&#x017F;t Colonna.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#g">In einem darauf folgenden<lb/>
Saale.</hi> </head><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Zwei der be&#x017F;ten Land&#x017F;chaften des Ori-<lb/>
zonte.</hi> </p><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Eine &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ne Marine von Lucatelli.</hi> </p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Zwei Pou&#x017F;&#x017F;ins</hi> in Wa&#x017F;&#x017F;erfarben.</p><lb/>
            <note place="left">Die beru&#x0364;hm-<lb/>
te Cencia.</note>
            <p><hi rendition="#fr">&#x2020; Die beru&#x0364;hmte Cencia.</hi> So nennt man<lb/>
einen weiblichen Kopf, der die Gewa&#x0364;hr fu&#x0364;r jene<lb/>
Worte eines un&#x017F;rer beru&#x0364;hmte&#x017F;ten dramati&#x017F;chen Schrift-<lb/>
&#x017F;teller lei&#x017F;tet: Die Natur wollte bei der Bildung des<lb/>
Weibes ihr Mei&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;ck machen, aber &#x017F;ie nahm den<lb/>
Stoff zu fein. Wo wa&#x0364;re der determinirte&#x017F;te Ehe&#x017F;cheue,<lb/>
der gegen das Glu&#x0364;ck, das ihm aus die&#x017F;en Augen voll<lb/>
unaus&#x017F;prechlicher Sanftmuth, Hingebung und Em-<lb/>
pfindbarkeit ver&#x017F;prochen wu&#x0364;rde, nicht gern allen Vor-<lb/>
zu&#x0364;gen des ungebundenen Standes ent&#x017F;agte? Wo der<lb/>
Spo&#x0364;tter des weiblichen Ge&#x017F;chlechts, de&#x017F;&#x017F;en Pfeile an<lb/>
die&#x017F;en Zu&#x0364;gen voll unbefangener Un&#x017F;chuld nicht &#x017F;tumpf<lb/>
zu Boden fielen? Kein Gedanke an ein anderes<lb/>
Ge&#x017F;etz, als das was die Natur ihrem Herzen ein-<lb/>
&#x017F;chrieb, hat die&#x017F;es je in heftigere Bewegung ge&#x017F;etzt,<lb/>
und &#x017F;ind ihr Wu&#x0364;n&#x017F;che u&#x0364;brig geblieben; &#x2014; &#x017F;ie wird<lb/>
die Gewa&#x0364;hrung mit Dankbarkeit, die Ver&#x017F;agung<lb/>
ohne Murren tragen.</p><lb/>
            <p>Kurz! Cencia i&#x017F;t das Ideal der &#x017F;anfte&#x017F;ten, ge-<lb/>
fu&#x0364;hlvolle&#x017F;ten, rein&#x017F;ten und duld&#x017F;am&#x017F;ten weiblichen<lb/>
Seele, nicht das Ideal der Formen, nicht eines<lb/>
hohen Ausdrucks. Man kann &#x017F;cho&#x0364;ner &#x017F;eyn, viel-<lb/>
leicht intere&#x017F;&#x017F;anter, aber liebenswu&#x0364;rdiger i&#x017F;t man nicht.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Liebenswu&#x0364;rdigkeit, die&#x017F;e Liebenswu&#x0364;rdig-<lb/>
keit des Herzens, die aller Herzen gewinnt, i&#x017F;t die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ur&#x017F;ache</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0076] Pallaſt Colonna. In einem darauf folgenden Saale. Zwei der beſten Landſchaften des Ori- zonte. Eine ſehr ſchoͤne Marine von Lucatelli. Zwei Pouſſins in Waſſerfarben. † Die beruͤhmte Cencia. So nennt man einen weiblichen Kopf, der die Gewaͤhr fuͤr jene Worte eines unſrer beruͤhmteſten dramatiſchen Schrift- ſteller leiſtet: Die Natur wollte bei der Bildung des Weibes ihr Meiſterſtuͤck machen, aber ſie nahm den Stoff zu fein. Wo waͤre der determinirteſte Eheſcheue, der gegen das Gluͤck, das ihm aus dieſen Augen voll unausſprechlicher Sanftmuth, Hingebung und Em- pfindbarkeit verſprochen wuͤrde, nicht gern allen Vor- zuͤgen des ungebundenen Standes entſagte? Wo der Spoͤtter des weiblichen Geſchlechts, deſſen Pfeile an dieſen Zuͤgen voll unbefangener Unſchuld nicht ſtumpf zu Boden fielen? Kein Gedanke an ein anderes Geſetz, als das was die Natur ihrem Herzen ein- ſchrieb, hat dieſes je in heftigere Bewegung geſetzt, und ſind ihr Wuͤnſche uͤbrig geblieben; — ſie wird die Gewaͤhrung mit Dankbarkeit, die Verſagung ohne Murren tragen. Kurz! Cencia iſt das Ideal der ſanfteſten, ge- fuͤhlvolleſten, reinſten und duldſamſten weiblichen Seele, nicht das Ideal der Formen, nicht eines hohen Ausdrucks. Man kann ſchoͤner ſeyn, viel- leicht intereſſanter, aber liebenswuͤrdiger iſt man nicht. Dieſe Liebenswuͤrdigkeit, dieſe Liebenswuͤrdig- keit des Herzens, die aller Herzen gewinnt, iſt die Urſache

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/76
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/76>, abgerufen am 21.11.2024.