Die handelnde Darstellung setzt [h]ingegen im- mer den Begriff und die Erwartung einer innern würklich thätigen Kraft zum Voraus, die sich an der äußern Gestalt durch merkliche Abweichung von ihrer Lage in Ruhe zeiget; und da dieses ohne einen gewissen Grad von Affekt nicht geschehen kann, so kann man sich diese Gattung von Bildern, als Darstellung des Affekts, jene als Darstellung der ruhigen Gestalt deutlicher denken.
Hier aber findet sich wieder ein merkwürdiger Unterschied zwischen dem einfachen Bilde des Affekts, und zwischen der zusammengesetzten Vorstellung einer affektvollen Lage mehrerer Personen gegen einander.
Das einfache Bild des Affekts braucht mir die Veranlassung, die ihn rege macht, nicht zu sagen, so bald dieser nur einen Ausdruck motivirt, der sich auf mehrere Situationen einer Art anwenden läßt: z. E. der Ausfall eines Menschen, der sich verthei- diget, im Borghesischen Fechter: die reuige Zerknir- schung, in der Magdalena von Guido: der Ausdruck des Sterbens, im Ludovisischen Fechter: die nach- denkende Schwermuth, in der Statue aus der Villa Medicis, die ich Elektra genannt habe. Alle diese Bilder sind mir völlig verständlich, ob ich gleich nichts von der besondern Lage concurrirender Umstände weiß, welche die allgemein gewöhnliche Thätigkeit veranlaßt.
Ich verlange daher von dem Künstler nichts als Treue in der Darstellung der Aeußerung einer beweg- ten Seele am Körper: und man dürfte diese Art der bildenden Kunst, in Rücksicht auf Ausdruck, mit der lyrischen Poesie vergleichen, in der der Dichter den Empfindungen seines Herzens Luft macht, und alle
dieje-
Dritter Theil. H
Der kleine Pallaſt Farneſe.
Die handelnde Darſtellung ſetzt [h]ingegen im- mer den Begriff und die Erwartung einer innern wuͤrklich thaͤtigen Kraft zum Voraus, die ſich an der aͤußern Geſtalt durch merkliche Abweichung von ihrer Lage in Ruhe zeiget; und da dieſes ohne einen gewiſſen Grad von Affekt nicht geſchehen kann, ſo kann man ſich dieſe Gattung von Bildern, als Darſtellung des Affekts, jene als Darſtellung der ruhigen Geſtalt deutlicher denken.
Hier aber findet ſich wieder ein merkwuͤrdiger Unterſchied zwiſchen dem einfachen Bilde des Affekts, und zwiſchen der zuſammengeſetzten Vorſtellung einer affektvollen Lage mehrerer Perſonen gegen einander.
Das einfache Bild des Affekts braucht mir die Veranlaſſung, die ihn rege macht, nicht zu ſagen, ſo bald dieſer nur einen Ausdruck motivirt, der ſich auf mehrere Situationen einer Art anwenden laͤßt: z. E. der Ausfall eines Menſchen, der ſich verthei- diget, im Borgheſiſchen Fechter: die reuige Zerknir- ſchung, in der Magdalena von Guido: der Ausdruck des Sterbens, im Ludoviſiſchen Fechter: die nach- denkende Schwermuth, in der Statue aus der Villa Medicis, die ich Elektra genannt habe. Alle dieſe Bilder ſind mir voͤllig verſtaͤndlich, ob ich gleich nichts von der beſondern Lage concurrirender Umſtaͤnde weiß, welche die allgemein gewoͤhnliche Thaͤtigkeit veranlaßt.
Ich verlange daher von dem Kuͤnſtler nichts als Treue in der Darſtellung der Aeußerung einer beweg- ten Seele am Koͤrper: und man duͤrfte dieſe Art der bildenden Kunſt, in Ruͤckſicht auf Ausdruck, mit der lyriſchen Poeſie vergleichen, in der der Dichter den Empfindungen ſeines Herzens Luft macht, und alle
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Dritter Theil. H
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Der kleine Pallaſt Farneſe.
Die handelnde Darſtellung ſetzt hingegen im-
mer den Begriff und die Erwartung einer innern
wuͤrklich thaͤtigen Kraft zum Voraus, die ſich an der
aͤußern Geſtalt durch merkliche Abweichung von ihrer
Lage in Ruhe zeiget; und da dieſes ohne einen gewiſſen
Grad von Affekt nicht geſchehen kann, ſo kann man
ſich dieſe Gattung von Bildern, als Darſtellung des
Affekts, jene als Darſtellung der ruhigen Geſtalt
deutlicher denken.
Hier aber findet ſich wieder ein merkwuͤrdiger
Unterſchied zwiſchen dem einfachen Bilde des Affekts,
und zwiſchen der zuſammengeſetzten Vorſtellung einer
affektvollen Lage mehrerer Perſonen gegen einander.
Das einfache Bild des Affekts braucht mir die
Veranlaſſung, die ihn rege macht, nicht zu ſagen,
ſo bald dieſer nur einen Ausdruck motivirt, der ſich
auf mehrere Situationen einer Art anwenden laͤßt:
z. E. der Ausfall eines Menſchen, der ſich verthei-
diget, im Borgheſiſchen Fechter: die reuige Zerknir-
ſchung, in der Magdalena von Guido: der Ausdruck
des Sterbens, im Ludoviſiſchen Fechter: die nach-
denkende Schwermuth, in der Statue aus der Villa
Medicis, die ich Elektra genannt habe. Alle dieſe
Bilder ſind mir voͤllig verſtaͤndlich, ob ich gleich nichts
von der beſondern Lage concurrirender Umſtaͤnde weiß,
welche die allgemein gewoͤhnliche Thaͤtigkeit veranlaßt.
Ich verlange daher von dem Kuͤnſtler nichts als
Treue in der Darſtellung der Aeußerung einer beweg-
ten Seele am Koͤrper: und man duͤrfte dieſe Art der
bildenden Kunſt, in Ruͤckſicht auf Ausdruck, mit
der lyriſchen Poeſie vergleichen, in der der Dichter den
Empfindungen ſeines Herzens Luft macht, und alle
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Dritter Theil. H
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/137>, abgerufen am 24.11.2024.
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