Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Pallast Colonna.
die Schatten fallen ins braunröthliche. Wahrschein-
lich ist es von späterer Hand: Doch! es sey von wem
es wolle, es bleibt immer ein sehr angenehmes Bild.

Eine sehr interessante Frage würde es seyn:Wahrschein-
lichkeit über
Wahrheit in
den bilden-
den Künsten.

wenn dieser Kopf wirklich der Cencia gehört hätte,
wäre der Mahler, der sie in dem Augenblicke der
Ermordung ihres Vaters hätte darstellen wollen, be-
rechtigt gewesen, denselben beizubehalten, da er so
sehr mit dem Charakter contrastirt, von dem wir eine
so kühne That erwarten dürfen?

Ich glaube nicht: und zwar nach der Regel,
daß in den bildenden Künsten das Wahre dem Wahr-
scheinlichen aufgeopfert werden müsse. Der Dichter
könnte durch Entwickelung einer Reihe von Atrocitä-
ten es vielleicht wahrscheinlich machen, daß auch das
sanfteste Geschöpf endlich zu einem verzweifelten Ent-
schluß gegen den Urheber seiner Tage gebracht worden
wäre; aber der Mahler, der die handelnde Person
nur einmal zeigt, muß sie mit dem Charakter zeigen,
der die gegenwärtige Handlung am auffallendsten be-
greiflich macht: so wie ich sie da sehe, würde sie den
Stahl gegen sich selbst kehren, nicht gegen den Vater.

Eine Säule von Rosso Antico. Die dar-
an befindlichen Basreliefs sind mittelmäßig.


Zur Wohnung des Prinzen d'Avello ge-
hören noch einige Zimmer im obern Geschoß.

Hier findet man

Den verlohrnen Sohn von Salvator Rosa.
Ein Gassenjunge, der mit vieler Wahrheit darge-
stellt ist.

Meh-
Zweiter Theil. E

Pallaſt Colonna.
die Schatten fallen ins braunroͤthliche. Wahrſchein-
lich iſt es von ſpaͤterer Hand: Doch! es ſey von wem
es wolle, es bleibt immer ein ſehr angenehmes Bild.

Eine ſehr intereſſante Frage wuͤrde es ſeyn:Wahrſchein-
lichkeit uͤber
Wahrheit in
den bilden-
den Kuͤnſten.

wenn dieſer Kopf wirklich der Cencia gehoͤrt haͤtte,
waͤre der Mahler, der ſie in dem Augenblicke der
Ermordung ihres Vaters haͤtte darſtellen wollen, be-
rechtigt geweſen, denſelben beizubehalten, da er ſo
ſehr mit dem Charakter contraſtirt, von dem wir eine
ſo kuͤhne That erwarten duͤrfen?

Ich glaube nicht: und zwar nach der Regel,
daß in den bildenden Kuͤnſten das Wahre dem Wahr-
ſcheinlichen aufgeopfert werden muͤſſe. Der Dichter
koͤnnte durch Entwickelung einer Reihe von Atrocitaͤ-
ten es vielleicht wahrſcheinlich machen, daß auch das
ſanfteſte Geſchoͤpf endlich zu einem verzweifelten Ent-
ſchluß gegen den Urheber ſeiner Tage gebracht worden
waͤre; aber der Mahler, der die handelnde Perſon
nur einmal zeigt, muß ſie mit dem Charakter zeigen,
der die gegenwaͤrtige Handlung am auffallendſten be-
greiflich macht: ſo wie ich ſie da ſehe, wuͤrde ſie den
Stahl gegen ſich ſelbſt kehren, nicht gegen den Vater.

Eine Saͤule von Roſſo Antico. Die dar-
an befindlichen Basreliefs ſind mittelmaͤßig.


Zur Wohnung des Prinzen d’Avello ge-
hoͤren noch einige Zimmer im obern Geſchoß.

Hier findet man

Den verlohrnen Sohn von Salvator Roſa.
Ein Gaſſenjunge, der mit vieler Wahrheit darge-
ſtellt iſt.

