nach Art der Künstler in der Kindheit der Kunst, -- nach der Natur zu tappen lerne.
Man setze den Knaben vor den Kopf eines leben- den Modelles hin, man lasse ihm ein Bildniß darnach verfertigen, und gebe ihm, besser als Papier oder Tuch, Thon zur Bearbeitung in die Hand. Durch Plastick ist wahrscheinlich das erste Bild von Menschenhand ent- standen, und so entstehe es durch die Hand des Kna- ben. Es wird ihm sein Verständniß über Ründung öffnen, es wird ihm die Verhältnisse des Originales leichter auszufinden lehren, weil die Unvollkommen- heit der Nachbildung auffallender ist. Jedes Objekt werde so viel möglich in seiner natürlichen Größe nach- gebildet: Man lobe das Gute mit Maaße: man tadle das Schlechte, indem man lieber wieder von neuem anzufangen, als das Alte zu verbessern befiehlt. Selbst das Spiel kann unterrichten: ein kleines Thea- ter wird gebauet, man staffirt es mit Wachs- oder Thonfiguren aus, man gruppiret, illuminirt, beleuch- tet sie nach den Regeln der Luft, der Linienperspektiv, des Contraposto, der Harmonie der Farben und des Helldunkeln. Der Zögling belustiget sich damit, und lernt, was das Kind am leichtesten begreifen kann, daß die rohe Einbildungskraft an Abwechselung und Einheit im Scheine das lebhafteste Vergnügen fin- det. Inzwischen die eigene Handanlegung ans Co- lorit, das in diesem Alter nur verführerische Schmiere- rei werden kann, möchte ich ganz davon entfernet halten.
So wird der Knabe Jüngling, und nun keine Spielerei mehr, sondern ernsthaftes, strenges Stu- dium, und zwar zuerst, als Grundlage aller Schön- heit, der Verhältnisse.
Wir
K 4
der Franzoͤſiſchen Academie.
nach Art der Kuͤnſtler in der Kindheit der Kunſt, — nach der Natur zu tappen lerne.
Man ſetze den Knaben vor den Kopf eines leben- den Modelles hin, man laſſe ihm ein Bildniß darnach verfertigen, und gebe ihm, beſſer als Papier oder Tuch, Thon zur Bearbeitung in die Hand. Durch Plaſtick iſt wahrſcheinlich das erſte Bild von Menſchenhand ent- ſtanden, und ſo entſtehe es durch die Hand des Kna- ben. Es wird ihm ſein Verſtaͤndniß uͤber Ruͤndung oͤffnen, es wird ihm die Verhaͤltniſſe des Originales leichter auszufinden lehren, weil die Unvollkommen- heit der Nachbildung auffallender iſt. Jedes Objekt werde ſo viel moͤglich in ſeiner natuͤrlichen Groͤße nach- gebildet: Man lobe das Gute mit Maaße: man tadle das Schlechte, indem man lieber wieder von neuem anzufangen, als das Alte zu verbeſſern befiehlt. Selbſt das Spiel kann unterrichten: ein kleines Thea- ter wird gebauet, man ſtaffirt es mit Wachs- oder Thonfiguren aus, man gruppiret, illuminirt, beleuch- tet ſie nach den Regeln der Luft, der Linienperſpektiv, des Contrapoſto, der Harmonie der Farben und des Helldunkeln. Der Zoͤgling beluſtiget ſich damit, und lernt, was das Kind am leichteſten begreifen kann, daß die rohe Einbildungskraft an Abwechſelung und Einheit im Scheine das lebhafteſte Vergnuͤgen fin- det. Inzwiſchen die eigene Handanlegung ans Co- lorit, das in dieſem Alter nur verfuͤhreriſche Schmiere- rei werden kann, moͤchte ich ganz davon entfernet halten.
So wird der Knabe Juͤngling, und nun keine Spielerei mehr, ſondern ernſthaftes, ſtrenges Stu- dium, und zwar zuerſt, als Grundlage aller Schoͤn- heit, der Verhaͤltniſſe.
Wir
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der Franzoͤſiſchen Academie.
nach Art der Kuͤnſtler in der Kindheit der Kunſt, —
nach der Natur zu tappen lerne.
Man ſetze den Knaben vor den Kopf eines leben-
den Modelles hin, man laſſe ihm ein Bildniß darnach
verfertigen, und gebe ihm, beſſer als Papier oder Tuch,
Thon zur Bearbeitung in die Hand. Durch Plaſtick iſt
wahrſcheinlich das erſte Bild von Menſchenhand ent-
ſtanden, und ſo entſtehe es durch die Hand des Kna-
ben. Es wird ihm ſein Verſtaͤndniß uͤber Ruͤndung
oͤffnen, es wird ihm die Verhaͤltniſſe des Originales
leichter auszufinden lehren, weil die Unvollkommen-
heit der Nachbildung auffallender iſt. Jedes Objekt
werde ſo viel moͤglich in ſeiner natuͤrlichen Groͤße nach-
gebildet: Man lobe das Gute mit Maaße: man tadle
das Schlechte, indem man lieber wieder von neuem
anzufangen, als das Alte zu verbeſſern befiehlt.
Selbſt das Spiel kann unterrichten: ein kleines Thea-
ter wird gebauet, man ſtaffirt es mit Wachs- oder
Thonfiguren aus, man gruppiret, illuminirt, beleuch-
tet ſie nach den Regeln der Luft, der Linienperſpektiv,
des Contrapoſto, der Harmonie der Farben und des
Helldunkeln. Der Zoͤgling beluſtiget ſich damit, und
lernt, was das Kind am leichteſten begreifen kann,
daß die rohe Einbildungskraft an Abwechſelung und
Einheit im Scheine das lebhafteſte Vergnuͤgen fin-
det. Inzwiſchen die eigene Handanlegung ans Co-
lorit, das in dieſem Alter nur verfuͤhreriſche Schmiere-
rei werden kann, moͤchte ich ganz davon entfernet halten.
So wird der Knabe Juͤngling, und nun keine
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/175>, abgerufen am 21.11.2024.
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