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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Ueber die Unterscheidungszeichen

Einige sind blos der Manier des Pietro da Cor-
tona gefolgt, und haben sie noch verschlimmert. Dies
sind die eigentlichen Mahler con Brio, spirito e
fuoco,
an deren Spitze Luca Giordano, Solime-
ne, Corrado, Tiepolo stehen, und deren Troß die
ganze neuere Venetianische, Neapolitanische Schule,
und ein Theil der Französichen seit le Moine, in
Deutschland aber die Augsburgische Academie aus-
macht. Diese haben sich so wenig um Wahrheit und
Richtigkeit bekümmert, daß sie auch sogar den Schein
derselben vernachlässigt haben. Ihre Contouren sind
auseinandergeflossen, die Gewänder in willkührliche
Falten geworfen, die Farben und die Lichter willkühr-
lich geleitet. Dagegen aber herrscht große Harmonie
im Ton der Farbe, das Helldunkle ist äusserst pikant,
die Figuren haben einen repräsentirenden Ausdruck,
die Weiber besonders buhlerische Reize, und das Ganze
scheint wie ein Hauch auf die Fläche gezaubert 8).

Die andern sind dem Stile der Carracci treuer
geblieben. Sie haben sich angelegen seyn lassen,
durch keine auffallende Fehler in der Zeichnung zu be-
leidigen, bei der Wahl der Formen zuweilen die ge-
meine Natur zu Rathe zu ziehen, große Massen von
Falten in den Gewändern anzubringen, und ihre
Gruppen gut anzuordnen. Dagegen ist auch ihre

Behand-
8) In Werken, die nicht für Kirchen bestimmt gewe-
sen sind, kann man den Stil dieser Meister auch an
den witzigen Allegorien ohne Vernunft, die sie so
oft zur Darstellung, besonders an Plafonds, ge-
wählt haben, wieder erkennen.
Ueber die Unterſcheidungszeichen

Einige ſind blos der Manier des Pietro da Cor-
tona gefolgt, und haben ſie noch verſchlimmert. Dies
ſind die eigentlichen Mahler con Brio, ſpirito e
fuoco,
an deren Spitze Luca Giordano, Solime-
ne, Corrado, Tiepolo ſtehen, und deren Troß die
ganze neuere Venetianiſche, Neapolitaniſche Schule,
und ein Theil der Franzoͤſichen ſeit le Moine, in
Deutſchland aber die Augsburgiſche Academie aus-
macht. Dieſe haben ſich ſo wenig um Wahrheit und
Richtigkeit bekuͤmmert, daß ſie auch ſogar den Schein
derſelben vernachlaͤſſigt haben. Ihre Contouren ſind
auseinandergefloſſen, die Gewaͤnder in willkuͤhrliche
Falten geworfen, die Farben und die Lichter willkuͤhr-
lich geleitet. Dagegen aber herrſcht große Harmonie
im Ton der Farbe, das Helldunkle iſt aͤuſſerſt pikant,
die Figuren haben einen repraͤſentirenden Ausdruck,
die Weiber beſonders buhleriſche Reize, und das Ganze
ſcheint wie ein Hauch auf die Flaͤche gezaubert 8).

Die andern ſind dem Stile der Carracci treuer
geblieben. Sie haben ſich angelegen ſeyn laſſen,
durch keine auffallende Fehler in der Zeichnung zu be-
leidigen, bei der Wahl der Formen zuweilen die ge-
meine Natur zu Rathe zu ziehen, große Maſſen von
Falten in den Gewaͤndern anzubringen, und ihre
Gruppen gut anzuordnen. Dagegen iſt auch ihre

Behand-
8) In Werken, die nicht fuͤr Kirchen beſtimmt gewe-
ſen ſind, kann man den Stil dieſer Meiſter auch an
den witzigen Allegorien ohne Vernunft, die ſie ſo
oft zur Darſtellung, beſonders an Plafonds, ge-
waͤhlt haben, wieder erkennen.
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[206/0230] Ueber die Unterſcheidungszeichen Einige ſind blos der Manier des Pietro da Cor- tona gefolgt, und haben ſie noch verſchlimmert. Dies ſind die eigentlichen Mahler con Brio, ſpirito e fuoco, an deren Spitze Luca Giordano, Solime- ne, Corrado, Tiepolo ſtehen, und deren Troß die ganze neuere Venetianiſche, Neapolitaniſche Schule, und ein Theil der Franzoͤſichen ſeit le Moine, in Deutſchland aber die Augsburgiſche Academie aus- macht. Dieſe haben ſich ſo wenig um Wahrheit und Richtigkeit bekuͤmmert, daß ſie auch ſogar den Schein derſelben vernachlaͤſſigt haben. Ihre Contouren ſind auseinandergefloſſen, die Gewaͤnder in willkuͤhrliche Falten geworfen, die Farben und die Lichter willkuͤhr- lich geleitet. Dagegen aber herrſcht große Harmonie im Ton der Farbe, das Helldunkle iſt aͤuſſerſt pikant, die Figuren haben einen repraͤſentirenden Ausdruck, die Weiber beſonders buhleriſche Reize, und das Ganze ſcheint wie ein Hauch auf die Flaͤche gezaubert 8). Die andern ſind dem Stile der Carracci treuer geblieben. Sie haben ſich angelegen ſeyn laſſen, durch keine auffallende Fehler in der Zeichnung zu be- leidigen, bei der Wahl der Formen zuweilen die ge- meine Natur zu Rathe zu ziehen, große Maſſen von Falten in den Gewaͤndern anzubringen, und ihre Gruppen gut anzuordnen. Dagegen iſt auch ihre Behand- 8) In Werken, die nicht fuͤr Kirchen beſtimmt gewe- ſen ſind, kann man den Stil dieſer Meiſter auch an den witzigen Allegorien ohne Vernunft, die ſie ſo oft zur Darſtellung, beſonders an Plafonds, ge- waͤhlt haben, wieder erkennen.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/230>, abgerufen am 23.11.2024.