Meh-
Zweiter Theil. E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0079" n="65"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Palla&#x017F;t Colonna.</hi></fw><lb/>
die Schatten fallen ins braunro&#x0364;thliche. Wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich i&#x017F;t es von &#x017F;pa&#x0364;terer Hand: Doch! es &#x017F;ey von wem<lb/>
es wolle, es bleibt immer ein &#x017F;ehr angenehmes Bild.</p><lb/>
            <p>Eine &#x017F;ehr intere&#x017F;&#x017F;ante Frage wu&#x0364;rde es &#x017F;eyn:<note place="right">Wahr&#x017F;chein-<lb/>
lichkeit u&#x0364;ber<lb/>
Wahrheit in<lb/>
den bilden-<lb/>
den Ku&#x0364;n&#x017F;ten.</note><lb/>
wenn die&#x017F;er Kopf wirklich der Cencia geho&#x0364;rt ha&#x0364;tte,<lb/>
wa&#x0364;re der Mahler, der &#x017F;ie in dem Augenblicke der<lb/>
Ermordung ihres Vaters ha&#x0364;tte dar&#x017F;tellen wollen, be-<lb/>
rechtigt gewe&#x017F;en, den&#x017F;elben beizubehalten, da er &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr mit dem Charakter contra&#x017F;tirt, von dem wir eine<lb/>
&#x017F;o ku&#x0364;hne That erwarten du&#x0364;rfen?</p><lb/>
            <p>Ich glaube nicht: und zwar nach der Regel,<lb/>
daß in den bildenden Ku&#x0364;n&#x017F;ten das Wahre dem Wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlichen aufgeopfert werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Der Dichter<lb/>
ko&#x0364;nnte durch Entwickelung einer Reihe von Atrocita&#x0364;-<lb/>
ten es vielleicht wahr&#x017F;cheinlich machen, daß auch das<lb/>
&#x017F;anfte&#x017F;te Ge&#x017F;cho&#x0364;pf endlich zu einem verzweifelten Ent-<lb/>
&#x017F;chluß gegen den Urheber &#x017F;einer Tage gebracht worden<lb/>
wa&#x0364;re; aber der Mahler, der die handelnde Per&#x017F;on<lb/>
nur einmal zeigt, muß &#x017F;ie mit dem Charakter zeigen,<lb/>
der die gegenwa&#x0364;rtige Handlung am auffallend&#x017F;ten be-<lb/>
greiflich macht: &#x017F;o wie ich &#x017F;ie da &#x017F;ehe, wu&#x0364;rde &#x017F;ie den<lb/>
Stahl gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t kehren, nicht gegen den Vater.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Eine Sa&#x0364;ule von Ro&#x017F;&#x017F;o Antico.</hi> Die dar-<lb/>
an befindlichen Basreliefs &#x017F;ind mittelma&#x0364;ßig.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p><hi rendition="#fr">Zur Wohnung des Prinzen d&#x2019;Avello ge-<lb/>
ho&#x0364;ren noch einige Zimmer im obern Ge&#x017F;choß.</hi><lb/>
Hier findet man</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Den verlohrnen Sohn</hi> von <hi rendition="#fr">Salvator Ro&#x017F;a.</hi><lb/>
Ein Ga&#x017F;&#x017F;enjunge, der mit vieler Wahrheit darge-<lb/>
&#x017F;tellt i&#x017F;t.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Zweiter Theil.</hi> E</fw>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Meh-</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0079] Pallaſt Colonna. die Schatten fallen ins braunroͤthliche. Wahrſchein- lich iſt es von ſpaͤterer Hand: Doch! es ſey von wem es wolle, es bleibt immer ein ſehr angenehmes Bild. Eine ſehr intereſſante Frage wuͤrde es ſeyn: wenn dieſer Kopf wirklich der Cencia gehoͤrt haͤtte, waͤre der Mahler, der ſie in dem Augenblicke der Ermordung ihres Vaters haͤtte darſtellen wollen, be- rechtigt geweſen, denſelben beizubehalten, da er ſo ſehr mit dem Charakter contraſtirt, von dem wir eine ſo kuͤhne That erwarten duͤrfen? Wahrſchein- lichkeit uͤber Wahrheit in den bilden- den Kuͤnſten. Ich glaube nicht: und zwar nach der Regel, daß in den bildenden Kuͤnſten das Wahre dem Wahr- ſcheinlichen aufgeopfert werden muͤſſe. Der Dichter koͤnnte durch Entwickelung einer Reihe von Atrocitaͤ- ten es vielleicht wahrſcheinlich machen, daß auch das ſanfteſte Geſchoͤpf endlich zu einem verzweifelten Ent- ſchluß gegen den Urheber ſeiner Tage gebracht worden waͤre; aber der Mahler, der die handelnde Perſon nur einmal zeigt, muß ſie mit dem Charakter zeigen, der die gegenwaͤrtige Handlung am auffallendſten be- greiflich macht: ſo wie ich ſie da ſehe, wuͤrde ſie den Stahl gegen ſich ſelbſt kehren, nicht gegen den Vater. Eine Saͤule von Roſſo Antico. Die dar- an befindlichen Basreliefs ſind mittelmaͤßig. Zur Wohnung des Prinzen d’Avello ge- hoͤren noch einige Zimmer im obern Geſchoß. Hier findet man Den verlohrnen Sohn von Salvator Roſa. Ein Gaſſenjunge, der mit vieler Wahrheit darge- ſtellt iſt. Meh- Zweiter Theil. E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/79
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/79>, abgerufen am 09.11.2024.