Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

über die einzelnen Kirchen.
der Stellung genau prüfe. Aber ein Gegenstand den
ich auf dem Theater, aus einem offenen Fenster er-
blicke, wird, so zu sagen, selbst ein Coup de
theatre,
ein Schein, der mich im Ganzen frap-
piren soll, und mit dem ich es schon so genau nicht
nehme, wenn er auch hier und da ein wenig untreu
ist. Wie fern die Darstellung von mir! Wie
schwach mein Auge, das, wie der Apostel sagt, aus
einem dunkeln Orte in ein helles Licht sieht! genung,
wenn ich durch Harmonie des Tons, der Farben,
durch Helldunkles, durch Gruppirung, kurz! durch
alle die Theile, die eine so weitläuftige Erscheinung zu
einem wohlgefälligen Ganzen machen, für einige Un-
bestimmtheit, Incorrektion, und Unwahrheit im
Einzelnen, -- wenn diese Fehler anders nicht zu
arg sind, -- wieder schadlos gehalten werde.

So wie ich hier raisonnire, so und nicht anders
ist A. Sacchi verfahren. Es ist der Mühe werth
seine Vorzüge, seine Fehler etwas genauer zu prüfen.

Einer der Hauptvorzüge eines großen Gemähldes
ist die Harmonie des Tons und der Farben. Ich
will sie genauer bestimmen, ich will sagen, wie sie
erreicht werden.

Es ist bekannt, daß die wesentliche Farbe eines
jeden Objekts, diejenige, welche ich unter jedem
Grade des Lichts, und unter jeder Art desselben wie-
dererkenne, und auf gleiche Art benenne, dennoch
nach der Verschiedenheit in dem Grade der Stär-
ke und der Art des darauf zuströmenden Lichtes,
verschiedene Modificationen annimmt. Man er-
leuchte ein Zimmer mit der Flamme des Wein-
geistes; alle Gegenstände in demselben werden einen

bläu-
Y 4

uͤber die einzelnen Kirchen.
der Stellung genau pruͤfe. Aber ein Gegenſtand den
ich auf dem Theater, aus einem offenen Fenſter er-
blicke, wird, ſo zu ſagen, ſelbſt ein Coup de
theatre,
ein Schein, der mich im Ganzen frap-
piren ſoll, und mit dem ich es ſchon ſo genau nicht
nehme, wenn er auch hier und da ein wenig untreu
iſt. Wie fern die Darſtellung von mir! Wie
ſchwach mein Auge, das, wie der Apoſtel ſagt, aus
einem dunkeln Orte in ein helles Licht ſieht! genung,
wenn ich durch Harmonie des Tons, der Farben,
durch Helldunkles, durch Gruppirung, kurz! durch
alle die Theile, die eine ſo weitlaͤuftige Erſcheinung zu
einem wohlgefaͤlligen Ganzen machen, fuͤr einige Un-
beſtimmtheit, Incorrektion, und Unwahrheit im
Einzelnen, — wenn dieſe Fehler anders nicht zu
arg ſind, — wieder ſchadlos gehalten werde.

So wie ich hier raiſonnire, ſo und nicht anders
iſt A. Sacchi verfahren. Es iſt der Muͤhe werth
ſeine Vorzuͤge, ſeine Fehler etwas genauer zu pruͤfen.

Einer der Hauptvorzuͤge eines großen Gemaͤhldes
iſt die Harmonie des Tons und der Farben. Ich
will ſie genauer beſtimmen, ich will ſagen, wie ſie
erreicht werden.

Es iſt bekannt, daß die weſentliche Farbe eines
jeden Objekts, diejenige, welche ich unter jedem
Grade des Lichts, und unter jeder Art deſſelben wie-
dererkenne, und auf gleiche Art benenne, dennoch
nach der Verſchiedenheit in dem Grade der Staͤr-
ke und der Art des darauf zuſtroͤmenden Lichtes,
verſchiedene Modificationen annimmt. Man er-
leuchte ein Zimmer mit der Flamme des Wein-
geiſtes; alle Gegenſtaͤnde in demſelben werden einen

