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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Colonna.
Ursache gewesen, warum man die Gestalt, die sie in
ihren Zügen zeigt, so gern überall hat um sich haben
mögen. Von keinem Gemählde sieht man häufigere
Copien als von diesem.

Nimmt man den Nahmen, den man diesem
Kopfe beilegt, als gewiß an, so gehört er einer Va-
termörderin. Man trägt sich nämlich in Rom mit
einer Geschichte, nach welcher der Ort, wo gegen-
wärtig die Villa Borghese befindlich ist, die Besitzung
einer reichen Familie war, Cenci genannt. Das
Haupt derselben, ein Ausbund aller Laster, hat,
nach eben dieser Sage, wiederholte Angriffe auf die
Unschuld seiner Tochter gewagt, denen zu entgehen,
diese einige Mörder, den unnatürlichen Vater umzu-
bringen, bestellte. Als diese schon in der Kammer
verborgen waren, hat die Tochter den Dolch ergrif-
fen, und den Vater selbst im Schlafe erstochen.
Mutter und Bruder haben darum gewußt: Sie sind
alle drei vor der Engelsburg enthauptet worden, und
die päbstliche Kammer hat ihr Vermögen eingezogen,
von dem der Cardinal Scipio Borghese, Neffe des
damaligen Pabstes Paul des 5ten an dem Platze,
dessen Besitzung einen Theil desselben ausmachte, die
berühmte Villa Borghese angelegt hat.

Andere geben der Geschichte eine andere Wen-
dung, glauben die Familie sey blos ein Opfer der
Haabsucht der Familie Borghese geworden, und
das angedichtete Laster eine Beschönigung ihrer Bos-
heit. Andere leugnen sie ganz ab, und gewiß ist es,
daß sie nicht vielmehr, als die Autorität einer italie-
nischen Novelle für sich hat, die im Manuscript

in

Pallaſt Colonna.
Urſache geweſen, warum man die Geſtalt, die ſie in
ihren Zuͤgen zeigt, ſo gern uͤberall hat um ſich haben
moͤgen. Von keinem Gemaͤhlde ſieht man haͤufigere
Copien als von dieſem.

Nimmt man den Nahmen, den man dieſem
Kopfe beilegt, als gewiß an, ſo gehoͤrt er einer Va-
termoͤrderin. Man traͤgt ſich naͤmlich in Rom mit
einer Geſchichte, nach welcher der Ort, wo gegen-
waͤrtig die Villa Borgheſe befindlich iſt, die Beſitzung
einer reichen Familie war, Cenci genannt. Das
Haupt derſelben, ein Ausbund aller Laſter, hat,
nach eben dieſer Sage, wiederholte Angriffe auf die
Unſchuld ſeiner Tochter gewagt, denen zu entgehen,
dieſe einige Moͤrder, den unnatuͤrlichen Vater umzu-
bringen, beſtellte. Als dieſe ſchon in der Kammer
verborgen waren, hat die Tochter den Dolch ergrif-
fen, und den Vater ſelbſt im Schlafe erſtochen.
Mutter und Bruder haben darum gewußt: Sie ſind
alle drei vor der Engelsburg enthauptet worden, und
die paͤbſtliche Kammer hat ihr Vermoͤgen eingezogen,
von dem der Cardinal Scipio Borgheſe, Neffe des
damaligen Pabſtes Paul des 5ten an dem Platze,
deſſen Beſitzung einen Theil deſſelben ausmachte, die
beruͤhmte Villa Borgheſe angelegt hat.

Andere geben der Geſchichte eine andere Wen-
dung, glauben die Familie ſey blos ein Opfer der
Haabſucht der Familie Borgheſe geworden, und
das angedichtete Laſter eine Beſchoͤnigung ihrer Bos-
heit. Andere leugnen ſie ganz ab, und gewiß iſt es,
daß ſie nicht vielmehr, als die Autoritaͤt einer italie-
niſchen Novelle fuͤr ſich hat, die im Manuſcript

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[63/0077] Pallaſt Colonna. Urſache geweſen, warum man die Geſtalt, die ſie in ihren Zuͤgen zeigt, ſo gern uͤberall hat um ſich haben moͤgen. Von keinem Gemaͤhlde ſieht man haͤufigere Copien als von dieſem. Nimmt man den Nahmen, den man dieſem Kopfe beilegt, als gewiß an, ſo gehoͤrt er einer Va- termoͤrderin. Man traͤgt ſich naͤmlich in Rom mit einer Geſchichte, nach welcher der Ort, wo gegen- waͤrtig die Villa Borgheſe befindlich iſt, die Beſitzung einer reichen Familie war, Cenci genannt. Das Haupt derſelben, ein Ausbund aller Laſter, hat, nach eben dieſer Sage, wiederholte Angriffe auf die Unſchuld ſeiner Tochter gewagt, denen zu entgehen, dieſe einige Moͤrder, den unnatuͤrlichen Vater umzu- bringen, beſtellte. Als dieſe ſchon in der Kammer verborgen waren, hat die Tochter den Dolch ergrif- fen, und den Vater ſelbſt im Schlafe erſtochen. Mutter und Bruder haben darum gewußt: Sie ſind alle drei vor der Engelsburg enthauptet worden, und die paͤbſtliche Kammer hat ihr Vermoͤgen eingezogen, von dem der Cardinal Scipio Borgheſe, Neffe des damaligen Pabſtes Paul des 5ten an dem Platze, deſſen Beſitzung einen Theil deſſelben ausmachte, die beruͤhmte Villa Borgheſe angelegt hat. Andere geben der Geſchichte eine andere Wen- dung, glauben die Familie ſey blos ein Opfer der Haabſucht der Familie Borgheſe geworden, und das angedichtete Laſter eine Beſchoͤnigung ihrer Bos- heit. Andere leugnen ſie ganz ab, und gewiß iſt es, daß ſie nicht vielmehr, als die Autoritaͤt einer italie- niſchen Novelle fuͤr ſich hat, die im Manuſcript in

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/77>, abgerufen am 21.05.2024.