blaͤu-
Y 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0367" n="343"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">u&#x0364;ber die einzelnen Kirchen.</hi></fw><lb/>
der Stellung genau pru&#x0364;fe. Aber ein Gegen&#x017F;tand den<lb/>
ich auf dem Theater, aus einem offenen Fen&#x017F;ter er-<lb/>
blicke, wird, &#x017F;o zu &#x017F;agen, &#x017F;elb&#x017F;t ein <hi rendition="#aq">Coup de<lb/>
theatre,</hi> ein Schein, der mich im Ganzen frap-<lb/>
piren &#x017F;oll, und mit dem ich es &#x017F;chon &#x017F;o genau nicht<lb/>
nehme, wenn er auch hier und da ein wenig untreu<lb/>
i&#x017F;t. Wie fern die Dar&#x017F;tellung von mir! Wie<lb/>
&#x017F;chwach mein Auge, das, wie der Apo&#x017F;tel &#x017F;agt, aus<lb/>
einem dunkeln Orte in ein helles Licht &#x017F;ieht! genung,<lb/>
wenn ich durch Harmonie des Tons, der Farben,<lb/>
durch Helldunkles, durch Gruppirung, kurz! durch<lb/>
alle die Theile, die eine &#x017F;o weitla&#x0364;uftige Er&#x017F;cheinung zu<lb/>
einem wohlgefa&#x0364;lligen Ganzen machen, fu&#x0364;r einige Un-<lb/>
be&#x017F;timmtheit, Incorrektion, und Unwahrheit im<lb/>
Einzelnen, &#x2014; wenn die&#x017F;e Fehler anders nicht zu<lb/>
arg &#x017F;ind, &#x2014; wieder &#x017F;chadlos gehalten werde.</p><lb/>
            <p>So wie ich hier rai&#x017F;onnire, &#x017F;o und nicht anders<lb/>
i&#x017F;t A. Sacchi verfahren. Es i&#x017F;t der Mu&#x0364;he werth<lb/>
&#x017F;eine Vorzu&#x0364;ge, &#x017F;eine Fehler etwas genauer zu pru&#x0364;fen.</p><lb/>
            <p>Einer der Hauptvorzu&#x0364;ge eines großen Gema&#x0364;hldes<lb/>
i&#x017F;t die Harmonie des Tons und der Farben. Ich<lb/>
will &#x017F;ie genauer be&#x017F;timmen, ich will &#x017F;agen, wie &#x017F;ie<lb/>
erreicht werden.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t bekannt, daß die we&#x017F;entliche Farbe eines<lb/>
jeden Objekts, diejenige, welche ich unter jedem<lb/>
Grade des Lichts, und unter jeder Art de&#x017F;&#x017F;elben wie-<lb/>
dererkenne, und auf gleiche Art benenne, dennoch<lb/>
nach der Ver&#x017F;chiedenheit in dem Grade der Sta&#x0364;r-<lb/>
ke und der Art des darauf zu&#x017F;tro&#x0364;menden Lichtes,<lb/>
ver&#x017F;chiedene Modificationen annimmt. Man er-<lb/>
leuchte ein Zimmer mit der Flamme des Wein-<lb/>
gei&#x017F;tes; alle Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde in dem&#x017F;elben werden einen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 4</fw><fw place="bottom" type="catch">bla&#x0364;u-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0367] uͤber die einzelnen Kirchen. der Stellung genau pruͤfe. Aber ein Gegenſtand den ich auf dem Theater, aus einem offenen Fenſter er- blicke, wird, ſo zu ſagen, ſelbſt ein Coup de theatre, ein Schein, der mich im Ganzen frap- piren ſoll, und mit dem ich es ſchon ſo genau nicht nehme, wenn er auch hier und da ein wenig untreu iſt. Wie fern die Darſtellung von mir! Wie ſchwach mein Auge, das, wie der Apoſtel ſagt, aus einem dunkeln Orte in ein helles Licht ſieht! genung, wenn ich durch Harmonie des Tons, der Farben, durch Helldunkles, durch Gruppirung, kurz! durch alle die Theile, die eine ſo weitlaͤuftige Erſcheinung zu einem wohlgefaͤlligen Ganzen machen, fuͤr einige Un- beſtimmtheit, Incorrektion, und Unwahrheit im Einzelnen, — wenn dieſe Fehler anders nicht zu arg ſind, — wieder ſchadlos gehalten werde. So wie ich hier raiſonnire, ſo und nicht anders iſt A. Sacchi verfahren. Es iſt der Muͤhe werth ſeine Vorzuͤge, ſeine Fehler etwas genauer zu pruͤfen. Einer der Hauptvorzuͤge eines großen Gemaͤhldes iſt die Harmonie des Tons und der Farben. Ich will ſie genauer beſtimmen, ich will ſagen, wie ſie erreicht werden. Es iſt bekannt, daß die weſentliche Farbe eines jeden Objekts, diejenige, welche ich unter jedem Grade des Lichts, und unter jeder Art deſſelben wie- dererkenne, und auf gleiche Art benenne, dennoch nach der Verſchiedenheit in dem Grade der Staͤr- ke und der Art des darauf zuſtroͤmenden Lichtes, verſchiedene Modificationen annimmt. Man er- leuchte ein Zimmer mit der Flamme des Wein- geiſtes; alle Gegenſtaͤnde in demſelben werden einen blaͤu- Y 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/367
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/367>, abgerufen am 27.11.2024.